Gott ist tot – wer weiss es schon?

Die Bibel – von Peter Ruch, Weltwoche, 29. 03. 23

«Gott ist tot» kann stimmen

Mit der Ausbreitung des Wissens seit der Aufklärung schrumpfte die Bedeutung des christlichen Glaubens. Dieser Prozess gipfelte im 19. Jahrhundert in Nietzsches provokativer Aussage, Gott sei tot. Das beunruhigt den Glauben und bringt auch das Denken in Verlegenheit. Vermutlich ist aber ein beunruhigter Glaube klüger als einer, der alles zu wissen meint. Zum frommen Wissen gehört es, Gott mit dem Sieg zu verbinden. Das hat die Kirche über Jahrhunderte getan. Und daraus ergibt sich logisch, dass auch Jesus siegen muss. Aber die Kreuzigung ist kein Sieg. Deshalb stellt sich die Frage, wie Gott und der Sieg in der Geschichte Jesu zusammenkommen.

Der Glaube muss lernen, seine Modelle in Frage zu stellen. Sieg heisst in der Regel auch Krieg. Gesiegt wird im Kampf gegen einen Feind. In der staatsnahen Kirche wurden die Feinde des Monarchen oder Regenten oft zu Feinden Gottes erklärt. Im Westen denkt man Gott eher abstrakt und entfernt im Himmel, so dass man auf Erden tun kann, was einem beliebt. Im Osten denkt man Gott konkreter und kann ihn daher zum militärischen Oberbefehlshaber befördern. In beiden Fällen handelt der Mensch eigenmächtig und löst seine Probleme ohne Gott. Insofern scheint Er tatsächlich tot zu sein.

Sind wir Atheisten? Diesen Vorwurf machte man in der Antike den Christen, weil sie die herkömmlichen Götter nicht verehren wollten. Es hat daher etwas Richtiges, wenn Christen «Atheisten» sind. Auch im gekreuzigten Christus begegnet der Welt ein toter Gott. Und sein Tod zwingt dazu, über die altbewährten Gottesbilder hinauszudenken. Gott hört im Tod nicht auf, sich zu den Menschen zu verhalten. Wo die Verhältnisse abbrechen, setzt er sich selber ein und zeigt damit, dass sein Motiv die Liebe ist. Die Liebe schafft neue Verhältnisse, ohne einer Logik zu folgen.

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Das James Webb-Weltraumteleskop sieht die Säulen der Schöpfung. Diese säulenartigen Strukturen hat bereits das Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen, auch dort waren sie schon sehr hübsch anzusehen. Ihr Name: Säulen der Schöpfung. Das klingt dramatisch, kommt aber hin: Bei dieser Struktur handelt es sich um eine Sternentstehungsregion im Adler-Nebel, rund 6500 Lichtjahre von der Erde entfernt. Kollabieren die Ansammlungen aus Gas und Staub an den Spitzen der Säulen, entstehen dort neue Sterne (james-webb-teleskop-weltraum-nasa-esa-124~_v-img__16__9__xl_-d31c35f8186ebeb80b0cd843a7c267a0e0c81647).

Mutig ist er, Peter Ruch. Der erstausgebildete Radio- und Fernsehelektroniker und spätere Theologe steht offenbar mit beiden Füssen auf dem Boden, mit dem praktischen und dem theoretischen! Niemand weiss ob es einen Gott gibt oder nicht, weder die Befürworter noch die Gegner. Würden die Menschen Gott ergeben leben, wären sie vielleicht im Paradies. Paradies bedeutet nicht gleich Schlaraffenland. Jedes Lebewesen lebt nach seiner Bestimmung. Raubtiere rauben anderen Lebewesen das Leben um sich satt zu fressen. Spinnen weben ihre Netze um Nahrung zu fangen. Schlangen schlängeln sich durchs Dickicht um so zu fetter Beute zu gelangen, Vögel …. Sie tun es so lange es in ihrer Bestimmung liegt. Tiere regulieren ihren Bestand auf natürliche Weise je nach Nahrungsangebot. Der Mensch ist dazu nicht in der Lage. Er weiss es, wenn überhaupt, besser.

Als Gott in sieben Tagen die Welt erschuf, hatte er offensichtlich einen schlechten Tag. Dann nämlich, als er den Menschen erschuf und ihm einen Freibrief in die Hände gab, um auszubeuten, zu freveln und zu zerstören!

(…) Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.
Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und
vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Him-
mels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen….

(…) Der Schöpfungsbericht beschreibt, wie alle Lebens-
räume – Wasser, Luft und Erde – vom Leben erfüllt
sind. Für alles Leben ist gut gesorgt.
Der Mensch nimmt unter den Geschöpfen eine be-
sondere Rolle ein: Er gleicht dem Schöpfer, ist Mit-
Schöpfer des weiten Welt-Verlaufs. Seine Aufgabe
ist das Beschützen, nicht das Ausnutzen der Schöp-
fung.)»  Quelle: Interaktive Ausstellung 7 Tage Schöpfung, Erzbistum Köln

Aber als Allwissender musste er gewusst haben was er tat! Das «Tier» Mensch ist anders. Es handelt nicht nach den Auslegungen der Theologen. Es handelt mit Gier und Machtanspruch. Es bedient sich der Tiere, der Pflanzen, des  Bodens, des Wassers, der Luft und der Naturschätze. Bald muss er letztere von anderen Planeten holen! Der Mensch spielt Gott!

Die hohe Geistlichkeit ist nicht mehr was sie einst war! Vor etwa 500 Jahren noch waren sie die Hüter der Wissenschaften. Der Klerus war neben den Feudalherren, der Kaiser, Könige und der Landvögte eine wichtige Kraft im Staat und sie lebten gut dabei. Heute leben sie von der Geschichte, der sie nachtrauern mögen. Würde es den Religionen und deren geistigen Köpfen ohne Gewinnabsicht gelingen, die Menschen zu einem korrekten, besinnlichen Leben anzuhalten, gäbe es weniger Not, dafür mehr Gerechtigkeit. Sie könnten es mit oder ohne Bibel tun.

Einzelne sind mutig, wie wir eben mit Peter Ruch  gelernt haben.


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