Die Zeit, die sich ausbreitet, ist die Zeit der Geschichte. Die Zeit, die hinzufügt, ist die Zeit des Lebens. Und beide haben nichts gemeinsam, aber man muss die eine nutzen können wie die andere. Antoine de Saint Exupéry, 1900-1944, französischer Flieger und Schriftsteller.
Er spricht mir von der Seele, hätte «unser» Wikinger gesagt!
Lothar Gehring – ein ehemaliges Mitglied der SG Nidwalden
Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung einiger Themen zur Geschichte der SG Nidwalden und der Suche nach Fakten, und dem verschollenen SGN-Segelfliegerlied liess mich an Lothar denken. Es wäre gut möglich gewesen, dass er daran «mitgedichtet“ hatte! Ausserdem könnte er doch noch etwas zur damaligen Zeit erzählen. Nun, letztmals sah ich ihn im Herbst 1959, und danach nochmals 1959 oder war es 1960?! Die Stichworte Nähe Saarbrücken, Strasse, Hausnummer und Ingenieur waren im Computer über meinem Hals noch auszumachen. Ich suchte im Internet und wurde fündig. Ich versuchte es mit einem Anruf. Bingo! Wally, seine Frau nahm ab! Welche Überraschung! Leider konnte ich Lothar nicht erreichen, da er bereits verstorben ist! Erinnerungen tauten auf, als wäre alles gestern gewesen! Nun, alles der Reihe nach.
Als ich im Frühjahr 1959 zur SG Nidwalden stiess, war Aschi (Ernst) Zgraggen mit der Revision des S-18, HB-287, beschäftigt. Mitten im Sommer gelang es Aschi, mit dem gutmütigen Segelflugzeug im Downwind in die Vrille zu fallen! Es war das Ende des HB-287! Aschi kam mit ein paar Kratzern davon – zum Glück. Dreitausend Franken musste er dem Kassier bezahlen! „Gälled Sie, das tued weh!“ meinte der Sektionskassier Kurt Ettel, dem schon lange nicht mehr so viel Geld in der Kasse gespült wurde! Später wurden die Überresten ein Opfer von „Züsli, Brändli und Äschlimann“ – dem Feuerteufel.
Das Flugzeug wurde verbrannt. Schade eigentlich, denn innwändig sah das Flugzeug gut erhalten aus. Wäre es ein Spyr gewesen, am Wiederaufbau wäre nicht gezweifelt worden! Aber ein Spalingerflugzeug….? Die Konstrukteure August Hug (Spyrflugzeuge) und Jakob Spalinger (S-Flugzeuge) hatten das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Dies kam hier mehr oder weniger deutlich einmal mehr zum Ausdruck. Uns jungen Flieger wäre es egal gewesen, ob Spyr oder S, Hauptsache etwas, was fliegt!
Kameradschaft ist, wenn der Kamerad schafft (arbeitet)
Der Doppelsitzer Spyr Va lag auf dem Schragen und so war ich dazu verdammt, bis in den Herbst hinein die Winde zu bedienen, das Seil auszuziehen, Signalflaggen zu bedienen, Nagelleisten anzufertigen , Sperrholz anzuschäften und bei Reparaturarbeiten zu assistieren. Edi Korner, ein Modellbauer der Sonderklasse war im Baulokal mein „Oberstift“.
Er wusste wie und er zeigte es mir. August Hug, der Konstrukteur des Flugzeuges kontrollierte unsere Arbeit persönlich und er achtete darauf dass nur Holz vom Spruce (Sitka-Fichte) und fünffach verleimtes Sperrholz in Flugzeugqualität zum Einsatz kamen. Makkaronenkistenholz wäre nicht sein Ding gewesen!
Edi Korner links zeigt „wie“! Wir klebten noch mit Kaltleim (Kasain)! Hier wird der Sporn des Spyr Va HB-509 repariert. Ursache für den Schaden: Ein „Surri“ beim Start durch Fluglehrer Sepp Ming mit einem Schüler. Kurz darauf schafften es Attila Ziermann, Fluglehrer und Werner Fleig, Schüler und Pilatus-er(!) ganze Arbeit zu hinterlassen. Sie liessen den rechten Flügel während des Starts ins hohe Gras und niemand klinkte das Seil aus! Die Winde zog kräftig was sich letztlich in der Struktur des Rumpfes bemerkbar machte. Selbst der Hauptspant war stark beschädigt.
Bild (odh): Werner Fleig +, repariert einen Teil des selbst verursachten Schadens. Werner war ein Arbeitskollege von Lothar. Sein Markenzeichen war ein schweres, grünes Motorrad Marke Zündapp und eine hellbraune Lederjacke. Werner ist später mit einem Motorsegler RF 4, in der Nähe von Konstanz abgestürzt und dabei ums Leben gekommen.
Da Edi und ich, beide Stifte bei Pilatus waren, streiften wir zur Znünizeit einmal „geschäftlich“ in die Halle 2, wo einer unter dem DH-112 „Venom“ hockte und eben daran war, seine Vivi Cola – Flasche durch die Öffnung der Stuka (Luftbremse am Flugzeug) „anzustützen“. Dabei verzog sich sein Suppenschlitz bis fast zu den Ohren und kurz darauf ertönte der Spruch: „Und schlägt der A… auch Falten, wir bleiben stets die Alten!“ Er hatte offenbar eine etwas strengere Nacht hinter sich! Lothar Gehring!
Wer war Lothar Gehring?
Lothar, geb. am 29. August 1931 kam aus St. Ingbert-Rohrbach in der Nähe von Saarbrücken. Er hielt sich mehrmals beruflich in der Schweiz auf. So war er als Mechaniker einmal in Uster und später bei den Pilatusflugzeugwerken in Stans tätig. Später, während des Studiums kam er auch in den Semestterferien hie her. Ansonsten war er ein Weltenbummler. Seine Frau Wally lernte kennen was es heisst: „Wer oft weg geht, kommt oft nach Hause!“ Lothar wurde 62 1/2-jährig. Mit Wally, der Tochter Jutta und mit den vier Grosskindern hatte er es gut.
Der St. Ingeberter Anzeiger schrieb in der Nr. 207 vom Do. 9.9.1976:
Lothar Gehring, Weltreisender und Pfadfinder
rö. St. Ingbert-Rohrbach. „(…) Zu behaupten er sei weit gereist, ist eher eine Untertreibung als zuviel gesagt: Lothar Gehring, 45 Jahre alt, kennt Afrika und Südamerika, so wie die anderen Leute bestenfalls nur die Pfalz oder das Elsass. Er ist ständig unterwegs für eine Saarbrücker Landmaschinenfabrik und unterweist an Ort und Stelle die Einheimischen in der Nutzung der Maschinen. Also ist er einer von denen, die durch ihren Beruf die Welt kennen gelernt hat? Weit gefehlt, der Drang ins Ausland ist älter als seine Position in der Firma. Lothar Gehring hat nämlich noch einen „Nebenberuf“, er ist Pfadfinder. Und als solcher bereist er seit 1947 das Ausland, Fahrten nach Frankreich, England und Holland folgten ganz grossen Touren wie die zum Jamboree, dem Weltpfadfindertreffen, das 1955 in Kanada stattfand.
Fahrten ins Ausland sind immer faszinierend und gehören auch deshalb zum Angebot von Pfadfindergruppen. Beeindruckender als fremde Sitten und imponierende Sehenswürdigkeiten ist für die Gruppen aber immer der Kontakt mit den Menschen. „Ich habe keine schlechten Menschen kennen gelernt!“, sagt Lothar Gehring, und er hat viele Menschen getroffen.
Bei all der Tätigkeit im Ausland blieb ihm stets noch genügend Energie,um zu Haus aktiv zu sein. Die Rohrbacher Pfadfinder, deren Vorsitzender er schon jahrelang ist, ebenfalls: Ein wichtiges Stück der Jugendarbeit im Saarland hat er entscheidend mitgeprägt. Das Theodor-Jansen-Heim am Pfeiferwald ist der unverrückbare Beweis dafür, denn unter seiner Regie wurde es erstellt.
Im Laufe der Jahre ist es zum Treffpunkt für viele Gruppen geworden, auch für Gruppen aus dem Ausland, und damit schliesst sich der Kreis: Völkerverständigung auf der Ebene der Jugendverbände, begonnen in einer Zeit, in der nicht jede deutsche Gruppe im Ausland gern gesehen war, und Partnerschaft mit fremden Völkern auf der Ebene der technischen (und auf friedliche Ziele ausgerichteten) Entwicklungshilfe. Die Erfahrungen aus der Zeit der seiner grossen Pfadfinderfahrten, vor allem die Erkenntnis, dass Völkerverständnis nur möglich ist, wenn man sie selbst aktiv betreibt, sind zum Leitfaden für seine tägliche Arbeit im Ausland geworden. Und ganz praktisch hat er auch von den Pfadfindern profitiert: Die ersten brauchbaren Fremdsprachenkenntnisse erwarb er sich während der ersten Fahrten nach dem Kriege. )“ Die Geschichte der Rohrbacher Pfadfinder vom «Stamm der Wikinger bietet einen vertieften Einblick in das Wirken dieser Pfadfinder.
Wegen den oft längeren Aufenthalte in Afrika veranlassten den Arbeitgeber zur Ansicht, dass zu lange Abwesenheit einer Ehe nicht gut bekomme. So reiste sein Frau Wally mit und machte ihre Erfahrungen während zwei Jahren im schwarzen Kontinent an der Elfenbeinküste. Er verkaufte die Produkte seiner Firma, der Traktorenfabrik Gutbrod und instruierte das Personal. Die beruflichen Anstrengungen in Afrika (Senegal, Mali, Nigeria, Elfenbeinküste) brachten unterschciedliche Resultate. Trotz eingehender Instruktion lebten die Maschinen meist nicht lange. Sie wurden gebraucht, bis sie stehen blieben. Es wurde vergessen Öl nach zu füllen oder es wurde nicht korrekt gewartet und unterhalten… Die Einheimischen vor bald 60 Jahren waren weder schulisch, noch von den Erfahrungen her gerüstet um die sie überschwemmende Technik zu stemmen. Derweil andere «gute Geschäfte» machten, was man heute durchaus anders deuten kann.
Lothar war nicht nur für den Vertrieb der Produkte seines Brotgebers zuständig. Er verhandelte mit Regierungen und Vertretern der dortigen Wirtschaft, um die Produkte seiner Firma einzuführen. Er schien auch da stets den Zugang zu den wichtigen Menschen, aber auch zu jenen, die in der Hierarchie eine untergeordnete Rolle zu spielen hatten. Die Erfolge waren Zeugnis dafür. Schliesslich schickte ihn sein Arbeitgeber in alle Welt. So kam er nach Russland, Saudi Arabien, Irland, in die skandinavischen Staaten und auch nach Süd Amerika.
Trotz stetem Wandel auf fremden Pfaden war unser Freund ein Familenmensch. Jutta, die Tochter lebt Vaters Streben und Beharrlichkeit nach. Sie studierte Sprachen, wurde schliesslich Kauffrau. Heute ist sie Unternehmerin und als solche in die Firma Ropimex in Neunkirchen eingebunden. Diese exportiert ihre Produkte in über 60 Länder. Geerbte Gene?
Den Weltenbummler zog es immer wieder in die Ferne. So war auch die Schweiz eine Destination. Er war erst einmal in Uster, wo er sich sofort den Pfadfindern anschloss. Seine Faszination zur Fliegerei brachte ihn 1956 nach Nidwalden und da zu den Pilatus Flugzeugwerken. Da die „Pilatus“ von Segelfliegern verseucht war, traf er schnell auf diese Sippe, die das Festen ebenso intensiv betrieben wie das Fliegen. Das Magnet «Aviatik» wirkte! Dies ist auch aus der zurückgelassenen Bibliothek ersichtlich. Nebst dem «Aeronaitcal Englisch – Wörter und Handbuch der Luftfahrt» finden sich viele, damals aktuelle Fliegerbücher, auch Raritäten wie etwa «Bordbuch eines Verkehrsfliegers» von Walter Ackermann, «Mit der Winrose im Knopfloch» von René Gardi, «Die Strasse der Piloten» von C.C. Bergius und sogar das Büchlein von Hallwag, «Fliegen» von Ernst Wetter und viele andere. Wie nicht anders zu erwarten, wusste auch der junge Lothar um die Werbung für die militärischen Fliegereliten. «Vom Pimpf zum Flieger» von Günter Elsner und Karl Gustav Lerche war ihm bekannt. Es dürfte ihm nicht entgangen sein, dass man «Ab zehn Jahren ein Pimpf sein musste»! Pimpf bezeichnet auch einen Jungen vor dem Stimmbruch. Ein Pimpf war auch ein Mitglied des Deutschen Jungvolks. Das «Jungvolk» war die Vorstufe der HJ. bzw. der Flieger HJ. Das damalige Umfeld war so aufgebaut, dass der Druck bis hinab in die kleinsten Gruppen enorm war. Die Freiwilligkeit stand im Vordergrund. Die Propaganda war total. Das Zuckerbrot liess die Peitsche vergessen. Wer wagte es schon, ein Aussenseiter zu sein? Einer meiner früheren Chefs erzählte uns freimütig, was ihm die FHJ bot. Abseits zu stehen wäre für ihn fast unmöglich gewesen. Lothar war jedoch von anderm Holz geschnitzt und von einem tiefen Gerechtigkeitssinn geprägt. Militärdienst war ihm ein Greuel. Er hätte sich kaum einziehen lassen!
Mit seinem trockenen Humor und der Affinität zur Fliegerei wurde er schnell Mitglied der Segelfluggruppe Nidwalden. Lothar stand vor einem neuen Tor zur Welt, der Fliegerei. Sein Interesse dokumentiert sich u.a. an den gesammelten Bildern, den mehrmaligen Aufenthalt bei Pilatus («Flugzeugunterhalt»), den Dienst bei Lufthansa in Hamburg (Abt. WFL) und schliesslich der Mitgliedschaft der Sektion Nidwalden des schweizerischen Aero Clubs. Beruflich brachte er einiges mit: Er war gelernter Maschinenschlosser, hatte den REFA-Schein und bildete sich weiter bis zum grad. Masch. Ingenieur. Schliesslich wurde ihm auch das Diplom zum dipl. Ing. erteilt. In der Freizeit war er den Pfadfindern verpflichtet.
Jene im Aeroclub, die noch etwas von einer Sektion Nidwalden gehört haben, können es nun hier ersehen! Die Gründung erfolgte 1945
In Nidwalden war er bei der Familie Hürlimann, die in Buochs eine Metzgerei betrieben, heimisch. In der SGN packte er gleich mit an und er begann die Fliegerausbildung unter dem Zepter des Leiters der Segelflugschule August Hug Leiter des Technischen Büros bei DMP Buochs-Ennetbürgen, dem Cheffluglehrer Josef Ming Meister im Drahtzug bei den von Moos’chen Eisenwerke in Emmenbrücke und mit den Fluglehrern Albert Thöni (er wurde irischer Segelflugexperte) und Max Müller (er wurde Chefmechaniker bei Farner, Grenchen). Weitere Kollegen waren Edi Korner (selbständiger Flugzeugunterhalt und Mooney Vertretung Schweiz), Ruedi Zbinden (kam als techn. Sachbearbeiter im Unterhalt zur Swissair), Hans Zbinden (wurde Bordmechaniker (Bordtechniker bei Swissair), Edi Lischer (Chef Flugbetrieb Pilatus), Rolf Böhm (Testpilot Pilatus) und Rolf Gressbach (Textiltechniker bei Viscosuisse, Emmenbrücke , Emil Riesterer, Hugo Zangger (Leiter Informatik in einem grossen Betrieb in der Uhrenbranche), Ernst Zgraggen (Leiter Qualitätskontrolle Pilatus, Walter Grünig (zog es in die Betonindustrie: Betonblanc Walter Grünig und Werner Kohler. Er lernte auch Hermann Schreiberkennen (erste Alpentraversierung mit einem Segelflugzeug ( «Mit dem Gummiseil-Start über die Alpen«), gewann er die 1937 Olympia-Goldmedaille im freien Segelflug in Berlin, Erstflug mit dem Spyr IV, HB- 336 am 18. Januar 1941, mehr: Solothurner Zeitung). Schreiber kam als Prüfungsexperte nach Buochs. Es waren die Pilatus Flugzeugwerke und die damalige DMP, welche wie Magnete auf Berufsleute wirkten und so interessante Menschen aus allen Gegenden der Schweiz und aus dem Ausland anzogen. Der Segelflug in Nidwalden profitierte davon! Kaum war Lothar da, war er bereits bestens vernetzt.
Lothar musste ausser in den SGN-spezifischen fliegerischen Angelegenheiten nicht speziell eingeführt werden. Schliesslich war er auch Mitglied der damaligen Luftsportgruppe Rohrbach. Als Pfadfinder war sich Lothar im Umgang mit Menschen gewohnt, wenn auch die Segelflieger im Vergleich zu den Wölfen, Vennern, und den Pfadern eine etwas spezielle Spezies darstellten. Seine Art kam an. Er ging auf die Menschen zu! Qualitätsmerkmale: Grundehrlich, starkes Gerechtigkeitsempfinden, «M⁴ = Man Muss Menschen Mögen»(© Carsten K. Rath), grosses Vertrauen in andere: «Ich lernte keine schlechten Menschen kennen!», verständnisvoll. – So war immer irgend wie die „Bude“ voll! Ein Schreibtischtäter war er nicht! Ihn zog es hinaus, da wo etwas geschah, da wo Späne flogen und er packte gleich selbst mit an. Seine offene und lockere Art war für die eher zurückhaltenden und gegenüber Fremden eher vorsichtigen Schweizer in «Urwalden nid dem Wald» (Kanton Nidwalden) eine echte Bereicherung. Dass es ihm hier passte ist aus seinem Abschiedsbrief von 1956 zu ersehen.
Einige seiner SGN -“Oberen“ und -Kollegen sind längst mit ihm auf Wolke 7. So z. B.:
Max Müller
August Hug
Jakob Geering
Sepp Ming, verunfallt mit Todesfolge kurz vor seiner Pension
Ruedi Zbinden
Edi Lischer, Absturz mit der LS1d, HB – 1083 im Kanton Wallis
Rolf Gressbach, Absturz mit einem Blanik L13 in Samaden
Werner Fleig, Absturz mit einer RF 4 in der Nähe von Konstanz
Edi Korner ist zwar noch nicht auf Wolke 7, lebt aber in einer eigenen Welt!
Neben Lothar erkennen wir im oberen Bild „Zipfelmütz“ Edi Lischer, der spätere Obmann der SG Nidwalden. «Zipfelmützler» waren die Mitglieder der „Giftspritze“, die auf diese Weise das ganze Jahr Fasnacht (Karneval) hatten!
Fliegen hiess damals: 10 Std oder mehr arbeiten für eine Stunde Flug oder auch nur einen einzigen Start pro Tag…(«schaffende» Kameraden!) Etwa nach dem Bruch von Max Müller mit einem Flugschüler am 28. April 1957. Am 19. Oktober, nach 2087 Baustunden, konnte der Spyr wieder seinen Elementen übergeben werden.
Mü – 13, HB-584, von Herrn Rusterholz, Bild Primus Wyrsch
Für die Flugschüler bedeutete es, warten, warten… In diesm Fall wurde eine Mü 13 gemietet, damit der Schulbetrieb aufrecht erhalten werden konnte. Mit Ausdauer und Geduld wurden aber Ziele erreicht und die ersehnte Flugprüfung konnte absolviert werden. Doch Lothar hatte innerlich weiter gehende Pläne. Dies dokumentieren seine vielen Bilder, die z.T. bis ins Detail gingen. Er wollte einmal via Fliegerei in die weite Welt hinaus:
Links: Für einmal war ein anderes Kaliber auf den Böcken, eine DC 7 C. Mitte: Für einmal kein Spass, sondern volle Konzentration, Lothar am Motor der DC – 7C. Rechts: Die Arbeit ist getan, Der Koloss wird zum Standlauf gezogen. Es gab vieles zu beobachten. Nicht nur Flugzeuge, sondern einstudierte Abläufe.
Die Suez-Krise veranlasste die Schweizer Fliegertruppe, die eingemotteten Mustang P51 wieder einsatzbereit zu machen. Zusätzlich wurden die Flugzeuge mit Raketenwerfern für die Oerlikon – 8 cm Raketen nachgerüstet. Einrücken eines Mustangs bei Pilatus. Der Älteste an der Stange…! Rechts: „Einrücken“ einer „Lötlampe“, DH-112 Mk1 „Venom“ bei Pilatus
Es wurden vereinzelt auch private Flugzeuge gewartet, unterhalten oder repariert.
Das „Fabrikli „von „Pilatus“ in dem Grosses geschah, bot um 1956 etwa 350 Personen Arbeit. Hier finden Sie mehr über Pilatus, wie sie sich heute präsentiert: Welcome to Pilatus Aircraft Ltd
In Lothars Fotosammlung sind Raritäten aufgetaucht. Man war eben daran, den Pilatus Porter PC-6 marktfähig zu machen und auch daran, am P-16 mitzuarbeiten. Leider kam dann schon früh das «Aus» für dieses Projekt. In der Zeit lief noch die Fertigung des Schulflugzeuges P-3 für die Schweizer Fliegertruppe.
Bild links: Einer der P-3-02/03-Prototypen , dahinter „Venoms“ in der Revision; Bild rechts: Das Herzstück, der Lycoming GO-435-C2-A2, 6 Zylinder Boxermotor, luftgekühlt 180 kW/240 hp;
Ein besonderes Augenmerk galt dem Pilatus Porter, PC 6.
Das Flugzeug HB-FAN wurde 1960 für die Dhaulagiri Expedition des Luzerners Max Eiselin eingesetzt. Die höchste Landung erfolgte auf dem Nordost Col auf 5700 M.ü. M.! Die erste Landung erfolgte am Dambuschpass auf 5200 M.ü.M. Leider verunglückte das Flugzeug. Pilot Ernst Saxer, Pilot-Mechaniker Emil Wick und Motorenmechaniker Hans Reiser waren sich selbst überlassen. Von der Expeditionsleitung bereits aufgegeben, staunte man in Kathmandu nicht schlecht, als das Team wohlauf wieder auftauchte! Hans Reiser war ein exzellenter Motorenmechaniker. Lothar war ihm eine Zeit lang zugeteilt.
HB-FAD, ein weiterer Prototyp mit einem neuartigen Antrieb, einer Propellerturbine vom Typ Astazou mit elektrischer Propellerverstellung. Die Propellerturbinen, später vom Typ PT6a von Pratt und Wittney, war die Motorisierung.
Die Schweiz sei seine zweite Heimat, soll Lothar einst gesagt haben. Doch eine Farbenblindheit rot/grün, die der Vertrauensarzt des Eidgenössischen Luftamtes feststellte, liess fliegerische Ambitionen in den Hintergrund treten.
Das Tor zur Welt sollte auf einem anderen Welt geöffnet werden. Die Fliegerei liess ihn trotzdem nicht mehr los. Der Arbeitsweg nach Buochs führte über den Flugplatz und über die hölzerne Fadenbrücke.
Unterwegs liegt der Vorplatz der Hallen II und II der DMP, wo meist militärischer Flugbetrieb herrschte. Lothar hat Fotos geschossen, für die man damals bestraft wurde, wenn es ein Betriebswächter der DMP gesehen hätte! Die Vampires waren schon sehr alt!Geheimnisse gab es kaum! Man durfte die Flugzeuge aus Prinzip nicht fotografieren! Vielleicht auch deshalb, damit der «Bö Fei» (der böse Feind) kein Lachkrampf wegen den alten Kisten bekam. Hätte er sich verschluckt wäre dies ein Kriegsgrund gewesen… 😉
Kommentar von Walter Gehring: „Ich besuchte Lothar 1959 in Buochs und ich war ebenfalls bei Hürlimann’s untergebracht. Ich erinnere mich an den Jet-Betrieb in Buochs. Es mussten „ausgebuffte“ Piloten gewesen sein, die mit ihren Jets in den engen Alpentälern fliegen mussten!»
1988 ging Lothar in Pension! Zwischen den Zeilen gelesen: in Frühpension! Die langjährigen Kolleginnen und Kollegen liessen sich nicht lumpen. Wie es sich gehörte, wurde ihm per Gedicht Referenz erwiesen. Im Wissen um das ungebrochene Interess an der Fliegerei, ergänzten sie seine Bibliothek mit dem Werk: «Das grosse Flugzeutypenbuch» von Transpress.
Der «Traktor» wühlte ordentlich. Die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber wurde offenbar klein geschrieben… Es war üblich so, damals. Eine Pensionskasse des Betriebes war nicht obligatorisch. Irgend wer musste ja das Deutsche Wirtschaftswunder und die Exportfähigkeit finanzieren. Wer denn sonst, als das arbeitende Volk? Egal, was sein treuer Mitarbeiter leistete – man liess ihn ziehen…(fallen)! Gutbrod erging es später nicht besser, denn die Firma konnte sich selbst schon bald nicht mehr helfen. «(…) 1953 führte die Zahlungsunfähigkeit zu einem Teilverkauf des Unternehmens. Bis zur Übernahme durch die Modern Tool and Die Company (MTD) im Jahr 1996 stellte Gutbrod überwiegend motorbetriebene Rasenmäher und Kleintraktoren her. Das Werk in Bübingen wurde 1996 zum Hauptsitz und Europa-Zentrale der MTD Products AG. Heute werden Hand- und Aufsitzmäher, Vertikutierer und Motorhacken unter dem Namen Gutbrod angeboten (aus: Wikipedia (MediaWiki:Copyright).
Wally wurde im Mai 2016 achtzig jährig, hier in bester Laune. Ihr Markenzeichen, wie ich mich erinnere! Leider musste Wally ihren Lothar 1994 für immer ziehen lassen. Sie konnte sich noch ein paar Jährchen an vier Enkel- und an zwei Urenkelkindern erfreuen, bis sie infolge einer unheilbaren Krankheit das Irdische verlasssen musste.
Ohne Ihr Dazutun wäre dieser Bericht kaum zustande gekommen! Ihr verdanke ich die meisten Bilder von Lothar und weitere Informationen. Rechts im Bild Walter, Lothars Bruder. Walter, ebenfalls gelernter Handwerker (Mechaniker). Mittels Abendschule und den Besuch eines Technikums kam er zu einer weltbekannten Firma. Der heute Achtundsiebzig-jährige diente seinem Brotgeber treu bis er in Rente ging! 1965 waren es 1300 Mitarbeiter, in der Glanzzeit um die 7000 und jetzt ist der Stand bei 5400, weiter abnehmend! Waren die Tätigkeiten früher einmal attraktiv, interessant und gut bezahlt, herrschen heute andere Zustände (schlechtere Arbeitsbedingungen). Das Outsourcing in Tieflohngebiete macht sich bemerkbar.
Wir erkennen einen Gegensatz der Gebrüder Gehring: Der eine ein „Berufsnomade“, der andere ein Sesshafter.
Leider fanden wir das SGN-Lied nicht! In etwa lautete es:
Am Sonntag Morgen auf dem Startplatz... Wenn der Biswind vom Bürgenstock her weht.... Stehen sie da in Reih und Glied... Das Baby, das S-18 und der Spyr...
Und dann kam alles wieder hervor: Eine kleine Geschichte:
Es war Spätherbst. Vier Segelflieger aus der Innerschweiz reisten bei Nacht und bei Nebel ins Saarland, um ihren „Kumpel“ Lothar und seine Gattin Wally zu besuchen. Wir hatten es versprochen! Abfahrt am Freitag, nach Feierabend. Rückfahrt am Sonntag und zwar so, dass wir am Montag Punkt 07.00 Uhr in der Bude waren! Die Hinfahrt dauerte ca. fünf Stunden. Das Auto: Ein VW-Käfer, NW 765, gemietet vom „Zilleri Weysel“, einem selbständigen Fahrlehrer, bei dem Edi Korner und ich in der Freizeit die Autos warteten und reparierten (Beschaffung von Sackgeld). Am Zoll in Basel mussten wir den Benzinkanister stehen lassen. Also füllten wir in den Tank was Platz hatte und fuhren ohne billigeres Benzin in der Reserve weiter. Wegen des Nebels war Edi dazu verdammt, stets der Linie nach zu fahren. Irgend wo, in Sarreguemines glaube ich, rumpelte es plötzlich und einen Moment hatten wir nichts unter den Rädern. Edi landete mit angezogenen Bremsen. Dann war es einen Moment lang still. Wir stiegen aus um zu sehen, wo wir waren. Wir befanden uns auf einer Baustelle und etwa 10 Meter von uns entfernt stand ein grosser Bagger. Die Schaufel hätte uns direkt aufgenommen! Glück gehabt! Der Rest der Reise verlief ereignislos. Wir wurden freundlich empfangen, wurden reichlich verpflegt und dann bezogen wir „Quartier“. Nach einem Schlummertrunk gings dann ab in die „Pfanne“!
Wir erlebten nicht nur einen Freundschaftsbesuch sondern auch, wie die Saarländer mit einfachsten Mitteln Feste zu feiern verstanden. In der Grümpelkiste habe ich „Reliquien“ gefunden! Am nächsten Tag besuchte wir den Flughafen Ensheim.
Einen grossen Hangar hatten sie bereits! Wir wären fast neidisch geworden! Nicht nur wegen des Hangars, sondern wegen des fast unerschöpflichen Platzes! Saarbrücken Ensheim hat sich inzwischen entwickelt. Gegen eine halbe Million Fluggäste werden pro Jahr abgewickelt.
Wie könnte es anders sein: Lothar führte uns auf «seinen» Flughafen. Und wir bestaunten die Weiten und der verfügbare Platz. Bild links Herbie Odermatt, Edi Korner, Lothar Gehring, Edi LIscher, im Bild rechsts links: Hugo Zangger – Bilder: odh
Und wir sahen auch eine Neuheit: Eine «Marquis», das erste Reiseflugzeug, zweimotorig mit Astazou-Propellerturbinen! Edi Lischer wusste bereits mehr, waren doch solche Triebwerke eine Option für den Pilatus Porter…
Gegen Abend trafen wir in Saarbrücken ein, wo uns Lothar durch die Stadt führte. Ich erinnere mich noch an eine alte Brücke, ein Stahlbau. Die Brücke wurde während des Krieges beschädigt und sie neigte zu Eigenschwingungen. Fussgänger wurden angewiesen, keine Resonanz aufkommen zu lassen. Später trafen wir uns dann in einem Restaurant, wo eine richtige Fete stieg. Der Wirt machte pro Bier einen Strich auf den Bierdeckel, waren es fünf gab es Gartentürchen, wie beim Jassen. Bezahlt wurde am Schluss. Edi kam auf die glorreiche Idee, dazwischen mal einen Wein zu trinken. Ein Mascara aus Algerien schien richtig zu sein – gut und günstig. Ich glaube, am Schluss war es nur noch «und»! Die Vermischung mit Becker’s Bier zeigte seine Wirkung erst später! Da ja noch mit den Autos zu fahren war, wurde die Fete nach Haus verlegt. Man kann nicht nur im Restaurant feiern…
Edi ging schliesslich auf Erkundung und landete in Ingrids Zimmer, wo er deren Bibliothek inspizierte… Um Ungemach aus der Welt zu schaffen, lockte uns Wally in unser Kabäuschen – und schloss die Tür ab! Was nun? Edi war mutig und kletterte aus dem Fenster, liess sich am Sims hängen und liess los. Das Gartenbeet nahm ihn weich auf…
Dann liessen wir uns etwas einfallen! Wally konnte ihre Überraschung nicht verbergen! Immerhin waren wir im oberen Geschoss einquartiert! Aber danach war Schluss!
Das Fest hatte es in sich und am Sonntag litten wir alle an einem gewaltigen Kater. Wir waren bei Lothars Mutter zum Mittagessen eingeladen. Sie hatte sich grosse Mühe gegeben und uns ein herrliches Mahl vorgesetzt. Wir dankten es ihr mit zu geringem Appetit!
Weil wieder mit Nebel zu rechnen war, fuhren wir frühzeitig ab. Die Rückreise erfolgte ereignislos. Nach dieser Reise sahen wir die Gehrings nicht mehr!
Eine kleine, scheinbar unbedeutende Episode hat sich eingeritzt. Es sind die Erinnerungen an einen unvergesslichen Freund! Eine Erkenntnis macht sich breit: Ob Segelflieger oder ob Pfadfinder: Wer seine Freizeit sinnvoll gestaltet gewinnt Freunde und vernetzt sich gut. Dies kann später im Beruf wertvolle Dienste leisten. Die Beziehungen zur Fliegerei ebneten mir berufliche Wege!
Mein Interesse an der Fliegerei begann schon früh im Kindesalter. Später baute ich Flugmodelle. Dann brachte mich die Berufswahl zu Pilatus und gleichzeitig stiess ich zu der SG Nidwalden wo ich später auch Fluglehrer wurde.
Nach bald 60 Jahren aber war es Zeit, Lothar, unseren Freund zu würdigen und mit ihm Wally und Walter, die beide kräftig mitgefeiert hatten! Es bleiben Erinnerungen an einen grossartigen Menschen!