Wie schon öfters, rief mich Kari Suter um 06.30 Uhr an. Wir würden heute ins Birrfeld fahren. Er hole mich ab.
Ich hatte bereits die Meteo abgehört und diese war weniger optimistisch als Kari. Mein Bündel lag bereit. Noch rasch ein Telefon an den Meister Hans Zimmermann (Beyli-Hans), dass der Plan A, Fahrt ins Birrfeld gelte. Er war vororientiert. Kari kam direkt von der Schicht bei der «Papiri» (Papierfabrik) in Perlen per Heinkelkabine angerauscht.
Sportsack, Jacke und etwas zum Trinken und ein Sandwich waren schnell verstaut. Ab gings via Ebikon – Mehrenschwand-Bremgarten-Mellingen zum Flugplatz Birrfeld. Auf der Fahrt fragte Kari mehrmals: Würdest Du hier aussenlanden? Er musste ein Tausendsassa sein! Es gab Felder, die ich als unmöglich beurteilte. Kari war oft anderer Meinung. Später, als ich mehr Erfahrung hatte, musste ich zum Teil zugestehen, dass es mit einem S16 an einigen Orten nach Karis Vorstellungen mit viel Risiko möglich gewesen wäre. Andere musste ich als unmöglich bleiben lassen schon früh richtig eingeschätzt! Der einfache Mann, der alles selbst hart erarbeiten musste nutzte das Lernen aus Erfahrungen und aus Beobachtungen.
Dort holten wir Karis «Gugger», den S-16 II unter einem Vordach hervor, nahmen die Planen weg und begannen mit der Montage.
Der Himmel war weit und breit blau. Unterwegs wollte Kari immer wieder ein Wölklein gesehen haben. Beim genaueren Hinsehen aber, stellte es sich als eine Fatamorgana oder sonst ein Hirngespinst heraus. Ausser etwas Trockenthermik war kaum mehr zu erwarten.
Dann aber stiess ein unbekannter Typ in einem grünlich-grauen Combi zu uns. Er heisse Hansueli Bütschi und sei hier als Allrounder angestellt. Er hätte Überstunden zu kompensieren. Er
wolle mit der Meise einen Trainingsflug machen. Kari sah, dass es keinen Streckenflug für ihn gab. Er überliess mir sein S16 II, HB-418. Also zogen wir die zwei Segelflugzeuge zum Startplatz und machten uns bereit.
Dann rauschte „Highstreet“, der Werkstattchef Hochstrasser mit der Stinson heran. Er hievte Hansueli über das Hochkamin von Wildegg.
Piper Stinson, HB-ARH; Foto: René Vetterli
Nun war ich an der Reihe. Gleiches Ziel. Dort oben über dem Kamin mühten wir uns ab. Einmal war Hansueli höher, dann trocknete ich ihn ab. Mit dem langsamen S-16 II konnte ich enger drehen und so war ich im Steigen im Vorteil. Ein Abstecher an die Gisliflue brachte nichts. Dort war die Luft wie tot. Also keine Chance, den Jura zu beschnuppern. Nach ca. 1 1/2 Stunden „Hochkamin“ hatte ich genug. Die Abgase des Kamins bekamen mir nicht gut! Ähnlich erging es Hansueli in der Meise. Die Flugzeuge wurden schnell eingeräumt. Wir durften das Flugery, HB-418, S 16 II montiert in einen Hangar stellen. So brachte mich Kari frühzeitig nach Hause nach Beckenried.
In der Aera nach High-Street hatten wir guten Kontakt zu Urs Balmer. Er kochte jedoch auch nur mit Wasser, welches er gelegentlich mit etwas Flüssigem herunterspülen musste. Moritz, alias Attila Ziermann unterstützte ihn dabei tatkräftig. Nach einem ungewollten Startabbruch mit Umkehrkurve in niedriger Höhe mit einem Falken, der frisch aus der Kontrolle kam, war Urs schnell dafür besorgt, dass die Mechanik am vierten Auslassventil gesichert wurde… Ebenso war er schnell zur Stelle und schob Überstunden über Mittag ein, als eine Presshülse am Querruderseil an der Rhönlerche ihre Funktion aufgab, indem diese an der Presstelle einen sichtbaren Riss auf 3/4 der Länge aufwies… Entdeckt habe ich’s, als ich während eines Fluges mit einem Schüler als ich eher aus Langeweile alle Presshülsen genauer betrachtete…
Wir verlassen nun das Birrfeld – Es dauerte einige Jahre, bis mir der Gefreite Bütschi in der Fl Kp 11 in Interlaken begegnete. Ich hatte eine Flugzeug-Wart-Gruppe DH-100 Vampire («Lötlämpli») der Fl St 9 unter mir. Staffel-Kdt war Markus Leander Ritzi.
Hansueli hatte einen «Schoggijob» im Büro des Hauptmanns „Kreuz und Quer“ – Mun und Mat Of im Stab der Flpl Abt 12. (Haber in der Verkleinerungsform). Sie tafelten schon morgens auf dem Beatennberg. Oft war der „Chef unbekannt abwesend und Hansueli hatte das Büro zu schmeissen. Er begriff sofort. Sein Chef machte sich ein Spass daraus kleine Intrigen zu lancieren, die dann im Kommando oft zu Hektik führten weil man glaubte, ein ganz hoher Gast sei unverhofft aufgetaucht… Wenn er unverhofft ins Stabsbüro telefierte, grüsste er «supponiert» einen Herrn Brigadier oder so und schon war bei Hauptmann Peter, dem «Abteiliger», Feuer im Dach… Wir trafen uns während mehreren Wiederholungskursen. Dann gingen unsere Wege auseinander. Später, las ich im Expertenkurs auf dem Belpmoss weilte, trudelte ein Porter etwas spät ein. Wer gesellte sich in der Beiz zu uns in die Runde? Hansueli! Dann wieder Pause. Vor einigen Jahren fanden wir uns plötzlich im Wartezimmer eines Arztes. Hansueli wie er leibte und lebte: Von Kopf bis Fuss auf «Pilot» gestylt – einer der lebt, was er fühlt! Was ist aus dem Allrounder, dem «Bringmèr, holmèr, tuèmèr» im Birrfeld geworden? Eine klassische «Tellerwäscherkarriere! Lassen wir ihn selber sprechen (aus Swissaviation.ch):
«(…) Hans-Ulrich Bütschi hat eine Fliegerkarriere erlebt, wie sie kaum vorstellbar ist. Fluglehrer, Buschpilot, Werkpilot – Fliegen sei seine «second nature», sagt er.
Fotos: Archiv Hans-Ulrich Bütschi
Hans-Ulrich Bütschi war schon immer anders. In einer Zeit, in der alle Jungen zum Bund wollten, um der Rezession zu entgehen, drängte es ihn weg vom Beamtentum. Von der Sicherheit einer Laufbahn bei der Post wagte er den Schritt in die Unsicherheit der Berufsfliegerei. Die Fliegerschule Birrfeld suchte in einem Inserat einen «technisch interessierten jungen Mann» – Synonym für Hans-Ulrich Bütschi. Er trat die Allrounderstelle als Schlepp-Pilot, Rundflugpilot und Mann für alles als Sprungbrett zur Welt der Fliegerei an: Erfahrungen sammeln, in möglichst vielen Flugstunden Routine erwerben. Doch für weitere Abenteuer war die B-Ausbildung mit Nachtflugerweiterung nötig. Nachtflugausbildung wurde nur in Grenchen angeboten – fünfmal im Jahr. Also ratterte der junge Idealist jeweils abends mit einer rostigen Lambretta nach Grenchen, stellte sich dort zuerst an den Ofen, um sich aufzuwärmen, und wartete darauf, dass er gnädigst fünf Volten drehen durfte – schliesslich wollten andere auch. Für die B-Ausbildung war die Schweiz ein denkbar schlechter Ort. Es gab praktisch keine Kurse, Schulungsliteratur existierte nicht. Die meisten Piloten machten die B-Lizenz in Grossbritannien. Hans-Ulrich Bütschi machte sie in Grenchen. Dort wurde ein Kleinkurs angeboten: Swissair-Piloten gaben den Nachwuchspiloten anhand ihrer Unterlagen Tips nach dem Motto «Lies das mal – und das vielleicht auch noch». Was an der Prüfung abgefragt werden würde, wusste keiner so recht.
Mit 24 Jahren trat Bütschi in Grenchen eine Stelle als Fluglehrer-Aspirant an. Er war einer der jüngsten – und wohl auch einer der wilden. Wenn er alleine war. Im Dienst als Fluglehrer liess er die eigene Abenteuerlust zurück. Seinen Schülerinnen und Schülern liess er nichts durchgehen. Er sei seriös und eher hart gewesen, meint er heute. Und doch verband ihn mit jedem Flugschüler etwas Besonderes. Etwas, was es ihm schwer machte, einem hoffnungsvollen Jungpiloten sagen zu müssen, er habe die FVS–Selektion nicht bestanden.
Leben im Busch und in der Wüste
«Bevor ich mich niederliess, wollte ich als Pilot irgendwohin in den Busch», erzählt Hans-Ulrich Bütschi. Das war 1967, gegen Ende seiner Fluglehrerzeit in Grenchen. Pilatus suchte einen Porter-Piloten für einen Sprühauftrag im Sudan: vier Monate lang Baumwolle besprühen, acht Monate lang Taxi- und Charterflüge fliegen. Für die Umschulung auf den Porter und die etwas andere Art der Fliegerei war Rolf Böhm im Stanser -Pilatus-Werk zuständig. Hans-Ulrich Bütschi wollte den Job – bis zu dem Zeitpunkt, als Rolf Böhm ihn in die Sprühfliegerei einführte. Die Art, wie der Mann die Maschine um die Bäume herumriss, erschreckte Bütschi dann doch. Als er aus dem Flugzeug ausstieg, habe er gesagt: «Das mache ich nie, ich will mich doch nicht umbringen.» Sechs Monate später war es für ihn längst selbstverständlich. Bis zu zwölf Stunden täglich flog er bei der Sprüherei am Limit: Die Baumwollblüten streiften das Fahrwerk, die Umkehrkurven waren eine Sache von Sekunden. Die Sicherung der Stall-Warnung hatte er wie alle Sprühpiloten herausgezogen – das ständige Hornen in den Umkehrkurven lenkte nur ab. Auf den Charterflügen nach der Baumwollsaison lernte er den Sudan und seine Menschen kennen. Die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Sudanesen stellte ihn häufig vor Probleme: Den Menschen zu sagen, dass er gleich wieder gehen müsse, verlangte viel Fingerspitzengefühl. Viel Gefühl und Instinkt brauchte auch die Flie-gerei: «Es gab nur Wüste, keine Flüsse und keinen Flugplatz. Also landete ich jeweils dort, wo es am wenigsten Gebüsch hatte.» Die Fliegerei wurde zu Hans-Ulrich Bütschis «second nature». Nächste Station war Libyen: Drei Monate Verkaufstour mit dem Pilatus Porter, drei Monate Sahara. -Bütschi wurde zum Wüstenfuchs. Nach vier Wochen war auch für seine Augen die Wüste nicht mehr nur weiss. Sein Instinkt erkannte die kleinsten dunklen Schatten auf dem Sand. «Man riecht es», versucht er jenen seltsamen instinktiven Orientierungssinn zu erklären. Navigationshilfen existierten praktisch keine oder sie funktionierten nicht.
Persönlich
Laufbahn
Am 26. März 1941 wurde Hans-Ulrich Bütschi in Baden geboren. Als Ältester verbrachte er mit acht Geschwistern eine schöne Jugend. Nach der Sekundarschule trat er in Vaters Fussstapfen und absolvierte eine Lehre bei der Post. Als sein nächst-jüngerer Bruder mit dem Modellbauen begann, half Hans-Ulrich Bütschi mit.
«Wie eine Blütenknospe» wuchs sein Wunsch, selbst zu fliegen. Mit 19 lernte er im Birrfeld Segelfliegen auf Rhönlerche und Meise, anschliessend Motorfliegen. Mit 24 wurde er Fluglehrer in Grenchen. Die wachsende Abenteuerlust trieb ihn in den Busch. Vorerst als Sprüh- und Charterpilot im Sudan und später in Libyen als Demo-Pilot. Ab 1979 flog er für Ciba-Pilatus weltweit diverse Einsätze und wurde Chefpilot dieser Firma. 1982 wurde Ciba Pilatus aufgelöst; Hans-Ulrich Bütschi blieb als Werkpilot bei Pilatus.
Familie
In Grenchen lernte er seine flugbegeisterte Frau kennen, welche dort das PPL und in Kloten den Radionavigations-Ausweis erwarb. Sie lebt das Fliegerleben mit, da auch sie ein Abenteuer-Typ ist, und begleitet ihren Mann oft auf abenteuerlichen Reisen. Die beiden haben drei Söhne.
Der Älteste absolvierte den KV und ist fliegerisch unbelastet, jedoch in verschiedenen Ländern tätig.
Der zweite ist Eintwicklungsingenieur HTL bei Pilatus.
Der Dritte ist als Korporal einer Leichtflieger-Staffel seit letzter Woche als «Freiwilliger» in Albanien im Einsatz, sonst als technischer Kaufmann im Helikoptergeschäft tätig.
Freizeit
«Freizeit habe ich zuwenig», sagt Hans-Ulrich Bütschi und lacht. Wenn er frei hat, pflegt er sein Haus, welches er grösstenteils selbst gebaut hat, und seinen schönen Garten in Beckenried oder segelt mit dem Boot auf dem Vierwaldstättersee.
Nach seiner Pensionierung könnte er sich vorstellen, weiterhin zu reisen, mal hier, mal dort zu wohnen. «Wir sind beide Sonnenkinder. Vielleicht verbringen wir jeweils die Winter nicht in der Schweiz», werweisst er. «Man soll Visionen haben und sich freuen können.» Das wird ihm nicht schwerfallen.
Viel Herzblut investiert
Bütschi und Pilatus: Eine tiefe Beziehung, entstanden aus jahrelanger Tätigkeit für das Unternehmen als Chefpilot und OPS-Chef mit über 20 Flugzeugen im weltweiten Einsatz, und dies meist unter schwierigsten Bedingungen für Mensch und Material. Zuerst bei Ciba-Pilatus, dann, ab 1982, als Werkpilot bei Pilatus, wo er die Entwicklung des PC-9 und der PC-12 von Anfang an miterleben konnte. Sein «Gesellenstück» war die Weiterentwicklung und Zertifizierung des Porters B2-H4. In diesen Abschnitt seines Lebens hat er viel investiert. Wenn er sagt, dass er den Porter fast am liebsten fliege, sagt er das, als spreche er von einem Kind. Man spürt diese Beziehung förmlich. «Noch heute stelle ich, natürlich bei guten Bedingungen und im Wissen der Passagiere, am Titlis den Motor ab und zeige ihnen, wie gut sich mit dem Porter nach Buochs segeln lässt.»
Vertrauen in die Maschine. Und Vertrauen in das eigene Können. Oder der PC-7: Hans-Ulrich Bütschi hat Stunden seines Lebens darin verbracht, kennt seine Eigenschaften, seine Stärken, Schwächen und Reaktionen. Er weiss, was er ertragen kann und wo seine Grenzen sind. Zu oft hat er sie ausgelotet. Als Testpilot, beim Einfliegen, bei Vorführungen, auf Demonstrationstouren, bei Umschulungen der Piloten. Aber er hat sie nie überschritten. Das ist der Job des Werkpiloten. Auch den PC-9 kennt er in- und auswendig. Unzählige Airshows ist er geflogen. «Die Vorschriften im Ausland sind extrem. Bei der kleinsten Abweichung im Training fliegst du nicht an der Show.» Für Bütschi eine Herausforderung, wie so vieles, was in der Fliegerei Ansprüch
e stellt. «Mich reizen die schwierigen Bedingungen. Sei es das Wetter oder ein kurzer, schwieriger ‹Busch-Strip›.» Fliegen ist sein Leben. Auch wenn er spürt, dass sich in seinem Leben langsam Grenzen auftun. Noch immer sprüht er vor Energie. Noch immer wäre er für vieles zu haben. Aber er würde nicht mehr alles machen. Er achtet auf die Signale des Körpers. Hans-Ulrich Bütschi ist Realist genug, diese neuen Grenzen zu erkennen.)»
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Gemeinsamkeiten: Die Fliegerei brachte mich schon früh von Beckenrried ins Birrfeld, wo ich auch 1963 den ersten Alleinflug auf dem Piper J3C, HB-ONE absolvierte. Die Lehre absolvierte ich bei Pilatus. Hansueli brachte die Fliegerei schliesslich nach Stans zu Pilatus und nach Beckenried, wo er sein Zelt aufschlug… Hansueli ist kein fliegerischer Fachidiot obwohl er Flieger mit Fleisch und Blut ist! Das beweist unter anderm sein selbst gezogenes Gemüse. In dieser Hinsicht gibt es auch Gemeinsamkeiten.
Herbie Odermatt