Ruedi Sägesser (Sägi) 1914 -2006

(aus Albatros-INFO März 2007 und meinen Ergänzungen)

"Sägi" auf Zögling, Bild aus: WLM Modellbau: "Sägi"
«Sägi» auf Zögling, Bild aus: WLM Modellbau: «Sägi»

Es ist mir nicht leicht gefallen einen Fliegerkameraden zu finden, welcher Ruedi persönlich so gut gekannt hat, um einen Nachruf zu verfassen. Von allen Angefragten habe ich leider Absagen erhalten. Ich selber habe Ruedi zu wenig lange gekannt um diese Aufgabe oder Ehre zu übernehmen.

Willi Schwarzenbach hat Ruedi im VGC-News gewürdigt. Darauf habe ich mit Willi Kontakt aufgenommen und angefragt, ob ich Ruedis Nachruf für unser Info in Deutsch veröffentlichen dürfe. Da mein Englisch nicht ausreicht um alles zu übersetzen, hat ihn Willi für mich gleich noch ins Deutsche übersetzt. Vielen Dank Willi!

Wir denken gerne an die Zeiten zurück, wo er an den Treffen und Anlässen der «Albatrössler» dabei war. An seine Erzählungen aus den Anfängen des Segelflugs, an die Film-Vorführungen in Thörigen, an seine Werkstatt, an…, an … , einfach an einen lieben Kameraden, welcher leider nicht mehr unter uns ist¨!  Peter Ziegler

"Sägi" Rudolf Sägesser-1914-2006-Bild-IG-Albatros
«Sägi» Rudolf Sägesser,1914-2006; Bild: IG-Albatros

«Ruedi ist am 8. März 2006 in der Pflegeabteilung des Spitals Langenthal von seinen Altersbeschwerden erlöst worden und hat uns friedlich verlassen, wenige Tage vor seinem 94. Geburtstag. Bis in die letzten Wochen seines Lebens war sein Geist erstaunlich rege, er konnte sich noch gut unterhalten mit Besuchern und Freunden, er freute sich und wusste vieles aus früheren Zeiten zu erzählen.

Sägi war eine legendäre Figur in unserem Segelflug und ein Teil der schweizerischen Segelfluggeschichte, die er während fast 60 Jahren mit Begeisterung lebte und prägte. Schon während seiner Schulzeit war er ein geschickter Flugmodellbauer mit neuen und originellen Ideen.

1930 stieg er ein in die faszinierende «Welt der Flugzeugbauer». Bei den Gebr. Karpf in Zürich, begann er als erster Lehrling der gerade geschaffenen Berufsgattung «Flugzeugschreiner» seine Karriere. Ein Beruf der damals von manchen als «zukunftslos» abgetan wurde. Das 4-Mann-Unternehmen Karpf stellte, neben einigen Booten, den «Stamer-Lippisch» Zögling, bekannt als «Karpf-Zögling» und später auch das Karpf-Baby, eine etwas verbesserte Konstruktion des «Grunau-Baby II» her. Des Weiteren wurden Reparaturen und auch Arbeiten an Motorflugzeugen durchgeführt. Doch die Lehrzeit verlief nicht nach Programm, ein Brand zerstörte die Werkstatt. Sägi wurde für einige Zeit in die «Flugzeugwerke A. Comte» in Horgen/Oberrieden versetzt. Er hatte dabei Gelegenheit an den Holz-Flügeln der AC-Motorflugzeuge und auch am Prototyp des AC-3, eines zweimotorigen Bombers für die bolivianische Armee zu arbeiten.

AC 3

AC 3, (1929/30) Transporter und Bomber, 1 Expl. gebaut, war für den Export nach Bolivien vorgesehen; das Flugzeug wurde nicht ausgeliefert. Quelle: http://www.swissair00.ch/compte-alfred-.html – (odh)

Doch sobald der Karpf-Betrieb, diesmal in einem anderen Lokal wieder anlief, musste er zu seinem grossen Bedauern, wieder dorthin zurück. Im Oktober 1933 hatte er sich in Dübendorf zur Lehrabschlussprüfung zu stellen. Diese gelang ihm ausgezeichnet und der Lehrbrief wurde ihm durch den Experten J. Spalinger, dem erfolgreichen Segelflugzeug-Konstrukteur, überreicht.

Als gelernter Berufsmann trat er nun in die Firma A. Comte ein und fand dort ein interessantes Arbeitsfeld. Er blieb dort bis dieses Flugzeugwerk infolge wirtschaftlicher Probleme geschlossen werden musste. Sägi, damals gerade 20-jährig, war nicht nur ein qualifizierter Berufsmann, er hatte sich als innovativer Flugzeugbauer schon einen Namen geschaffen, hatte er doch schon während seiner Freizeit zum grossen Teil allein einen Hängegleiter «HAFA 9» gebaut und war damit geflogen – – und einen «Zögling» – – und dann, 1933/34 zusammen mit Walter Studer und mit Unterstützung (Berechnung) von W. Pfenninger das leichte Segelflugzeug «WS 1 Lilli» gebaut und erfolgreich geflogen.

Sägis WS 1 "Lilli"
Sägis WS 1, «Lilli»

Er entschied sich, von nun an auf eigene Rechnung zu arbeiten. Trotz den schwierigen Vorkriegsjahren und der wirtschaftlichen Depression gelang es ihm, in Gümligen bei Bern eine Serie von 10 «Grunau-Baby II», im Auftrag des AeCS zu bauen. Später folgten 3 «Hütter 17» für Westschweizer Segelfluggruppen, eine «Weihe», ein «S 18» und einige andere Flugzeuge. Hie und da wurde er von Amateuren zu Hilfe gerufen um angefangene Flugzeuge fertig zu stellen, darunter einen «Rhönadler», einen «Bussard» und «Grunau-Baby». Eine grosse Arbeit (1937) war die Reparatur eines schwer beschädigten, doch billig erstandenen «Condor 1» für sich selbst. In derselben Zeit erstellte er auch Pfenningers revolutionäre leichte «Elfe P 1», 9m Spannweite, 43 kg Leergewicht, die er auch selbst flog. Siehe mehr unter: Pfenninger- und Markwalder-Elfen

Elfe P1, auf dem Bild (vom 13.03.2000 © Herbert Röthlisberger) von links nach rechts: Frau Gysi, Karl Gysi, Rudolf Sägesser der Erbauer, Hans Gysi
Elfe P1, auf dem Bild (vom 13.03.2000 © Herbert Röthlisberger) von links nach rechts: Frau Gysi, Karl Gysi, Rudolf Sägesser der Erbauer, Hans Gysi  – (odh)
«(…) Wurde der Erbauer Rudolf Sägesser gefragt, warum diese Ur-Elfe nur 43 kg wäge, sagte er lächelnd «weil das Geld für teures Material fehlte «.)»
"Sägi" am Hochalpinen Segelfluglager-in-Flims-vom-30.-Mai-bis-2.-Juni-1941(Pfeil)
«Sägi» am Hochalpinen Segelfluglager in Flims vom 30 -Mai bis 2. Juni 1941(Pfeil) unter berühmten Grössen. von links: E. Spahni, ?, W. Baur, M. Schachenmann, E. Aeberli, W. Baldi, M. Godninat, P. Schmid,  E. Scheidegger, E. Schaffroth, G. de Chambrier, N.Ris, F. Schmid, H. Kuhn, A. Föllmi, R. Sägesser, St. Jösler, H. Katz, M. A. Steiner –  Foto: Tilgenkamp III (odh)

Während seiner militärischer Aktivdienstzeit 1942/43 gelang es ihm einen Doppelsitzer «S 21» zu bauen mit dem er später oft in der Luft war.

Doppelsitzer Spalinger S 21 HB-367 "Min Tau" vor dem Erstflug
Doppelsitzer Spalinger S 21 HB-367 «Min Tau» vor dem Erstflug – Bild: IG Albatros

Gelegentlich, wenn keine Aufträge einliefen, arbeitete er im Reparaturbetrieb der «Alpar» auf dem Belpmoos und amtete dort auch als Fluglehrer. 1943 begann der wohl interessanteste Abschnitt seiner beruflichen Aktivität. Er wechselte zum neu gegründeten «Flugzeugbau» der Gebrüder Isler in Wildegg, welcher unter seiner Leitung als fortschrittliches Unternehmen dieser Branche gewertet wurde. Prunkstücke aus dieser Werkstatt waren wohl die Schalenbau-Flügel der 14m «WLM 1», (1947), der 16m «WLM 2» 1954 und die baulich sehr anspruchsvolle «Elfe PM3».

Bezüglich WLM 1 siehe unter: SAGA Swiss Gliding Aerobatic Acossiation WLM 1

Zum Thema Elfen/ R. Sägesser/Laminarprofile lese man im Oltener «rhönstei» mehr!

KORRIGENDA (dr rhönstei Nr. 3/2004):
Hans Gysi und Lilly Grundbacher haben mich auf folgende vier Fehler im dr rhönsteiNr. 2/2004 aufmerksam gemacht:
1) Die Elfe M wurde 1975 (und nicht 1961) von einem Motorflugzeug beschädigt.
2) Bei dem 1973 im Baulokal verbrannten Elfe-Rohbau handelt es sich vermutlich nichtum eine PM-2 (wie bisher angenommen), sondern um eine PM-3. Ob dafür die Immatrikulation HB-533 reserviert war, kann zur Zeit nicht bewiesen werden.
3) Das Gerücht, wonach Max Schachenmann für die Elfe PM3, HB-526,  Fr. 100’000 bezahlt haben soll, muss insofern hinterfragt werden, als sich der Erbauer Ruedi Sägesser daran erinnert, für das Material und die Arbeit nur rund Fr. 20’000 erhalten zu haben.
 Ruedi Sägesser, Rene Comte im Cockpit der Elfe PM 3 und Graham McLean
Ruedi Sägesser, Rene Comte im Cockpit der Elfe PM 3 und Graham McLean (odh)

Sägi verheiratete sich 1944 mit Hilde. Leider verstarben ihre beiden Söhne im besten Alter an Krankheit.

Hilda und Ruedi Sägesser auf dem Flugfeld Luzern-Beromünster Die WLM-2 HB-562 wurde in Thörigen revidiert Bild IG Albatros
Hilda und Ruedi Sägesser auf dem Flugfeld Luzern-Beromünster
Die WLM-2, HB -562 wurde in Thörigen revidiert- Bild IG Albatros

1953 übernahm Sägi das Werkstattinventar der Firma Isler und zog dann 1955 nach Herzogenbuchsee in eine gemietete Werkstatt; später konnte er eine Liegenschaft mit geeignetem Werkraum in Thörigen erwerben. Er beschäftigte sich vorab mit Revisionen und Reparaturen an Segel- und auch Motorflugzeugen. Seine Frau Hilde half oft tatkräftig mit und hatte besonderes Geschick wenn es um das Eintuchen von Flügeln und Rümpfen ging.

Die Minimoa HB-282 wird in Ruedi Sägessers Werkstatt in Thörigen totalrevidiert (1984) Bild IG Albatros
Die Minimoa HB-282 wird in Ruedi Sägessers Werkstatt in Thörigen totalrevidiert (1984) Bild: IG Albatros

Nach dem Tod von Hilde zog sich Ruedi progressiv von der harten Arbeit zurück, er stellte aber zeitweise die Werkstatt für Winterarbeiten oder Überholungen an Segelflugzeugen seinen Freunden zur Verfügung.

Er fand dafür wieder Zeit für seine grosse Bahn-Modellanlage und auch für den perfekten Bau von Scale-Flugzeugmodellen. Ruedi lud aber auch Schulklassen ein und unterrichtete über den Segelflug, den Flugzeugbau und zeigte gerne in seinem Hinterraum-Kino Filme aus der Fliegerei, zum Teil sogar ab einem 72mm –Projektor den sein Sohn Kurt seinerzeit installiert hatte.
Sägi war auch immer dabei, wenn es etwas zu sehen gab, sei es bei den «Oldtimern» hier oder sogar beim Int. Vintage Glider Club. So war er zum letzten Mal mit René Comte am VGC Rally 2000 in Tibenham (GB) um seine, in den USA durch einen Engländer hervorragend restaurierte «Superelfe» im Flugbetrieb zu sehen.
Ruedi Sägesser war eine Persönlichkeit und ein Freund den wir nicht vergessen werden.

Sägi So wie er es gewünscht hatte, zerstreute der Biswind am Belpberg seine Asche, da wo er vor 60 Jahren stundenlang gesegelt hatte. Bild IG Albatros
Sägi So wie er es gewünscht hatte, zerstreute der Biswind am Belpberg seine Asche, da wo er vor 60 Jahren stundenlang gesegelt hatte. Bild: IG Albatros

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Weitere interessante Hinweise zu «Sägi» findet man unter WLM-Modellbau: Ruedi Sägesser7 Seiten!

Sägi, wer kannte ihn nicht!? Er hat für die SG Nidwalden einmal den Spyr Va, HB -509 innert Kürze repariert, als nach einem missglückten Windenstart mit einem «Cheval de bois» der Rumpf entzwei gebrochen ist.

Es geschah am 23. April 1966: Klaus Hauck(+) kam mit einem Passagier auf den Platz. Der Start an der Winde missriet völlig. Der Pilot zog derart stark am Höhensteuer, dass der Spyr die Strömung am Flügel abreissen liess.

Spyr Bruch K. Hauck 1966, 23. April 1966, Bild H.Odermatt/SGN
Spyr Bruch K. Hauck 1966, 23. April 1966, Bilder: H.Odermatt/SGN

Zwar klinkte Klaus noch, doch das Flugzeug drehte um sich selbst, berührte mit einem Flügel den Boden zuerst, drehte um sich weiter und schepperte schliesslich seitwärts uns Gras. Der Aufprall erfolgte in schier wagrechter Lage seitwärts. Kufe und Hecksporn griffen gemeinsam. Dann ein Knall und es herrschte Spyr geteilt durch zwei!

Verrwirrung, Ratlosigkeit, der Spyr, schon wieder!
Verrwirrung, Ratlosigkeit, der Spyr, schon wieder!
Es war schnell klar, was zu geschehen war. Eine Reparatur auswärts!
Es war schnell klar, was zu geschehen war. Eine Reparatur auswärts!

Es erfolgte noch gleichen Tags die Fahrt zu «Sägi». Dieser nahm die Arbeit am Folgetag auf. Der Spyr kam innert kürzester Frist zurück. 1600 Franken kostete der «Spass»! Sägi meinte, es sei ein «schöner» Bruch gewesen. Die zwei Hälften seinen so schön getrennt gewesen, dass er sie lediglich zusammenstossen  und ins Lot bringen musste. Dann alte Beplankung runter, Stringer anschäften, neue Beplankung drauf, fertig!

"... und der Leichnam Jesu wurde fort getragen...!"
«… und der Leichnam Jesu wurde fort getragen…!»

Ein Rüge erteilte er uns noch: Es sei ein Fehler gewesen, dass für den Abtransport die Steuerseile durch geschnitten wurden. Diese neu einzuziehen seien doch noch aufwändig gewesen. Wir meinten, dass wir auf der Piste nicht lange «herumgänggelen» wollten…! Ausserdem war der Ersatz der Seile eh an der Zeit gewesen!

Davor reparierte er den Moswey IIa HB – 309, als dessen Rumpf auch bei einer Aussenlandung in drei Teile gezerrt wurde.  Moswey geteilt durch drei = 103 ( HB 309; => 309 : 3 = 103  😉  ) Dem gleichen «Mösel»  reparierte er einen gestauchten Kiel und da baute er gleichzeitig die Hochstartklinke anstelle der versetzten Bugklinke ein. Die Skizzen für die Position und die Halterung zwischen den Spanten erstellte ich selbst. August Hug liess mich auch rechnen und überprüfte das Ergebis, welches er so annahm! Also, etwas gelernt im Thema Festigkeitslehre!

«Gupfera» stellte auf einem Flug mit dem S-22, HB-276, «Hero» fest, dass sich  im Geradeausflug bei Betätigung des Seitenruders nur der Rumpf aus der Achse bewegte… (Die  «Fräserei» hinter dem Bürgenstock durch J. H. hiunterliess seine Spuren!). Eine Kontrolle nach dem Flug ergab, dass der Hauptspant lose in der Beplankung lag! Toni Loppacher besuchte zur gleichen Zeit den Bauleiterkurs, durchgeführt durch das L+A (Luftamt). Es ging alles zu theoretisch zu, weil man kein Übungsobjekt hatte. Toni schaltete schnell. Die Reparatur war für die Teilnehmer ein Lehrstück. «Sägi» und «Pole Berner» (Paul Berner) waren die Haupt-Referenten. Die SG Nidwalden bekam zum Materialwert eine wertvolle Reparatur!

Und als  «Gupfera» mit der Mucha ST, HB-635 ein Männchen versuchte, ging das Seitenruder aus den Verankerungen. Warum er auf diese Schnapsidee kam, konnte er nicht sagen. Wir hätten die Antwort parat gehabt es war eine Dulcinea im Spiel gewesen… Sägi hatte ein Ersatzruder und schon tags darauf, konnte wieder geflogen werden. In der Zwischenzeit reparierte ich das Seitenruder um die Leihware sobald als möglich zurück geben zu können. Die gleiche Mucha wurde bei einem Seilriss beim Windenstart stark beschädigt. Der Pilot «Moritz» reagierte zu spät… Sein Rücken riet ihm danach, schnell zu handeln und sanft zu landen! Sägi machte mir einen Kostenvoranschlag für die Reparatur. Danach kaufte ich den Bruch als «Konstruktiven Totalschaden» von der Versicherung ab und baute den Flieger wieder auf. Der Pilot hatte Glück. Er brauchte lediglich den Selbstbehalt zu bezahlen. Ich hatte eine Kaskoversicherung abgeschlossen, weil die Mucha für die Akroschulung eingesetzt wurde.

Sägis Frau hätte die Reparatur lieber in Ihrer Werkstatt ausgeführt! Da eine Versicherung zahlte, wäre as Geld sicher gewesen. Doch Sägi hatte ein Herz für mein Anliegen. Er gab mir sogar noch die Zeichnungen und die Stücklisten zur Mucha SZD-22!

Der erfahrene und geborene Flugzeugbauer war ein begehrter Fachmann. Brauchte man einen Rat: Sägi war immer bereit, hilfreich Auskunft zu erteilen. ich glaube, Sägi konnte ein Holzflugzeug auswendig bauen – gelebtes Workmanship (wissen, wie man «es» macht»!).

 


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