Streckenflug mit mit Wisel Bissig im Segelflugzeug Nimbus 3 DM
Primus Wyrsch berichtet:
Am 1. Juli abends um 19.00 Uhr klingelt das Telefon. Am anderen Ende ist Alois Bissig aus Flüelen an der Strippe. „Willst du morgen auf einen Streckenflug mitkommen?» fragt er mich.
Ohne zu zögern sage ich „ na klar“, denn ich war mit dem umsichtigen Alois letzten Oktober auf einen Föhnflug der uns auf über 5000 M. ü. M. brachte.
Am Samstag den 2. Juli herrscht um ½ 8 Uhr schon reger Betrieb vor dem Baulokal der SG Nidwalden. Auch einige andere Clubkameraden sind von den guten Meteobedingungen überzeugt. Manch einer denkt sich beim Zusammenbauen der Segler, er könne das Gold-C, den 500 km Flug, oder noch mehr an diesem „Hammertag“ erfliegen. Noch ein letzter Check und der schlanke, grosse 25 Meter Nimbus 3DM-Segler von Alois ist bereit.
Jetzt geht`s ans Briefing. Alle hören sich die Instruktionen von Jürgen an (Sein Slogan: Nur Streckenfliegen ist Segelfliegen).
Dann wird es plötzlich unruhig. Die Anhänger mit den gut verpackten Seglern werden zum Startplatz gezogen, zusammengebaut und kontrolliert. Alois und ich sind im Baulokal und studieren ein letztes Mal die grosse Schweizerkarte. Auf der grossen Schiefertafel wird der Streckenflug notiert. Sallanches, (FR) Oetztal (OE) retour. Die erste Foto mit diesen Angaben wird gemacht.
Um 10.00 Uhr sind wir beide gut im Segler verpackt, für die lange motorlose Reise. Gelingt das Vorhaben oder nicht? Wenig später sind wir am «Spysgeist» der Nidwaldner Schleppmaschine «Robin» DR 400 180 R, HB-EXW angeklinkt.
Der Schlepp-Pilot Hermann gibt Vollgas und langsam nehmen wir Fahrt auf. „Rad ein“ das darf ich machen, und es geht in die Höhe. Buochs ist schon hinter uns, es geht in Richtung Osten zum Niederbauen. Kaum eine Böe trifft uns. Unter uns ist schon das Reusstal und die A2. Tatsächlich, wie am Radio gemeldet, sehen wir den ersten Stau bei Flüelen. Da kommen wir besser voran. Schon sind wir inmitten der wunderbaren Bergwelt. Nach Andermatt klinken wir auf einer Höhe von 2800 M. ü. M. und wünschen Hermann einen schönen Tag. Klick klick tönt es und wir sind ganz alleine.
Die erste Foto wird genau am vereinbarten Ort geschossen. Alois dreht den Nimbus brüsk über den linken Flügel. Ich habe fast ein bisschen Mühe mit der rechten Hand den Auslöser des fest montierten Fotoapparates zu betätigen. Es wird wieder still. Nur der Fahrtwind singt sein Lied. Der Flugweg geht über den Furkapass, der etwas links von uns ist. Im vorderen Sitz habe ich eine kaum beschreibbare Sicht. Ich mache für mich einen stillen Jauchzer. Es geht weiter auf der rechten Seite den Berghängen entlang Richtung Westen, dem Unterwallis, Sallanches zu. Aber bis dahin sind es noch sehr viele km. Das Variometer zeigt zuviel Sinken an. An jeder Bergrunse drehen wir Kreise und hoffen, die verlorenen Meter wieder gutzumachen. Manchmal mit Erfolg, aber manchmal eben nicht. Die Thermik lässt noch auf sich warten. Trotzdem muss man für eine solch grosse Strecke früh unterwegs sein, sonst reicht die Zeit nicht. Hier ist ein grosses Loch. Schnell probiert Alois in eine bessere Situation zu kommen.Ich muss schon sagen, der kennt sein Metier. Bis an das Eggishorn haben wir uns durchgekämpft. Auf der Kühbodenalp sind praktisch alle Gleitschirme wie Schmetterlinge am Boden ausgebreitet. Es geht also noch nicht richtig. Die vielen Kreise die wir bis jetzt gemacht haben, habe ich nicht gezählt. Knapp unter dem Gipfel fliegen wir durch. Die ersten Bergsteiger sind schon oben und ruhen sich aus. Ich winke ihnen zu. Sie machen das gleiche. In dem Moment sehen wir rechts von uns den Aletschgletscher. Einen Moment blicke ich nur auf diese Eismasse. Ich muss sagen „ s u p e r „! Danke Alois. Es geht weiter Richtung Westen. Mit 100 Sachen fliegen wir von Bergkante zu Bergkante. Ein paar Kreise und wieder los. Die Thermik setzt ganz langsam ein. Es geht gegen Mittag zu. Die hohen Berge rechts von uns sind steil. Links sieht man hinunter ins Rhonethal, vorne ist Sion. Im Funk hört man, wie zwei Piloten versuchen, über den Wildstrubel ins Wallis zu gelangen.
Manchmal geht es hinauf und hinunter, wie an der Kilbi. Die langen Flügel aber fangen die Schläge gut auf. Wir fühlen uns wohl und geniessen die wunderbare Aussicht. Klar, Alois muss manchmal kräftig rudern.
Bis zum Dents de Morcles haben wir uns durchgekämpft. Jetzt kommt die Talüberquerung bei Martigny. Es geht alles gut. Wir fliegen direkt zu den 3 Stauseen knapp an der Grenze. Hier ist es sehr bockig. Nur auf einem Bergrücken finden wir Null oder ein schwaches Steigen. Wir kommen dem Wendepunkt Sallanches näher. Es wird aber geländemässig noch einige Hürden geben. Plötzlich gibt es nur noch Sinken in dieser einsamen Gegend. Der Mont Blanc wird immer höher und höher, das geht sehr schnell.
Alois findet aber immer wieder einen Schlauch, der uns in die Höhe treibt. Der Ausblick in die französischen Skiegebiete ist überwältigend. Vor uns versucht ein Gleitschirmpilot an einer Felswand Höhe zu machen und er hat Erfolg. Nichts wie los und es auch versuchen. Höhe jetzt 2500 m ü M. Sallanches sieht man, Vorbereitung für die Talüberquerung, das Foto machen und dann sofort wieder in den Lift einsteigen und weg. Aber oha, bis zum Foto geht alles gut, dann kommt das grosse Sinken und es wird stark böig, mein Gott. Von weit unten versucht Alois mit hin und herfliegen Höhe zu machen. Erst auf der Ostseite des Berges Aig. du Varan haben wir mehr Glück. Zuerst 1 Meter, dann 2 Meter steigen, das gibt Höhe. Ich glaube, er hat auch gejubelt. Bis zurück nach Martigny ist der Flug ausserordentlich „rumplig“. Talüberquerung und an die rechte Seite des Wallis, alles klappt gut. Wir gönnen uns etwas zu essen und trinken.
Das Wallis hinauf geht es relativ schnell und problemlos. Die Thermik hat sich so richtig entwickelt. Beim Geradeaus-fliegen unter der Basis und Steigen, das ist Musik. Alois kennt eine Abkürzung. Hinein ins Lötschenthal, dann über die Lötschenlücke, alles hintendurch an den Grimsel, das wäre doch etwas. Zuhinderst im Lötschenthal steht der „Bart“ nicht. Die Lötschenlücke ist plötzlich auch zu hoch oben. Aus mit der Abkürzung, es geht nicht. Suchen hier, suchen dort nach Aufwind, nichts, überhaupt nichts finden wir. Das habe ich noch nie erlebt, tönt es vom hinteren Sitz. Die grossen Berner Berge werden immer höher.
Auf halbem Weg verspüren wir einen kräftigen Schlag unter dem linken Flügel und der wird sofort ausgenützt. Prima, für den Weiterflug ist vorderhand wieder genügend Höhe vorhanden. Es geht über die Furka, über den Oberalp an den Piz Medel sehr schnell und ruhig. Im Graubündischen kommen wir gut voran. Das Valserthal und schon sieht man die Autoschlange welche sich schön in Reih und Glied von Thusis her über den San Bernardino zwängt. Am Biella Marscha hört man im Funk, dass es in Samedan nicht mehr so richtig geht. Auch Richtung Süden ist plötzlich die Wetterlage anders geworden. Ein Gewitter? Bis nach La Punt geht es und nicht weiter. In der Höhe Zuoz – Zernez regnet es. Und da sollten wir hin. Alois sagt,
bereit machen für das Foto La Punt und schleunigst weg, zurück an den Oberalp. Das gelingt, obwohl wir bei einer Talüberquerung einige Male Anlauf nehmen. Ganz plötzlich bin ich sehr ruhig geworden. Es sind doch einige Stunden seit dem Start vorbeigegangen. Ich habe mich mit Obst ein wenig versorgt und etwas getrunken, aber aufgepasst in 3000m Höhe gibt es kein WC !
Die Reise über die grossartige Bergwelt führt uns wieder an den Oberalppass, und den Furkapass. Nach dem Pass geht es wie das Gelände nur noch bergab. Auch auf dieser Seite ist das Wetter anders geworden. Man glaubt es kaum, überall ist es sehr heiss und schön, und hier in den Bergen kann es plötzlich regnen. Am Brudelhorn ob Münster ist unser Höhenanteil recht stark geschwunden. Alois versucht alles. Er funkt nach dem nahen Flugplatz Münster, ob ein Schleppflugzeug da sei. Nein, tönt es aus dem Lautsprecher. Aber dort in dieser sonnenangestrahlten Runse sollte es doch gehen, sonst landen wir. Hurra, es steigt wieder und gar nicht schlecht, gerettet. Dem Flugdienstleiter von Münster gibt Alois die Höhe und die Position an und er verabschiedet sich. Was Alois jetzt noch vor hatte war folgendes: Da wir den östlichen Wendepunkt wegen dem Wetter nicht erreichten, will er den Simplonpass fotografieren. Das liegt jetzt wieder drin. Also noch etwas Höhe machen am Blinnenhorn und dann zum Wendepunkt Simplonpass. Der Wendepunkt ist im Kasten und es geht zurück an das Blinnenhorn, dann Richtung Grimsel. Ein Funk nach Buochs und wir erfahren von Cami, dass das Wetter gut ist auf unserem Flugplatz. Er fragt uns, wann seit ihr in Buochs? Im direkten, spricht Alois ins Mikrofon. Wir geniessen die Abendstimmung und das Glitzern im Brienzersee. Mit 180 Sachen wird Buochs angesteuert. Der Bordcomputer sagt aber, dass unser Flug noch weit ins Mittelland reichen würde mit der jetzigen Höhe. Auf Anfrage in Olten ist schon niemand mehr auf dem Platz. Ein Fussballspiel der WM ist auf den Abend angesagt. Viele Piloten haben eben noch ein zweites Hobby. Von Buttwil (AG) kommt die Antwort, ja wir sollen kommen, der Schlepp-Pilot warte auf uns. „ Besten Dank „ Alois meldet sich in Buochs ab. Ueber dem Stanserhorn haben wir noch eine Höhe von 2300 m. Unser Kurs zeigt Richtung Buttwil.
Ueber die schönen quadratischen Felder und über schmucke Dörfer fliegen wir dem Landeort entgegen. Einfädeln, ein Schulflugzeug ist noch vor uns, dann landen wir auf der Graspiste. Nach 9 Stunden Flug hat uns der Boden wieder. Es ist 19.00 Uhr. Schnell ein Oertchen suchen, die Papiere durch den Flugdienstleiter unterschreiben lassen und die Plombe vom Motorschacht kontrollieren lassen. Es gibt einiges zu tun. Zwei sehr hilfsbereite Segler helfen mir das Flz. wieder an den Pistenanfang zu schieben. Mich dünkt das Flz. sei sehr schwer…
Alois hat jetzt im vorderen Sitz Platz genommen und der Schlepper kommt angerollt. Ueber die holperige Graspiste brauchen wir eine lange Startstrecke. Auf etwa 300 m Höhe klinken wir und der lärmige Zuckerwasser-Motor wird ausgefahren und gestartet. Luzern ist in Sicht; Motor aus. Mit etwa 120 km/h schweben wir über den See. Beim Arnosti-Haus visiert Alois die Piste 25 an. Niemand ist mehr auf dem Platz; vielleicht im Flugfeld? Hochziehen, Landekurve eindrehen, ausschweben und genau vor dem Anhänger stehen wir still; es ist genau 20.00 Uhr. Bravo ALOIS.
Für diesen Flug möchte ich mich bei dir lieber Alois herzlichst bedanken. Ein solches Alpenmassiv erleben, lautlos über Täler schweben, das ist fantastisch. Ich habe viel gesehen und gelernt. Ich muss aber auch sagen, ohne Kondition geht das nicht. Die 10 Std. Flug gehen nicht nur so vorbei.
Insgesamt gab es eine Strecke von 650 km und 9 Std. Flugzeit. Dieser Flug reichte für die Eingabe zum Nationalen Wettbewerb. ( Es zählen 3 Wertungen ) Alois hat ja 1994 den ersten Rang in dieser Kategorie erreicht. BRAVO. Ein wenig stolz bin ich aber auch, dabei gewesen zu sein.
Bis zum nächsten Mal…!
Primus Wyrsch
Strecken Segelflug vom 2. Juli 1994 Plan und Auswertung
Legende:
- Buochs Start (Schlepp)
- Andermatt, Beginn Streckenflug
- Grimselpass
- Martigny
- Sallanches Frankreich Wendeort
- La Punt Engadin Wendeort (wegen Gewitter)
- Blinnenhorn Wallis
- Simplon Pass Wendeort
- Buttwil Landeort
- Oetz-Tal, OE war geplanter Wendeort.
Die Auswertung
Für den Flug von etwas über 700 km ergibt es für den Wettbewerb eine Ausbeute von 650 km.
Nimbus-3 ein Flugzeug der Firma Schempp-Hirt in D-Kirchheim unter Teck
Der Nimbus-3 war überwiegend aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff gebaut und bekam ein neues Flügelprofil. Der vierteilige Flügel hatte 22,9 m Spannw
eite, die durch Ansteckflügel auf 24,5 m, später sogar auf 25,5 m verlängerbar waren. Die Außenflügel sind leicht modifizierte Ventus-Flügel. An den Ansteckflügeln sind Gierspoiler angebracht, die das Seitenruder bei großen Querruderausschlägen unterstützen. Erstflug war am 21. Februar 1981 durch den Konstrukteur Dipl.-Ing. Klaus Holighaus. Der Nimbus-3T hatte eine ausklappbare Heimkehrhilfe.
Nimbus-3 erreichten die ersten drei Plätze auf der Weltmeisterschaft 1981, bei jedoch nur zwölf Teilnehmern. 1983 waren Nimbus-3 auf den ersten sechs Plätzen, und auch 1985 flog der Sieger Nimbus-3.
Der Nimbus-3D ist die Doppelsitzerversion. Der Erstflug war im Mai 1986. Die Flügel sind hier leicht nach vorne gepfeilt. Es gab eine Eigenstarterversion (Nimbus-3DM) und eine Version mit Heimkehrhilfe (Nimbus-3DT). Der Nimbus 3D wurde zunächst mit 24,6 m Spannweite gebaut. Für den 3D und den 3DT gibt es Spannweitenverlängerungen auf 25,6 m.
Die Version Nimbus 3DM wurde als eigenstartfähiger, doppelsitziger Motorsegler mit Rotax-2-Taktmotor 60 PS mit einer Spannweite von 24,6 m gefertigt.