Kategorie-Archiv: 48 Überfall in Nidwalden 1798

05 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


Zweites Kapitel
Religiöse Bedenklichkeiten

Erster Titel

… Nr. 5. „Die natürliche Freiheit des Menschen ist unveräusserlich. Sie ist nur durch die Freiheit eines anderen eingeschränkt, und durch gesetzmässig erwiesene Absichten eines allgemeinen notwendigen Vorteils.“

…Nr. 6. „ Die Gewissensfreiheit ist uneingeschränkt. Jedoch soll die die öffentliche Äusserung der Religionsmeinungen den Gesinnungen der Eintracht und des Friedens untergeordnet sein. Alle Gottesdienste sind erlaubt, wenn sie die öffentliche Ordnung nicht stören, und keine Oberherrschaft noch Vorrang behaupten wollen. Die Polizei hat ein wachsames Auge auf selben hat das Recht, sich über ihre Lehrsätze und über ihre Pflichten, zu welchen sie anhalten, zu erkundigen. Die Verhältnisse einer Sekte mit einer fremden Obrigkeit sollen weder auf die Staats Sachen, noch auf den Wohlstand und die Aufklärung des Volkes einen Einfluss haben.“

…Nr. 7. „ Die Pressefreiheit rührt von dem Rechte her das Jeder hat, Unterricht zu erhalten“ usw.

Dritter Titel

…Nr. 24. „Ein jeder Bürger, wenn er vollkommen zwanzig Jahre alt ist, muss sich in das Bürgerregister seines Kantons einschreiben lassen, und den Eid ablegen: „“ seinem Vaterlande zu dienen und der Sache der Freiheit und Gleichheit als ein guter und getreuer Diener mit aller Pünktlichkeit und allem Eifer, so er vermag, und mit einem gerechten Hass gegen Anarchie oder Ausgelassenheit anzuhangen““ usw.

Bemerkung: Weitere, die Religion betreffende Artikel, werden später erwähnt.

Suche nach der Vernunft:

Es hiess: „Die sittlichen Grundsätze dieser helvetischen Konstitution von 1798 sind im Grunde, in Sinn und Form und in ihrer Wesenheit die gleichen, wie jene der französichen vom Jahre 1791 usw. Und eben so gleich sind auch die beiden Bürgereide.“

Nun sind aber die sittlichen Grundsätze der französischen Verfassung mit ihrem Bürgereide vom Jahre 1792 von der katholischen Kirche verdammt und verworfen.“

Es müssen also auch die sittlichen Grundsätze des Entwurfes der Helvetie mit ihrem Eide vom Jahre 1798 verdammt und verworfen sein.“

Zwei Dinge sind es nun, die das Volk von Nidwalden für seine Rechtfertigung zu beweisen hat, nämlich:

Die Gleichheit der Grundsätze und der Bürgereide und die kirchliche Verdammung und Verwerfung derselben.

Der Versuch des Beweises der beiden Dinge:

Wesentliche Gleichheit

der sittlichen Grundsätze der helvetischen Staatsverfassung vom Jahre 1798 mit jenen der französischen Konstitution vom Jahre 1791, nebst ihren Bürgereiden.

A) Artikel der helvetischen Konstitution (H.K.) vom Jahre 1798

V. Artikel. „Die natürliche Freiheit des Menschen ist unveräusserlich. Sie hat keine anderen Grenzen, als die Freiheit eines Anderen und gesetzmässig erwiesene Absichten eines allgemeinen Vorteils.

N.B. Auch die Rüttimannische Erklärung der H.K. Ist in diesem Grundtext: nur durch das Gesetz usw. Sehr getreu und lautet: „Was das(politische) Gesetz nicht verbietet, ist Allen erlaubt. Was es aber verbietet, ist Allen verboten.“

I. Bruchstück des VI. Artikels der H:K: 1798:

Die Gewissensfreiheit ist uneingeschränkt. Jedoch soll die öffentliche Äusserung der Religionsmeinungen den Gesinnungen der Eintracht und des Friedes untergeordnet sein.

II. Bruchstück des VI. Artikels.

Die Polizei hat ein wachsames Auge auf sie (die Gottesdienste und Religionsdiener) und das Recht, sich über ihre Lehrsätze und über ihre Pflichten zu erkundigen.“

III. Bruchstück des VI. Artikels. „ Die Verhältnisse einer Sekte mit einer fremden Obrigkeit sollen weder auf die Staatssachen, noch auf den Wohlstand und die Aufklärung des Volkes einen Einfluss haben.“

N.B. Es war bloss aus Klugheit geschehen, in diesem Artikel sich nicht so weit herauszulassen, als in dem gegenüberstehenden französischen Passus. Aber dass der päpstliche Nuntius Petrus Gravina im Monat Mai 1798 innerhalb 24Stunden Luzern verlassen musste; dass die Gesetzgeber eigenmächtig in den von der Kirche gesetzten Ehehindernissen dispensierten usw. macht klar genug, wie die Worte des Artikels zu verstehen seien.

VII. Artikel der H.K. 1798 „ Die Pressefreiheit rührt von dem Rechte her, das Jeder hat, Unterricht zu erhalten.“ N.B. Wir haben aber auffallende Beispiele, dass dieses Recht nur Jenen vergönnt worden, welche wider die christliche Religion und die guten Sitten schrieben. Man konnte die begünstigten und unterdrückten Schriften und Autoren ausweisen.

III. Titel. 24. Artikel. „ Ich schwöre, dem Vaterlande zu dienen, und der Sache der Freiheit und Gleichheit, wie auch der der repräsentativen Verfassung der Einheit der helvetischen Republik als ein guter und getreuer Bürger mit aller Pünktlichkeit und allem Eifer, so ich vermag, und einem gerechten Hass gegen Anarchie und Zügellosigkeit anzuhangen.“ N.B. Wer sieht nicht, dass in diesem Eide alle bürgerlichen und sittlichen Grundsätze der ganzen helvetischen Staatsverfassung künstlich, wie einem Mittelpunkte vereiniget und aufgefasst sind, und dass Peter Ochs diesen Bürgereid von jenem in Frankreich fast von Wort zu Wort abgeschrieben hat?

B) Artikel der französischen Konstitution vom Jahre 1791.

Die Menschen werden frei und an Rechten gleich geboren, und verbleiben solche. Der zur Gesellschaft gehörige Unterschied kann sich nur in dem allgemeinen Nutzen gründen.“

Wiederum Artikel IV. „ Die Freiheit besteht darinm dass man Alles, was dem Nächsten nicht schädlich ist, tun könne. Die Ausübung der natürlichen Rechte jedes Menschen weiss um keine andere Grenzen, als jene, die den übrigen Gliedern der Gesellschaft den Genuss eben dieser Rechte zusichern. Diese können nur durch das Gesetz bestimmt werden.“

V Artikel: „Das Gesetz ist nur berechtigt, in der Gesellschaft nachteilige Handlungen zu verbieten. Was immer vom Gesetze nicht verboten wird, kann nicht gehindert werden. Und Niemand kann zu dem gezwungen werden, ws es nicht befiehlt.“

X. Artikel der französischen Konstitution vom Jahre 1791. „ Niemand soll seiner Meinung halben, auch im Fache der Religion belästigt werden, wenn nur ihre Bekanntmachung die vom Gesetze errichtete öffentliche Ordnung nicht stört.“

XV. Artikel: „Die Gesellschaft hat das Recht, von jedem öffentlichen Agenten (oder Beamten) (Hiemit auch vom geistlichen Vorsteher) seiner Verwaltung wegen Rechenschaft zu fordern.“

IV. Artikel. „Es wird jeder Kirche oder Parrei Frankreichs und jedem französischen Bürger verboten, in was für einem Falle, und aus welchem Vorwande es sein mag, die Gewalt eines Bischofs oder Erzbischofs, dessen Stuhl in der Herrschaft eibner fremden Macht errichtet ist, oder das Ansehen ihrer Abgeordneten, sie mögen in Frankreich oder anderswo ihren Sitz haben, anzuerkennen“ usw. N.B. Was für Bischöfe die Franzosen aber haben wollten, und wie lange, erhellt aus den Worten Mirabeau’s: „man muss,“ sagte er, „dem Volke einen Schatten von Religion lassen, bis man Bischöfe im Sinne der Revolution hat, und dann wird es leicht sein, die Dogmen der Religion abzuschaffen.“

XI. Artikel der franz. Konstitution von 1791. „Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Rechte des Menschen. Jeder Bürger kann demnach frei reden, schreiben, drucken. Jedoch wird er wegen des Missbrauchs dieser Freiheit in den vom Gesetze bestimmten Fällen sich zu verantworten haben.“

I. Formel des französischen Bürgereides: „Ich schwöre der Nation, dem Gesetze und dem Könige getreu zu sein, und aus allen meinen Kräften die Konstitution des Reiches aufrecht zu erhalten, die durch die konstituierende Nationalversammlung in den Jahren 1789, 1790 und 1791 dekretiert worden ist.“

II. Formel des französischen Bürgereides v. 14 Augustm. 1792. „ Ich schwöre der Nation treu zu bleiben, die Freiheit und Gleichheit zu schützen und zu verteidigen, undfür ihre Verteidigung zu sterben.“ Die späteren Eidesformeln wären überflüssig, hier folgen zu lassen.

Es gäbe noch weitere Vergleiche. In Frankreich hätten sich 132 von 136 Oberhirten und 40’000 von 42’000 Seelsorgern geweigert, die Bürgereide zu leisten. Diese wendeten sich an den Heiligen Stuhl. Dieser entschied, dass Geistliche die sich arrangierten mit Kirchenstrafen belegt werden sollen. Auch wurden diese wiederholt zum Widerruf aufgefordert.

Verdammungsurteile (die wichtigsten Auszüge)

der katholischen Kirche über die sittlichen Grundsätze der französischen Staatsverfassung von 1799, wie auch über den Bürgereid derselben

Breve vom 10. März 1791

a. Über die Grundsätze

Papst Pius VI. Schreibt am 10. März1791: „Man sieht offenbar, dass die von diesem Konvent vorgeschützte Freiheit und Gleichheit dahin ausgehe, die katholische Religion zu Grunde zu richten. Die Ordensstände hat man unterdrückt, ihre Güter an sich gerissen, damit hinfüro niemand da wäre, der die Völker von dem Irrtume und der Sittenverderbnis zurück riefe“)

*) Siehe Hulots lateinische Sammlung der Breven 2.Teil, Seite 229, Augsburg 1796.

b. Über den Bürgereid.

Die Breve vom 10. März 1791 an den König Ludwig XVI. Enthält über den Bürgereid folgende merkwürdige Stelle: „Damit es also offenbar werde, dass die Bischöfe eine gute Sache verteidigten, mussten Wir die Konstitution, wovon die Rede ist, mit fleissigster Betrachtung untersuchen, wodurch Wir gänzlich dahin gelangt sind, dass Wir es für deutliche erachten, das Brandmahl eines Irrlehrers könne von Jenem nicht vermieden werden, welcher sich immer dem Bürgereid bestricket hat, indem er dadurch solche Dinge verspricht, in denen ein Zusammenhangvon Ketzereien enthalten ist.“

Breve vom 13. April1791

a. Über die Grundsätze

Pius VI. Griff die französische Staatsverfassung scharf an. Er vertritt die Auffassung, dass sie aus einer Irrlehre stamme, ketzerisch und der katholischen Lehre zuwider wäre, gegen die alte und neue „Kirchenzucht“ sei und zum Ziel habe, die katholische Religion abzuschaffen.

b. Über den Bürgereid

Der Bürgereid wäre eines jeden Katholiken ganz und gar unwürdig, weil dieser aus einer „gifttigen Quelle stamme und als Ursprung aller Irrtümer zu bezeichnen sei

Breve vom 10. Mai 1791

Pius VI warnte alle Christgläubigen vor der „gelegten Schlinge“und weist darauf hin, dass die Katholische Kirche gestürzt werden soll.

Pius VI fügte in seinem Antwortschreiben vom 28. Mai 1793 durch den Kardinal Zelada von Lukon die Warnung bei: „Die Geistlichen und Weltlichen, welche den Eid geleistet haben,sollen gewarnt werden, dass sie ihrem Gewissen genüge tun, weil es nicht erlaubt ist, im Zweifel zu schwören.“

Die Kirchenoberen setzten alles daran, dem Volk klar zu machen, dass alles was aus Frankreich komme des Teufels sei.

In einem Sendschreiben vom 5. Weinm. 1793

erklärte Pius VI: „Diejenigen, welche den Eid der Freiheit und Gleichheit nach der Vorschrift der im Monat Hornung 1793 kundgemachten Proklamation leisteten, worin ausdrücklich die Beobachtung der Dekrete des Nationalkonventes gefordert wird, haben sich im geistlichen Recht wider die Begünstiger und Anhänger der Ketzerei und Kirchenspaltung festgesetzten Strafe schuldig gemacht. Deshalb müssen sie auch die in unserer Breve vom 19. März 1792 vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, wenn sie die Lossprechung erhalten wollen, weil jene Dekrete durch unsere Breve vom 13. April 1791 teils als ketzerisch, teils als schismatisch erkannt worden sind.

Pius VI vom 19. April 1792: „ Das Urteil des apostolischen Stuhls wider die französichen Konstitution sei nicht nur in Frankreich, sondern in allen Herrschaften der katholischen Fürsten bekannt gemacht worden.“

Meine Einschätzung: Die Nidwaldner wurden von den Klerikern mit Verweis auf die religiösen Gepflogenheiten sorgfältig manipuliert und für ihre Ziele missbraucht. Aus dieser Sicht scheint mir das Werk von Pfarrhelfer Franz Joseph Gut ein Versuch, mit allen möglichen Begründungen die Geistlichkeit aus der Verantwortung zu ziehen!

Die schlechten Früchte der Konstitution zeugten wider sie

Nicht nur um die Freiheit, sondern um die Religion zu kommen sei die Furcht gewesen, so der Autor. Katholische Geistliche, die sich aus Frankreich in die Schweiz abgesetzt hatten, waren geeignet, die ansässigen Kleriker in ihren Absichten zu unterstützen und die Angst zu schüren. Geschichten über Geschehnisse in Frankreich hatten ihre Wirkung. Vom kommenden Heidentum, der Abschaffung der Religion, ermordeten Priestern, aufgehobenen Klöstern mit Beschlagnahme deren Besitzes usw. war die Rede. Franzosen wurden Gotteslästerern gleich gestellt. Die Kleriker wussten ihre Gründe für die religiösen Bedenklichkeiten vorzubringen.

Auch andere Kantone trugen religiösen Bedenklichkeiten

Es ist dem Autor gelungen, Bedenklichkeiten religiöser Art nicht nur in anderen Kantonen, selbst beim protestantischen Kirchenrat in Bern, sondern auch im Ausland aufzufinden. So z. B. Christian Daniel Voss, Prof. in Halle, in seiner Schweizergeschichte von 1805

«(…) Auch Besorgnisse betreffend Religion kamen zur Sprache, alle Priester, alle wichtigen Teilnehmer und Freunde, der einen wie der anderen Partei besorgten, dass wie alle alten politischen und bürgerlichen Verhältnisse aufgelöst und unter einander geworfen würden, dieses auch mit den religiösen und kirchlichen der Fall sein, und dass man hier dasselbe prinzi der Gleichheit oder Gemeinschaft zur Ausübung bringen würde, was man dort so eifrig exekutieerte. Die Aufhebung der Klöster und die Einziehung der geistlichen Güter musste als Folge von der Einführung der Konstitution befürchtet werden, die auf französischen Grundsätzen errichtet war (S.38)

Neue Bedenklichkeit

Was die Nidwaldner und ihre Seelsorger, wahrscheinlich eher mehr die Seelsorger, betreffend der Ochs’schen Konstitution verunsicherte war der Umstand, dass diese ohne Abänderung nach «Geist und Buchstabe» angenommen werden musste.

«(…) Das französische Direktorium schrieb am 28. April 1798 an die neue helvetische Regierung in Aarau: «Das Vollziehungsdirektorium hofft, Peter ochs, der Autor der helvetischen Konstitution werde fortfahren alle Kräfte dahin anzuwenden, seinem vortrefflichen Werke auch in der Schweiz Substistenz zu verschaffen, und vorzüglich aller Abänderungen desselben kraftvoll zu widerstehen. Denn es ist deutlich, und offenbar, dass jede Abänderung des in seiner Konstitution ausgedrückten und festgesetzten Sinnes, und der Zeit, von Niemand anders als von Feinden der helvetischen Republik herrühre,…

Wüste Geschichten aus Frankreich waren geeignet, die Stimmung zu beeinflussen. Die Ermordung der Schweizergarde in Paris, Zerstörung von Tron und Altären usw. schürten die Angst vor dem Feind.

In Nidwalden wie in den anderen Lankantonen wie Uri, Schwyz, Obwalden, Glarus und Appenzell, waren es ein paar alteingesessene Familien, welche das politische Geschehen bestimmten. Die Landsgemeinde hatte eher formellen Charakter. Es wurde die Regierung gewählt und es wurde über wichtige Angelegenheiten abgestimmt. Da wo die weltliche Macht aufhörte, griff der Klerus ein. Die Landleute, welche in Familien eingebettet waren, mussten spuren. Das bedeutete auch, den «Kopf tief halten». Das Agrarland brachte kaum genügend Lebensgrundlage hervor. Wer nicht spurte, wurde verdrängt. Der Umgang miteinander war vermutlich unzimperlich und direkt. Nicht umsonst zog es junge Leute zum Reislauf. Andere wanderten aus.

Fortsetzung folgt


04 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


«(…) Bedenklichkeiten infolge Zufriedenheit mit der alten Verfassung

Eine andere Schwierigkeit, das Volk von Nidwalden, wie jenes der übrigen Urkantone für diese entworfene Konstitution zu gewinnen, war die Zufriedenheit desselben mit seiner alten Verfassung. Nidwalden glaubte mit Recht, es wäre schon das freie Volk in Europa. Die freien Männer des Landes bildeten den Gesetzgeber. Jeder rechtliche Landmann konnte zu Ämtern wählen und gewählt werden. Die Gesetze waren nach den Bedürfnissen des heimatlichen Bodens abgefasst; die Gerichte geeignet, rasch und wohlfeil zu sprechen. Weise Rahtsbehörden leiteten die Staatsgeschäfte. Über Rechtspflege hatte weder der Fremdling noch der Einheimische zu klagen. Für Beide war das gleiche Recht. Von Staatsabgaben wussten die Einwohner nichts. Das Zeughaus und das Kriegswesen waren nach Kräften gut bestellt. Die Landsleute , an ihre Gesetze, Formen und Gebräuche gewöhnt, lebten im Hirtenleben ruhig dahin. Der Nidwaldner, vergnügt in glücklicher Vergessenheit vor der grossen Welt, im friedlichen und stillen Schosse seiner Familie, seiner Freunde und Verwandten, dachte kaum ausser seine Grenzen hinaus, und es gelüstete ihn nicht nach dem weichlichen Leben der Städte. Wie nun Einer unwillig wird, der sein gewohntes Kleid ausziehen und gegen ein fremdes und ungewohntes tauschen soll, eben so unwillig war das Volk von Nidwalden, als es nur ahnte, eine ganz verschiedene und fremde Staatsverfassung sich anpassen zu sollen.
Das Bild des friedlichen, in Harmonie und «in glücklicher Vergessenheit», ruhig dahin lebenden Nidwaldner Hirten ist wohl zu blumig beschrieben. Nidwalden war ein Agrarland, das seine Bevölkerung schon im späten Mittelalter nicht zu ernähren vermochte. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand die ansässige Bevölkerung zu 95% aus Landleuten. Und die meisten (etwa 85%), lebten in den Gemeinden, wo sie ihr Bürgerrecht hatten. Die meisten hatten ein Mitspracherecht an Landsgemeinde und Uerteversammlungen wie kaum anderswo. Viele suchten ihr Glück im Reislauf, in fremden Kriegsdiensten

«(…) Bedenklichkeit der grossen Opfer, die gefordert wurden

Die Opfer, welche diese helvetische Konstitution forderte, schienen dem Volke grösser als die Vortheile, die sie ihm zu wählen versprach. Hart musste es den freien Ländler ankommen, seine gesetzgebende Gewalt grösstentheils fremden Händen anzuvertrauen, und von denselben Vorschriften zu erwarten, die voraussichtlich für des Volkes Charakter und des Landes Bedürfnisse nicht passend ausfallen würden. Schwer musste es einem freien Manne fallen, einheimische Richter und Gerichte und einen raschen und wohlfeilen Rechtsgang gegen ausländische Richter und Gerichte unter grösseren Kosten zu vertauschen. Das lastenledige Nidwalden konnte sich wie billig nicht so geschwind entschliessen, den Druck von Staatssteuern und Abgaben aller Art sich aufladen zu lassen, von denen man im Lande bis jetzt ganz frei war. Nur mit Missmuth sah man so vielen neuen und kostspieligen Einrichtungen entgegen., die der fragliche helvetische Staatsentwurf erheischte. Das Abändern im Militärwesen fand grosse Beschwerden. Man fürchtete, durch die Einheitsregierung in seinem Bestande und mit seinen Rechten verschlungen zu werden. Man schützte vor, wenn das eigene Schalten und Walten im Lande ein Ende bekommen sollte, so würde manchen Umständen nicht mehr Rechnung getragen werden können. Es wurde in Anregung gebracht, wäre das helvetische Bürgerrecht einmal überall festgesetzt, dann möchten reiche Ausländer das Land beziehen, und Güter und Höfe an sich bringen und für den Landmann Verdienst und Gewerbe darnieder drücken. Man stelle sich vor, wie es dem Volke wehe thun musste, mit einem Federstrich seine Landesfarbe, seine Wappen und Staatsinsignien abgeändert zu sehen. Etwas ganz Ungewöhnliches waren dem Nidwaldner die in der neuen Verfassung enthaltenen Grundsätze, Kantonseintheilungen, Behörden und Namen der Beamten. Denn das Volk hatte sich gleichsam mit seiner Muttersprache die Landessgemeinden, die Räthe, die Gerichte, die Landammänner und Rahtsherren zu nennen angewöhnt und eingeübt, und nun sollte es alles Dieses nicht nur nicht mehr haben, sondern auch nicht mehr nennen dürfen. Dieses Hirtenvolke sollte jetzt Urversammlungen, Wahlmänner, Munizipalitäten, Agenten und Präsidenten bekommen und sie geläufig zu nennen sich angewöhnen. Wie schwer musste nun alles Dieses einem freien Manne vorkommen! Musste eine solche neue Einrichtung nicht nicht gleichsam wider den Strom laufen? Bis jetzt wählten die Urkantone ihre Vorsteher und Oberhäupter , ihre Rahtsherren und Richter selbst und zufolge der neuen Verfassung sahen sie sich in den wichtigsten Wahlen beschränkt, und fürchteten daher, Vorsteher zu erhalten, die eher ihre Dränger, als ihnen gewogen sein mochten. Waren aber alle diese Besorgnisse nicht wirklich begründet genug, grosse Bedenklichkeiten gegen den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung von 1798 zu erregen? Wir dürfen so ziemlich überzeugt sein, dass gerade Jene, die jetzt dieses Volk um seiner Bedenklichkeiten willen anklagen, selbst auch das gleiche Bedenken tragen würden, wie die von ihnen Angeklagten getragen haben, sofern ein Entwurf wiederum zum Vorschein kommen sollte.

Bedenklichkeiten rücksichtlich der gewaltthätigen Einführung der Konstitution

Wirklich empörend, oder wir möchten lieber sagen, ganz widerrechtlich waren die Art und die Mittel, die am Ende dieses Entwurfes zu dessen Einführung angegeben und bestimmt werden. Die unter ihren gesetzlichen und rechtlichen Herren und Oberen stehenden Gemeinden wurden im zwölften Titel durch Belehrung angewiesen und verführt, wie sie sich ihrer Untergebenen und ihres Gehorsams losmachen und frei erklären, und die neue Verfassung in Thätigkeit setzen sollen. Hier der Nachweis:

Zwölfter Titel“

Mittel, die Konstitution in Thätigkeit zu setzen.“

Erster Artikel.“ „Wenn sich in einer Gemeinde, es sei Stadt oder Dorf, oder in einem Kanton eine gewisse Anzahl von Bürgern befindet, welche entschlossen sind, in die Ausübung der mit der Freiheit und Gleichheit verknüpften Rechte, so sie von der Natur her haben, wiederum zurückkehren wollen, sollen sie sich durch eine Bittschrift an die Obrigkeit wenden, damit ihnen erlabt werde, sich mit den Primärversammlungen zu vereinigen, um über die Annahme oder Verwerfung obiger Konstitution zu berathschlagen und ihre Wahlmänner zu ernennen.“
Wenn die Obrigkeit die Bittschrift verwirft, so geben die Anhaltenden eine zweite ein, welche soviel wie möglich mit frischen Unterschriften versehen sein soll.“

Zweiter Artikel.“ „Wenn die zweite Bittschrift neuerdings von der Obrigkeit verworfen wird, oder wenn mehr als drei Tage verlaufen, ohne dass drüber gesprochen worden, so erklären sich die darin Unterschriebenen, als wären sie in alle ursprünglichen Gleichheitsrechte von jedem gesellschaftlichen Korps wiederum eingesetzt.“

Dritter Artikel.“ „Zufolge dessen sollen sie sogleich Berufsbriefe an Gemeinden und an die schon bestehenden Sektionen der kantonsgemeinden abgehen lassen, um sich zu dem Ende, wie oben gemeldet ist, in Primärversammlungen zu bilden u.s.w..“-
Wären nun diese Grundsätze im Völkerrechte anwendbar, keine rechtliche Gesellschaft würde bestehen können. Durch diese obigen schlechten Prinzipien sind Fürsten und Könige gestürzt worden. Und vielleicht trugen diese Grundsätze nicht wenig bei, dass später die Gemeinde Hergiswil von ihrem rechtlichen Mutterlande Nidwalden sich trennte, oder dass einzelne Bewohner von Gemeinden sich unterstehen durften, im Namen ihrer Gemeinden noch vor dem 9. Herbstm. 1798 mit dem französischen General Schauenburg zu kapitulieren, wie ein Beispiel vorfiel.
Ferners versprach der Konstitutionsentwurf allen seinen Beförderern und Aufständischen wider die alte Ordnung der Dinge Vergütung alles daraus erwachsenden Schadens, *) und schloss hingegen die auf der bisherigen Ordnung Bestehenden nicht nur von allem Schadenersatze aus, sondern machte ihnen noch grosse Drohungen von Ungnade, die sie zu erwarten hätten. Diese abschreckende Gewaltthätigkeit mag man aber in der Stelle selbst betrachten, welche wir deshalb hier anführen wollen.

*) Nach dem 9. Herbstm. 1798 wurde der Staatsentwurf in Nidwalden überall genau eingesammelt, um den beschädigten Konstitutionsanhängern diesen Artikel vom Schadenersatze aus den Händen zu reissen.

Erster Titel

Hauptgrundsätze

Artikel 10. „Ein Jeder, so aus Folge gegenwärtiger Konstitution das Einkommen einer Stelle oder Pfründe verlieren würde, soll vergütungsweise eine lebenslängliche Rente erhalten, die Jahre ausgenommen, allwo ihn eine ergiebige Stelle oder Pension auf eine billige Art entschädigen würde. Es sind jedennoch von aller Entschädigung oder Vergütung ausgeschlossen Diejenigen, welche von Kundmachung des Konstitutionsplanes an gerechnet, sich der Annahme einer weisen politischen Gleichheit zwischen den Bürgern und Unterthanen, und des Systems der Einheit und der Gleichheit zwischen den Mitgliedern des allgemeinen Vaterlandes widersetzen würden. Vorbehaltlich annoch zu seiner Zeit die schärferen Mittel gegen Diejenigen zu ergreifen, deren Widerstand durch sich durch Arglist, Meineid und Boshaftigkeit ausgezeichnet hätte“.

Wie ehrlich und redlich dieser Artikel vollzogen wurde, erhellt einer aus Nidwaldens Munizipalität den 13. Jänner 1800 an den Kantonsstatthalter Vonmatt gerichtete Schrift, worin sich die beschädigten Konstitutionsmänner ausdrücken, „dass man ihnen viel versprochen, und wenig gehalten habe.“

Über alles hin verdient aber bemerkt zu werden, dass der neuen Staatsverfassung ihre Patrone selbst keine lange Dauer zutrauten, indem sie im 11. Titel, Artikel 106, schon zum Voraus Grundsätze zur Abänderung derselben festsetzten.

Der Senat“, heisst es, “schlägt diese Abänderung vor.“ „Die hierüber gemachten Vorschläge aber werden nicht eher zum Schlusse, als bis zweimal dekretiert worden, wobei zwischen dem ersten und dem zweiten Dekret ein Zeitraum von fünf Jahren vorhergehen und verstreichen muss. Seine Schlüsse müssen nachgehends von dem Rathe der Zweihundertvierzig verworfen oder genehmigt und nur im letzten Falle der Annahme oder Verwerfung der Primärversammlungen zugeschickt werden.“

Wie hätte nun das Volk von Nidwalden seine fünfhundertjährige Verfassung an ein solches morsches Werk, wie die neue helvetische eines zu sein schien, so leicht und gerne abtreten sollen? Bedenklichkeiten rücksichtlich der schlechten Früchte dieser Konstitution

Lassen wir jetzt aber alle dies Bedenklichkeiten in ihrem Werthe oder Unwerthe dahingestellt sein. Frage man lieber nach den Früchten, die diese gleiche Staatsverfassung in anderen Ländern schon hervorgebracht habe. Einen Baum soll man an seinen Früchten erkennen, ob er gut oder böse sei. So urtheilte das Hirtenvolk von Nidwalden , als es von diesem Entwurf hörte, und die Erfahrung hatte ihm wenig Gutes aufzuweisen. Man wusste allbereits bei uns, welche fürchterliche Revolution die Freiheit und Gleichheit in Italien, in den Niederlanden, und in Savoyen gestiftet hatte. Man wusste, welche Unordnungen aus dieser gewaltthätigen Staatsumwälzung entstanden, und welchen unersetzlichen Schaden in diesen Gegenden das Ganze dadurch erlitten hat. Noth, Armuth, Druck Verfolgungen, Partheihass, Unzufriedenheit, Stockung des Handels und Unordnungen von allen Arten, waren der Freiheit und Gleichheit auf dem Fusse gefolgt. Lasset aber dieser schlechten Früchte aus Frankreich her selbst uns überzeugen. Eine im Anfang des Monats Mai 1793 ausgegangene Pariser Schrift hat unter Anderem auch folgende kurze aber treffliche Züge von den Früchten der dortigen neuen Konstitution gezeichnet: „Frankreich scheint unter einen anderen Himmelsstrich versetzt zu sein, und Paris jetzt da zu liegen, wo sonst Algier und Tripolis lag. Wer Augen hat zum Sehen, muss dies bemerken. Der republikanische Geist, den die Franzosen nicht haben, aber ihn zu haben brüsten, hat neue Partheien erzeugt, die mit der grössten Wuth übereinander herfallen, und mit unerhörter Grausamkeit sich selbst aufreiben. Verzweiflung gibt den Oberhäuptern der Partheien die gewaltsamsten Mittel an die hand, ihre Pläne durchzusetzen…. Wenn man bestimmen sollte, welche Regierungsform Frankreich jetzt hat, so müsste man ein neues Wort erfinden. Anarchie ist da zu Hause. Niemand regiert, weil Alles regiert. Frankreich ist in 44’000 Republiken getheilt, denn jede Munizipalität thut in ihrem Bezirke das, was sie für gut hält, und bekümmert sich wenig um die Gesetze…. Das Volk leidet jetzt an Allem. Selbst die nothwendigsten Lebensbedürfnisse feheln ihm. Der Handel, welcher schon seit dem Anfange der Revolution zu sinken begann, liegt ganz darnieder, und dadurch ist die Industrie getödet, welcher dieser Staat sonst seinen blühenden Zustand grösstentheils verdankte.“

In einer anderen Schilderung von Paris hiess es: „ Statt dass es ehedem 400 Schulen in Paris vollgefüllt waren, ist jetzt kaum eine, von der man sagen könnte, dass sie Schule sei und von Schülern besucht wird. Die Zerrüttung der Ordnung im Staate, die Gährung im Volke, die Ausschweifung von Jung und alt, die Verspottung der Gesetze, die Verachtung der Religion, der herrschende Blutdurst, die allgemeine Raubgier, das sind die Ursachen, welche alle vereint die Wirkungen hervorbringen, dass man der Jugend vergisst, und sie ohne Lehre und Zucht ihrem Schicksale überlässt. Die Schulgebäude reisst man nieder, die Lehrer erhalten keinen Sold mehr, werden vertreiben, oder gezwungen lasterhafte Grundsätze anstatt der Tugend Lehren zu verkünden. Man hört nichts als Aufruhr in eben den Sälen predigen, wo sonst der Wahrheit und der Tugend das Wort gesprochen wurde. Die Pressen lassen nicht mehr Werke, die das Herz bessern und den Verstand aufheitern, sondern Schriften, welche Finsternis, Unordnung und Laster zu verbreiten bestimmt sind. Pasquille, welche die Ehre des Bürgers nicht schonen, und Scharteken, die Gott und seine heilige Religion lästern.“

Man zeigte im Nationalkonvente an, und bewies, dass die vorige Regierung (unter den Königen) in hundert Jahren bei weitem nicht so viele Verhaftungen und Hinrichtungen zählte, als die gegenwärtige in Wochen. …. Vom 10. Augustm. 1792 bis zum nächsten Christmonat wurden einzig zu Paris wenigstens 1000 Personen beiderlei Geschlechts auf Befehl des Gemeinderathes, dessen Regent der Jakobinerklub war, ohne allen ordentlichen Prozess in der Nacht still gefangen genommen und an heimlichen Orthen hingerichtet u.s.w.“ Diese beiden Schriften hatte 1798 Hr. Kaplan Kaiser in Stans, und sie wurden von Geistlichen und Weltlichen gelesen.

Und nun frage ich, kann man es wohl dem Volke von Nidwalden verübeln, wenn es sich wehrte und sperrte, Frankreichs bittere Früchte auch in seinem Vaterlande zu verkosten? Kann man dieses dem Volke verübeln?. Ich habe diese Sachen alle nicht gewusst, wird mancher Leser sagen. Aber warum urtheilst Du denn in Deiner Unwissenheit?

Bedenklichkeiten über die damalige Treulosigkeit.

Prüfen wir aber auch eine andere Frage, die man zur Zeit der helvetischen Staatsumwälzung in Nidwalden aufwarf. Was sind denn das wohl für Leute, fragten unsere Hirten, mit denen wir es jetzt zu thun haben sollen? Diese Frage liess sich wirklich stellen, denn in Frankreich selbst war die damalige Regierung ihres Daseins nicht einmal auf ein kommendes Jahr versichert. Eine Parthei stürzte die andere. Alles war schwankend und die Zerstörung liess sich überall sichtbar blicken. Wie also, hiess es, mit einem Reiche in Gemeinschaft treten, das in sich selbst zerstört ist? Wie eine Staatsverfassung annehmen, die selbst unter Frankreichs besserem Himmelsstriche nicht gedeihen wollte? Die Willkür der Franken war damals auch weltkundig. Wenn z. B. mit einem französischen Kommissar heute unterhandelt wurde, so kam morgen wiederum ein anderer, und gefiel es ihm nicht, so machte er durch alles Verabredete einen Strich. Auf das Wort dieser Zeitmänner konnte niemand fest bauen. Wer hätte also im Besitze hundert jähriger Rechte nach einer Verfassung von so zweifelhafter und kurzer Garantie lüstern sein sollen? Klagten nicht selbst andere Nationen, dass ihnen die Franzosen nur wenig oder nichts von dem hielten, was sie doch mit Siegel und Brief verheissen hatten? Solche Vorgänge liessen sich freilich für das Volk von Nidwalden wohl bedenken, und es überdachte sie auch wirklich wohl.

Bedenklichkeit aus der Heiligkeit seiner Rechte

Eines der grössten Bollwerke, hinter welchem sich die Nidwaldner, Urner und Schwyzer etc. noch lange sicher glauben mussten, war ihre rechtliche und anerkannte Selbständigkeit. Dieses Hirtenvolk gründete sich auf die Heiligkeit seiner Rechte, und war überzeugt, dass dieselben von einer immer nur der Gerechtigkeit sich rühmenden Nation nie würden angetastet werden. Man huldigte dem Grundsatze: Frankreich und die von ihm revolutionierten Kantone können den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung vorlegen, aber Zwangsrecht haben sie keines, denselben annehmen zu machen. Wahrlich, in dieser wichtigen Rücksicht steht das Recht durchaus auf Seiten der Nidwaldner. Wir ziehen hier die Bemerkungen, welche 1798 in Nidwalden einzeln über diesen Entwurf gemacht wurden, in ein Ganzes zusammen: „Was haben die Franzosen und ihre Anhänger ,“ so sagte man, „ für ein Recht, uns eine neue Konstitution aufzudringen? Haben wir nicht schon eine Konstitution oder eine bürgerliche Landesverfassung bei der wir bereits viele Jahrhunderte , und selbst noch in den 1790ger Jahren uns glücklich und zufrieden befanden? Ja, was haben die sogenannte grosse Nationen und ihre servil Ergebenen für ein Recht, von uns mit Gewalt zu begehren, dass wir ihnen zu lieb auf unsere Oberherrlichkeiten, Rechtsamen und Freiheiten, Gewalten und Gerichte, auf Gesetze und Verfassung , auf Land und Leute u.s.w. verzichten, und uns ihnen gleichsam unterwürfig machen? Sind wir nicht ein rechtliches, selbständiges und freies Volk, das seine Freiheiten von Vätern und Vorvätern ererbt und Jahrhunderte besessen hat? Unsere Ahnen haben dieselbe oft mit Gut und Blut vertheidigt und befestigt, so dass durch einen eigenen Artikel des Westphälischen Friedensinstrumentes vom Jahre 1648 die Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit der schweizerischen Eidgenossenschaft, und folglich auch die unsere, feierlich anerkannt und ausgesprochen wurde? Was haben nun die Franzosen und ihre Anhänger für ein recht, uns diese Freiheit und guten Gewohnheiten abzufordern, in denen wir geboren, erzogen und aufgewachsen, und an die wir gewöhnt sind? Wie, wenn wir dieses von der grossen Nation und von ihren Anhängern auch fordern würden? Und wir sollten jetzt geradezu unsere Einwilligung hiezu geben? Hat doch jeder gemeine Mann das Recht, um seinen Rock, um sein Haus und Heimat sich zu wehren. Warum sollte uns, einem selbständigen Volke, eine Einsprache gegen die Annahme einer neuen Staatsverfassung nicht gegönnt sein?“—

Konnte wohl ein freies Volk eine rechtlichere Sprache führen, als diese? Welche Haushaltung lässt sich so leicht von einem Nachbarn seine Hausordnung aufdringen und einführen? Drohe man einem Kinde seine Puppe zu nehmen, für die es Sinn und Herz hat, und es wird sich sträuben und sogar zu schreien anfangen. Und gerade dem Nidwaldner Volke war seine Verfassung Lieblinhgssache. Trugen aber nicht auch andere Länder und Kantone, wie .B. Uri, Schwyz, Zug, Glarus, Appenzell, St. Gallen u.s.w.die gleichen Bedenklichkeiten, und glaubten auch das gleiche Recht für sich zu brechen, die Nidwlden gegen den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung trug, und das es gegen denselben ausübte? Nidwalden nährte diese Bedenklichkeiten immer nur zur rechten Zeit, und zwar ehe es den Entwurf annahm, und ehe es denselben beschwören sollte. Da liegt die Ursache, warum dieser Landestheil nie eines Aufruhrs beschuldigt werden kann. Er nahm nur bedingt an, und wollte nicht unbedingt schwören. Wo ist da ein Auflehnen? Nur im verbrannten Gehirne der Patrioten und Freimaurer!– Warum also noch immer in der Geschichte nur auf dieses Volk hineinschlagen und es so unverdient herabwürdigen?

Urtheile man doch selbst, ob nun diese bürgerlichen Bedenklichkeiten Nidwaldens gegen das Pariser Machwerk von 1798 nicht wirklich wohl gegründet und auf Recht und Gerechtigkeit gestützt seien? Was bis anhin gesagt wurde, ist bloss Würdigung und Beleuchtung des bürgerlichen Inhalts der Ochsischen Konstitution.

Doch es dürften vielleicht auch die religiösen Bedenklichkeiten dieses Volkes ebenfalls ein grösseres Gewicht und mehr Werth haben, als Viele bis dahin geglaubt haben.

Wir wollen nun die Würdigung und Beleuchtung des religiösen Inhalts der genannten Verfassung folgen lassen.

Der Leser, zumal der katholische, und besonders geistliche und kirchliche Obern werden da Vieles vernehmen, das sie vielleicht i einer solchen Darstellungsart, Entwicklung und Anhäufung von Beweisen noch nie gehört haben, wenn bezüglich auf den religiösen Inhalt der Ochsischen Konstitution die Rede war. In dem folgenden Kapitel liegt die Rechtfertigung der nidwaldnischen Geistlichkeit und jeder anderen in der Schweiz, des Marianus Herzog, Pfarrers in Einsiedeln, des Pater Paul Styger u.s.w., welche 1798 wider die Konstitution so eifrig auftraten, — und die Schande für jene, die da schwiegen oder die neue Verfassung billigten, empfahlen, vertheidigten, und zu ihrer Annahme verhilflich waren.

Als Probe über alle obigen Bedenklichkeiten lese man im 27. Kapitel des zweiten Theils das politische Glaubensbekenntnis des Distrikts Stans, wo Alles als verwirklichet dargestellt wird, was das Volk vorläufig ahnte.

Die Religion bestimmte das Nidwaldner Selbstverständnis äusserst stark.

Fortsetzung folgt


03 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


 

Kapelle St. Magnus auf dem Allweg, erbaut 1672, zerstört durch die Franzosen 1798,
wieder aufgebaut Anfangs des 19. Jahrhundert, Foto H. Odermatt

«(…) Einleitung zur ersten Abtheilung

Wir haben im Vorworte bemerkt, wie das Volk von Nidwalden darüber beschuldiget worden, dass es 1798 den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung nicht unbedingt habe annehmen und beschwören wollen, und dass es es sich zuletzt dieser ungedingten Annahme und Beschwörung mit Waffengewalt widersetzte.

Um die Nidwaldner gegen diese Anschuldigungen zu rechtfertigen, ist nothwendig, dass vor allem der Entwurf der neuen helvetischen Verfassung gehörig gewürdiget und beleuchtet werde.

Ohne dieser Würdigung und Beleuchtung, die erst folgen wird, vorzugreifen, muss vorläufig bemerkt werden, dass in dem genannten Entwurfe oder Ochsischen Konstitution, welche 108 Artikel enthielt, 10 Artikel waren, die mehr oder minder wider die apostolische, römisch-katholische und alleinseligmachende heilige Religion und Kirche stritten, und über 30 Artikel, welche wider die weltliche Verfassung und Gesetze liefen. Da liess es sich doch schon Bedenklichkeiten tragen, ob und wie ein solcher Entwurf (Ochsisches Büchlein) anzunehmen sei! Und derlei Bedenklichkeiten trug das Volk von Nidwalden. Der Entscheid der Sache hängt nun von diesen zwei Fragen ab: Waren diese Bedenklichkeiten auch wirklich begründet? Und wie hat sich das Volk hierin in seiner Hadlungsart benommen?

Erster Abschnitt

Denkungsart des Volkes von Nidwalden über den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung vom Jahre 1798.

(Der Entwurf ist am Ende sub lit. B abgedruckt.)

Erstes Kapitel

Bürgerliche Bedenklichkeiten

Durch die Annahme des Entwurfes der helvetischen Staatsverfassung vom Jahre 1798 glaubte das Volk von Nidwalden, wenn nicht ganz um seine Rechte und Freiheiten zu kommen, doch in denselben vielfältig verkürzt und benachtheiliget zu werden. So dachte man 1798 auch in Uri, Schwyz und anderswo. Von Obwalden können wir nichts berichten, weil uns die Urkunden mangeln. Wir wollen aber diese Denkungsart auch vom Kerne des Volkes von Obwalden annehmen. Und allerdings schlugen damals alle Umstände zusammen, die Urkanton dieser Staatsverfassung abgeneigt zu machen, und zwar der Ort, wo sie herkam, die Männer, welche sie entwarfen, die Absichten, warum sie gegeben wurde, die Zufriedenheit des Volkes mit seiner alten Landesverfassung, die grossen Opfer, welche die neue Staatseinrichtiung forderte, die empörende Art, die da im Entwurfe selbst zu dessen Einführung vorgesehen war, die schlechten Früchte, welche der neu gezogene Staatsmann bereits in Ländern hervorgebracht hatte, die Treulosigkeit der Leute, mit denen man zu thun haben sollte, und die Heiligkeit der uralten Rechte, auf die man zählte, dass sie nicht könnten, noch würden angetastet werden u.s.w. Ja, alle diese Umstände schlugen zusammen, das Volk von Nidwalden der Annahme des helvetischen Entwurfes von 1798 abgeneigt zu machen, und denselben aller Aufmerksamkeit zu würdigen.

Bedenklichkeit des Ortes, woher die Konstitution kam.

Nein, von Paris, von dieser Königsmörderin, kann nichts Gutes kommen! So Hiess es in Nidwalden, als der Entwurf der hellvetischen Staatsverfassung ruchbar wurde. Was sind das für Regenten, fragten die Landleute, die jetzt dort in Paris regieren, und was ist das für eine Verfassung, nach der sie jetzt dort herrschen? Wie haben sich diese Regenten in Paris ihre Hoheitsrechte zugeeignet? Wie sollten wir wohl diesen je zugethan sein können? Und mit solchen Gefühlen wachten beim Landmanne zugleich die bitteren Rückerinnerungen an den 10. Augustm. 1792 wiederum auf, an welchem Tage in der französischen Hauptstadt die Schweizergarde überfallen und gemordet wurde. Auch der Wegnahme des borromäischen Kollegiums in Mailand durch die Franzosen wurde schmerzlich gedacht als eines gewaltthätigen Raubes an schweizerischem Eigenthum und als Zerstörung einer wohlthätigen Anstalt und Stiftung zur Bildung und Erziehung junger katholischer Priester u.s.w. Bei diesen und anderen Verhältnissen musste es dem Volke von Nidwalden um so ernstlicher vorkommen, fragen zu müssen: „Wie von Paris, von diesem Orte aller Ungerechtigkeiten und Zerstörungen, geht jetzt auch eine staatliche Verfassung für die Schweiz und für uns aus! Wie sollten wir uns wohl je zu einem solchen Dinge verstehen können? Um so weniger noch, wenn wir Männer betrachten, die dieses Machtwerk entwerfen liessen?“

Bednklichkeit gegen die Urheber der neuen Konstitution

Erwäge man daher auch diesen anderen Umstand, der das Volk von Nidwalden der neuen helvetischen Staatsverfassung so abgeneigt machte. Das französiche Direktorium war es, das dem Peter Ochs, einem in Paris anwesenden Bürger aus der Stadt Basel den Auftrag gab, eine Konstitution nach dem Muster jener von Frankreich für die Schweiz zuzubereiten. Ochs leistete, was er übernahm, und das Direktorium, das durch seine Greuelthaten jeden Schatten des guten Namens schon lange eingebüsst hatte, genehmigte seine Arbeit, und traf alle Anstalten, derselben in unserem Vaterlande Eingang und Aufnahme zu verschaffen. Reubel, der französische Direktor, ein Elsässer, war der Beauftragte in dieser Angelegenheit.

Für die Wahrheit dieser beiden besprochenen Bedenklichkeiten führen wir an, dass sich das französische Direktorium von Paris selbst unterm 28. April 1798 durch seinen Kommissär Rappinat sowohl an Peter Ochs, als auch an die Schweiz folgendermassen ausdrückte: „Nie wird das Vollziehungsdirektorium den feurigen Eifer vergessen, den der Bürger Ochs für den Dienst und für die Befreiung seines Vaterlandes bewiesen hat. Er macht sich zur Pflicht, ihm das Zeugnis zu geben, dass ohne seine Bemühungen die Oligarchie und die Feinde der französischen Republik noch in Helvetien herrschen würde.“ Im Mai daraus äusserte sich das helvetische Direktorium hinwieder an Rappinat also: „Unsere Konstitution gab uns das französiche Direktorium.

Bedenklichkeiten rücksichtlich der Absichten Frankreichs.

Doch bedenklicher als beides Obige, fielen damals dem Nidwaldner Volke die Absichten auf, welche Frankreich in diesem Geschäfte leiten möchten. Fast handgreiflich sah man, dass das französische Direktorium die Umwälzungen der Schweiz beschlossen hatte, um durch Plünderung dieses Landes neue Hilfsmittel zu anderen Unternehmungen zu erhalten, um die Regierungen unterzordnen, der Gebirgspässe sich zu bemeistern, und die Armeen in die Schweiz zum Unterhalte verlegen zu können u.s.w. Als einem armen Hirtenvolke mussten ihm diese Besorgnisse schwer vorkommen. Nebst dem hatte Nidwalden 1798 ziemlich beträchtliche ersparte Korn- und Salzgelder, wie auch 800 prachtvolle und erst neu angeschaffte gezogene Feuergewehre, und von diesen befürchtete man, dass sie sämmtlich ein Raub der Franzosen werden möchten, wie es später auch wirklich der Fall war. Schlachtvieh, Futter, Käse und Butter möchten die Franzosen sich herausfordern, und stehende Heere möchten in’s Land hineinkommen, und Alles verderben und aufzehren; Heu und Holz dürften von den Armeen weggenommen werden u.s.w. Wirklich giengen diese Befürchtungen in Erfüllung, ehe nur Nidwalden ein Antrag zur Annahme des helvetischen Staatsentwurfes gemacht wurde, was dann eben das Volk zu einer solchen Abneigung stimmte. Wir wollen hier als Beleg einzig aufführen, was Hr. Schultheiss Steiger von Bern schrieb, als dasselbe am 5. März 1798 an die Franzosen übergegangen war: „Nun wurde die Larve weggeworfen, und dem bis dahin verstellten Raub- und Unterjochungsplan der ungezähmte Lauf gelassen. Unsere Kassen und Kapitalien wurden ausgeraubt,*) unsere Magazine aufgezehrt oder verkauft, unsere Waffen und Zeughäuser weggeführt, unsere Wohnungen und Dörfer geplündert, das ganze Land mit immer mehreren Truppeneinmärschen und Durchzügen überschwemmt. Alles, was reich und wohlhabend war, mit ungeheuren und unerschwinglichen Brandschatzungen zu Grunde gerichtet, Städte und Landschaften entwaffnet, das gemeine Wesen in allen seinen Theilen zertrümmert, vom obersten Magistraten bis zum letzten Gemeindevorgesetzten Niemand an seiner Stelle gelassen, und uns dagegen mit Gewalt der Waffen ein abgeschmacktes Gewebe von leeren Sentenzen und revolutionärer Hierarchie, welches sie eine Konstitution nannten, aufgedrungen, das sich aber den Bedürfnissen, Gewohnheiten, und Hilfsmitteln der Schweiz im ungeheuersten Widerspruch befindet, und zu nichts Anderm zweckdienlich ist, als um die Herrschhaft der Franzosen durch ein substituirtes (unterstelltes), von ihnen selbst gesetztes oder unter ihren Anhängern erzwungenes, mit namenloser Gewalt versehenes Direktorium auf alle künftigen Zeiten festzusetzen, und Land und Leute ihrer beständigen Willkür zu unterwerfen.“ Das waren die betrübten Folgen für Bern und zugleich auch Freiburg und Solothurn. Wenn sich nun Frankreichs Absichten an den grossen Kantonen auf diese Art enthüllten, wie hätten die kleinen Bergorte dadurch guten Willen bekommen sollen?

*) Laut Berichten aus Bern sind am 12. und 13. April 1798 etwelche Wagen mit Gelöd beladen von dort nach Frankreich ausgewandert. Sie führten beinahe 100 stark mit Eisen beschlagene Kisten, worin der Schatz enthalten war.

Fortsetzung folgt


02 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


 

Allweg: Blick Richtung Buochserhorn, Musenalp, Risettenstock/Hinterjochli
Foto H. Odermatt

Erste Abtheilung

Vorwort im Allgemeinen

«(…) Uri und Schwyz haben allerseits über ihre ereignisvollen Tage von 1798 eine Geschichte. Warum sollte nicht auch Nidwalden, das damals und in der Folge eben so Ereignisvolles erleben musste, auf eine ähnliche Zeitgeschichte Anspruch machen dürfen? Noch immer waltet ein Dunkel über dem Kampf und die Schicksale Nidwaldens vom Jahre 1798. Es wird noch zur Stunde dafür und dawider geurtheilt, je nachdem, die Kenntnisse und die Leute beschaffen sind. Es schwebt aber auch noch selbst ein grosses Dunkel über die französische Revolution in der Schweiz, so wie über die helvetische Konstitution und Regierung, und ihre verschiedenen Gestaltungen und Handlungsarten. Alles dieses suchte man geflissentlich ins dunkelste Dunkel zu hüllen. Die Geheimnisse der Bosheit aus damaliger Zeit sind noch zu wenig ans Tageslicht gezogen, und zu sehr mit glänzendem Firnisse überdeckt worden. Wenn auch nicht Alles, so soll doch Vieles durch vorliegende Blätter aufgehellt werden, was bis anhin noch dunkel und verborgen war. Immerhin mangelte den Meisten die treue Darstellung und der ganze Zusammenhang der Geschichte Nidwaldens von 1798. Die Absicht des Verfassers ist Aufhellung der Thatsachen, die da geschehen sind, und wie und in welchem Geiste sie geschehen sind. Hierauf soll sich die Geschichte gründen, so wie Rechtfertigung des so oft hart beschuldigten Landes. Die Historie überhaupt soll ein Inbegriff von Akten und Thatsachen sein, und die Überfallsgeschichte von Nidwalden wird eine Menge derselben bringen, die bis anhin unbekannt geblieben waren. Der Verfasser wird den Partikularen, den Gemeinden, den Behörden und Kantonen nur die Stellung vorzeichnen, die sie in der Geschichte selbst eingenommen haben. Wer sollte deswegen ihm zürnen? Haben ja sogar die Evangelisten dem Judas die Stelle angewiesen, die ihm gebührt hat. Sie glaubten dadurch weder lieblos noch ungerecht gehandelt zu haben.

 

Über Nidwalden ist zwar Vieles in Bezug auf die Revolution von 1798 niedergezeichnet worden, und wie wir finden, Wahres und Unwahres; mehr jedoch nur in Bruchstücken, als im genauen Zusammenhange.

 

Im Jahre

 

1798 berichteten zuerst die damaligen Zeitungen, besonders der Republikaner usw. Die Vorfälle in Nidwalden. In denselben war das Meiste einseitig und entstellt aufgenommen, und für die Franzosen und die Helvetik das Wort gesprochen.

1799 kam der “schreckliche Tag“ am 9. Herbstmonat 1798 in Unterwalden, 80 Seiten stark heraus. Hr. Kaplan Jakob Kaiser, später Pfarrer in Stans, beschrieb denselben auf der Flucht im Tyrol, und gab der Sache als Augenzeuge vielen Aufschluss, dessen sich selbst Zschokke in seiner Geschichte bediente. Er schrieb wider die Konstitution in seiner Geschichte bediente. Er schrieb wider die Konstitution und vertheidigte die Handlungsweise des Volkes und der Geistlichkeit entgegen derselben.

1799 Um diese Zeit erschien, ohne Angabe des Jahres und des Druckortes, ein Schriftchen, 212 Seiten, unter dem Titel: „Historische Entwicklung der helvetischen untheilbaren Verbindung.“ es ist von einem Freunde der Konstitution geschrieben, und darin über Nidwalden Vieles unrichtig dargestellt.

1799 erschien in Zürich ein Schriftchen: „Opfer der Hochachtung“, den wahren Unterwaldnern dargebracht, 24 Seiten, das ebenfalls nur Bruchstücke enthielt, aber zu Gunsten Nidwaldens geschrieben war.

1800 im Augustmonat kam Hr. Kupferstecher J. H. Meier in Zürich, und sammelte in Nidwalden allerlei Vorfälle vom Jahre 1798, die er sich theils von Altgesinnten, theils von Patrioten erzählen liess, und welche, weil der gute Mann die Leute oft zu wenig kannte, hie und da Umstände vergrösserten oder verkleinerten, und gar oft der Hauptsache selbst eine andere Gestaltung gaben. Meier zeichnete die abgebrannten Gegenden, und der Nepot des Hrn. Stadtpfarrers Hess, den er bei sich hatte, beschrieb die Thatsachen. Diese Sammlungen füllten einen grossen Folioband, der nun in Handschrift zu Zürich auf der Stadtbibliothek aufbewahrt wird.

Der Hr. Verfasser liess seine Sammlungen unterschreiben. Viele, die unterschrieben, waren nicht Augenzeugen, und Andere zeichneten auf blossen Glauben hin, ohne die Arbeit gelesen zu haben. Hr. Kaplan Franz Joseph Egger, der auch unterschrieb, machte bereits Vorbehalte und auf Berichtigungen aufmerksam, weil er Vieles entstellt fand nach der Aussage von Augen- und Ohrenzeugen, mit denen er genauer geredet hatte. In dasiger Zeit war man jedoch zufrieden, wenn nur Jemand für das gebeugte Nidwalden ein gutes Wort sprach oder schrieb. Hr. Meier tat es.
Über die Revolutionszeiten schrieben ferners die helvetischen Annalen; Meyer von Knonau, Mutach, Posselt, Haller, Leonard Meisterund Andere, die nur im Vorbeigehen Nidwaldens erwähnen, und meistens wiederum Andern nachschrieben und nacherzählten. Dessgleichen 1801 in kleinen Bändchen, eine helvetische Chronik.

1801 16. Mai erschien in Bern: „Johann Georg Heinzmanns aus Ulm neuere Schweizergeschichte.“ 2 Bände. – 1805 in Bern wieder erhältlich. Sie stand zur Helvetik und enthielt über Nidwalden Wahres und Falsches.

1801 10. Weinmonat. Erschien ein Schriftchen vom Hochw. Hrn. Organist Alois Leu in Stans: „Ist dann auch der Unterwaldner wirklich derjenige, für den man ihn ansieht?“ und dann: „Wahre und unparteiische Darstellung der Lage von Unterwalden“ (24 Seiten). Ein kräftiges und damals gewagtes Wort, das verdankenswert war.

1801 erschien in Bern und in Zürich Heinrich Zschokke’s „Geschichte vom Kampf und Untergang der Berg- und Waldkantone“, in die Nidwalden somit auch einverflochten wurde. Sie schmeichelte Alois Reding, gab Nidwalden Seitenhiebe, und hudelte nach Zschokke’s Art die katholischen Geistliche durch.

1803 verliessen die Presse: “Heinrich Zschokke’s Denkwürdigkeiten über die Revolutionsgeschichte der Schweiz 1798“, in welchen ein grosser Theil Nidwalden gewidmet ist. Er schrieb weitschichtig und Vieles aus Urkunden, deren Rettung man ihm verdanken muss; indessen für Nidwalden ungünstig und die Ereignisse von 1798 als Aufruhr darstellend, da sie vielmehr eine abgedrungene Nothwehr waren. Der Mann war aber ein Beamter der helvetischen Regierung, hatte ihr sein reichliches Brod und sein Glück zu verdanken, und wie Hr. Dr. Lusser von Altdorf in seiner Geschichte deutlich ausspricht, war Zschokke „ein Diener des Jakobinismus, und in seinen alten Tagen stiftete er noch einen Freimaurerverein. Die Handlungsweise eines katholischen Volkes, wie jenes von Nidwalden muss nothwendig nach den Grundsätzender der katholischen Religion und Kirche, und nach jenen der Gerechtigkeit, der Verträge und Kapitulationen u.s.w. Beurtheilt werden. Zschokke hat aber nicht nur das nicht getan, sondern vielmehr den Gegner wider diese Grundsätze gemacht. Daher kann sein Schattengemälde von Nidwalden, das sich durch Beleuchtung aus anderen, einzig anwendbaren Grundsätzen, die der Gerechtigkeit, der katholischen Religion und Kirche angemessen sind, ins richtige Licht auflöst, den angeblichen Werth verliert, und Missverdienst einerntet. Zschokke zeigte sich hier besonders als einen geschworenen Feind der katholischen Priester, und diessfalls sehr leidenschaftlich, wie seine Schriften, überhaupt davon überfliessen. Er starb 27. Brachm. 1848.

1805 veröffentlichte Hr. Christian Daniel Voss, Professor in Halle, seine „Schweizergeschichte“, worin er über Nidwalden vielfältig übel berichtet war und grosse Unrichtigkeiten brachte. Er lässt z.B. den Distriktstatthalter mit dem Strick um den Hals zum Galgen hinschleppen u. A. m.


In der Zwischenzeit schrieben Viele. Einige für, Andere wider Nidwalden. Gründliches für Nidwalden gab Hr.
Haller von Bern heraus, dessen Schriften aber bei den helvetischen Behörden anstiessen und von ihnen unterdrückt wurden. Sonst sprachen die protestantischen Geschichtschreiber immer eher feindlich, und die katholischen, welche noch ein gutes Wort reden wollten, kannten immer noch die ganze Geschichte in ihrem Zusammenhang nicht. Das zeigt sich in ihren Schweizergeschichten, die sie für die Schulen bearbeiteten.

1824 gab Kuhn seine „Alpenrosen“ heraus, und lieferte Charakterzüge von dem Vertheidigungskriege Unterwaldens, von J. H. Meier gesammelt, worüber oben geredet worden ist.

1828 schrieb nun auch Hr. Chorherr und Altpfarrer Joseph Businger in zwei Kapiteln die Geschichte Nidwaldens von 1798. – obwohl er Partheimann war, so behandelte er im Gegensatz nach dem Urtheile seiner innigsten Freunde den ganzen Gegenstand nur oberflächlich, schrieb dem Zschokke nach, und legte jenen Massstab nicht an, den ein katholischer Priester der Geschichte seines katholischen Volkes anlegen sollte, zumal er die sich auf die Kirche und Religion beziehenden Artikel der Konstitution ohne Anführung und Würdigung unberührt überging.

1837 erschien in Zürich bei S. Höhr: “die Enkel Winkelrieds“, epische Dichtung von Salomon Tobler“ . Der Dichter schöpfte ebenfalls aus Joh. Heinrich Meier. Diese Gedichte sind wirklich schön, geistreich und ehrenhaft für Nidwalden, können jedoch nicht als strenge Geschichte betrachtet werden.
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1843 erschien die helvetische Geschichte des Hrn. Anton v. Tillier in Bern in drei Bänden. Was er von Nidwalden schreibt, ist mit Abrechnung einiger Auszüge aus dem helvetischen Archive u.s.w. grösstentheils aus Zschokke und Businger abgeschrieben und ebenfalls nach ihrer Art dargestellt, mit Uebergehung der Grundsätze, nach welchen ein katholisches Volk beurtheilt werden muss.

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1845 erschien in St. Gallen für die Schuljugend, „Sammlung von Zügen des Heldenmuths und Biedersinns.“ In Nr. 64 wird „Nidwaldens Schreckenstag 1798“ erzählt und schon S. 153 werden solche Reden und Thatsachen angeführt, die das Kriegsrahtsprotokoll von von 1798 als Lügen straft. So verhält es sich mit der Geschichte von Propst, Pfarrer in Dorneck, III Bändchen 1838, gedruckt in Sursee. Nr. 73 S. 127 u. 128 bringt ebenfalls „Entstellungen und Unwahrheiten vom Kampfe in Nidwalden 9. Herbstm. 1798.

1849 Schweizergeschichte von K. Mounard, in Zürich gedruckt. Was im III. Thl. 3. und 4. Kapitel über Nidwalden erzählt wird, ist meistens aus Zschokke und Businger abgeschrieben, folglich an vielen Stellen unrichtig, und sogar mit Entstellungen vermengt u.s.w., durch die der sonst redliche Historiker selbst hintergangen wurde.–

So erging es auch anderen Geschichtschreibern. Selbst jene, von Uri und Schwyz, insofern sie auf Nidwalden einlenken, scheinen ihre historischen Abirrungen aus solchen Werken geschöpft zu haben, wie z.B. Lusser in seiner Geschichte von 1835 u.s.w.

Am Günstigsten für Nidwaldenschrieb der berühmte Geschichtschreiber Johannes v. Müller aus Schaffhausen.Seine Schriften wurden aber von den helvetischen Behörden und Bürgern ungünstig aufgenommen. Zürich, bei Orell, Füssli & Komp. 1832

Und wie darf es wohl der Verfasser wagen, unter solchen Umständen eine Geschichte zu schreiben? Nur mit bangem Herzen. Oft gab er den Entschluss auf, und und oft fasste er ihn wieder, bis es endlich doch zur Wirklichkeit kam. Man denke sich die grossen Schwierigkeiten, mit denen er im Kampfe lag. Die Musse, die er darauf zu verwenden hatte, war klein. Die Berufsgeschäfte eines Seelsorgers erfordern, wie bei jeglichen Seelenführer der Fall ist die vorzüglichere Zeit. Opft wurde der Verfasser während Niederschreibung dreier Zeilen dreimal weggerufen. Es brauchte wirklich eine eiserne Geduld, die Arbeit durchzuführen, und diese wollt gar oft mangeln oder ausgehen.. Es hätte den Verfasser herzlich gefreut, wenn mit ihm in der Hauptsache auch nur ein Geistlicher oder Weltlicher eingestanden wäre. Die ziemliche Unthätigkeit und Hilflosigkeit drohten oft, den Muth zu benehmen.

Der Verfasser kennt auch die nächste Aufgabe, die sein Vaterland an ihn stellt. Sie besteht in der Vertheidigung desselben gegen ungerechte und lieblose Anschuldigungen. Wir feierten bereits die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts seit dem 9. Herbstm. 1798. Sonach erscheint mein Werk im rechten Zeitpunkte. Seit fünfzig Jahren ist Vieles gethan worden, meine Mitlandleute über ihre Denkungs- und Handlungsart anzuklagen oder zu rechtfertigen, die selbe zur Zeit der schweizerischen Staatsumwälzung (1798) und in Folge derselben ausgesprochen und an den Tag gelegt haben.

Drei Klagen sind es hauptsächlich, welche man wider dieses Volk erhob und anführte.

Die erste beschuldigte dasselbe, dass es so viele Bedenklichkeiten getragen habe, den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung anzunehmen.
Die zweite, dass es noch grösseres Bedenken trug, diese Verfassung zu beschwören; und
die dritte, dass es sich der Annahme und der Beschwörung derselben zuletzt widersetzt habe.

Hingegen wurden aber auch drei Rechtfertigungsgründe für dieses Volk aufgefunden und angebracht.

Der erste rechtfertigt dasselbe, dass der Entwurf der helvetischen Staatsverfassung in seinem Inhalte so beschaffen sei, dass es denselben nicht unbedingt habe annehmen können.;
der zweite, dass es nicht habe angehalten werden können, eine Verfassung unbedingt zu beschwören, die es nur unbedingt angenommen habe; und
der dritte, dass es für Unterwalden rühmlicher gewesen sei, für Freiheit und Religion unterzugehen, als das Gewissen zu verletzen und die Pflicht der falschen Klugheit nachzusetzen.

Verschieden sind deshalb auch die ergangenen Urtheile. Viele haben getadelt und jenes Volk des Unsinns bezüchtiget. Viele haben gelobt und seinen Heldenmuth bewundert. Fast allgemein jedoch hat man Nidwalden seiner harten Schicksale wegen bemitleidet.

Die Urtheile mussten aber auch verschieden ausfallen, wenn man alle Umstände genau erwägt, unter denen sie gegeben worden sind. Vielen mangelte die gehörige Kenntnis der Sache. Manche urtheilten nur nach einseitigen Grundsätzen, und nicht Wenige, die da urtheilten, gehörten zur anklagenden Parthei, oder waren aus der Klasse der damaligen Zeithelden.

Wenn man aber dennoch über ihre Denkungs- und Handlungsweise dieses Vökleins richtig und gehörig urtheilen will, so scheint es uns, vor Allem fragen zu müssen: Um was handelte es sich denn im Jahre 1798 mit den Leuten von Unterwalden nid dem Wald? Welches war der bürgerliche und welches der religiöse Inhalt des Entwurfes der helvetischen Staatsverfassung, der da anzunehmen und zu beschwören angegangen und verlangt wurde? Welche Umstände begleiten die Sache? Und welches sind die Grundsätzem nach denen ein freies und katholisches Volk in beiden diesen Rücksichten handeln oder nicht handeln durfte?. Nach diesem Masststabe glauben wir sowohl die Denkungs, als auch die Handlungsart der Unterwaldner abmessen zu müssen, und dann wird es sich von selbst zeigen, ob es zur Zeit der schweizerischen Staatsumwälzung im Jahre 1798 recht oder unrecht gehandelt habe oder nicht.

Wer nun also im gegebenen Falle über Recht oder Unrecht absprechen will, für den geziemt es sich, dass er Klage und Antwort anhöre, überlege und prüfe.

 

Die vorliegende Arbeit hat sich beides zur Aufgabe gemacht, und desswegen die Aufschrift gewählt: „Der Überfall in Nidwalden 1798 in seinen Ursachen und Folgen“. Der so oft angeklagte Krieger der damaligen Zeit wird in dieser Schrift die besten Gründe seiner Verantwortung finden. Dass diese Arbeit in die allgemeine Revolution, und in Nidwaldens fernere Schicksale eingreife, versteht sich von selbst. Der Landmann, der ganz einfach nach einer „Überfallgeschichte“ frägt, hat hier eine solche. Wir glauben auch wirklich , die Klagen vollständig anzuführen, wenn wir dieselben unter der obigen dreifachen Eintheilung aufstellen, deren Entwicklung dann von selbst folgen muss. Die Austheilung der Abhandlung und ihrer Kapitel ist aber so gewählt, dass sie klar werden muss. Was die Antworten anbelangt, so glauben wir, sie sollten nicht ungenügend ausfallen.

Wenn es aber immer leichter ist, Kagen zu stellen, als zu beantworten, so zeigte sich diese Schwierigkeit auch hier, um so mehr, da das Archiv von Nidwalden in diesem Fache von vorfindlichen und in den Zeitraum von 1798 einschlagenden Raths- und Landesgemeindebeschlüssen arm und wirklich entblösst ist, wie uns amtlich versichert worden. *)

*) Das Wochenrathsprotokoll von Nidwalden hört auf den 10. April 1795, jenes des Landrathes den 2. Mai 1795.“

Käslin, Landschreiber.“

Von den Beschlüssen der Räthe und Landleute, wie auch der Landesgemeinden, sollen sich zu dieser Zeit gleichfalls mehrere nicht vorfinden. —

Aiffallend ist es auch, dass selbst das auf diese Epoche bezüglich Protokoll des Hochw.geistlichen Kapitels weggekommen ist, und die übrigen daneben am gleichen Ort gelassen wurden?! —

Erst 1856 wurde benanntes Protokoll zufällig entdeckt, enthält aber einzig die Beschlüsse vom 19. Hornung und 3i. Mai 1798.

Es sollen wirklich viele Papiere von noch nicht einprotokollirten Erkanntnissen jeder Art in den Häusern der beiden Landschreiber beim Einfalle der Franzosen zerstreut und verloren gegangen sein. Einige sind gar der Meinung, die einheimischen Gegner des Volkes hätten zur Zeit der Umwälzung die wichtigsten Schriften auf die Seite geräumt, um sich den Inhalt derselben zu sichern, und diese lägen in einem bekannten Hause u.s.w. Wir wollen die Sache dahin gestellt sein lassen. Selbst in Obwalden, wo sonst das Archiv wohl bestellt ist, sollen im Jahr 1798 bedeutende Aktenstücke abgehen.

Dieser Mangel an vielen nothwendigen Belegen blickt selbst in Zschokke’s und Busingerr’s Nidwaldnergeschichten durch, zumal doch diesen beiden Männern die Kanzlei offen stand, was für Andere nicht der Fall war.

Äusserst mühsam und mit Unkosten hat demnach der Verfasser seine Stoffe für diese Arbeit sammeln müssen, und manchen Kenner dürfte es wundern, wie er so Vieles zusammengebracht und wo er es genommen habe; die Quellen sind aber meistens im Verlaufe angegeben. Die ganze Geschichte ist so gut möglich aus Urkunden und genüglichen Zeugsamen geschrieben, und stellt wie keine andere den ganzen Zusammenhang der damaligen Ereignisse und Vorfälle dar. Wir fühlen selbst, dass hie und da noch Einiges mangelt; zu dessen Kenntnis konnten wir aber nicht gelangen. Wir schrieben für das Volk und liessen uns in Einzelheiten ein; darum die Sprache ganz einfach, ohne ausgesuchte und gelehrte Wort: und wen diese Einzelnheiten nicht ansprechen, der mag sie übergehen. So viel dürfen wir wenigstens von jedem vernünftigen Leser fordern, dass er die ganze Darstellung lese, ehe und bevor er dieselbe beurtheile. Wir erwarten, mancher sich gebildet Dünkende werde Kritik anlegen wollen. Er bedenke aber, ob es nicht für Ihn schwer gehalten hätte, für so manches Kapitel, das er vorfinden wird, so reichlich Stoff zusammen zu bringen. Der Verfasser dürfte ihm dann entgegnen, warum er nicht früher eine Nidwaldner Geschichte geschrieben hätte, wenn das doch eine so leichte Sache ist. Bei Männern dagegen, die derlei Angaben und Arbeiten aus dem Grunde kennen, darf der Schreiber auf gütige Hinnahme und Nachsicht zählen.

Um der Ordnung und Gründlichkeit willen wird die ganze Abhandlung in zwei Theile oder Abtheilungen getheilt. In der ersten erscheint Nidwalden im Verbande mit seinen Bundesgenossen 1798, und die daherige Denkungs- und Handlungsweise mit denselben. Die zweite beschlägt Nidwalden 1798 und in Folge allein, abgesehen von seinen Bundesgenossen.

Da die Franzosen eine eigene Zeitrechnung und Benennung einführten, die in ihren Schreiben öfters vorkommen, so fügen wir hier noch eine Kurze Erklärung derselben bei.

Alle 12 Monate bestanden aus 30 Tagen, jeder aus 3 Wochen oder Dekaden. Die überschüssigen Tage waren der Freiheit geweiht. Mit dieser neuen Eintheilung war freilich die schon Anfangs von Gott gesetzte Ordnung der Zeiten, Tage und Wochen beseitigt, die 6 Arbeits- und der Ruhetag (Sonntag) ganz übergangen, und auch hier eine der Religion und dem Christenthum ganz widrige Revolution eingeführt.

Der Verfasser glaubt eine schuldige Pflicht zu erfüllen, wenn er schliesslich allen Jenen herzlich dankt, die ihm Hilfe und Beiträge zu dieser Arbeit geleistet haben. Die Akten sind durchweg ächt gegeben, wie sie sich im Origianal auswiesen. Die Berichte stützen sich in der Regel auf Augen- und Ohrenzeugen und auf Vergleichungen mit Umständen der Zeit, des Orts und der Person; und der Schreiber darf nicht glauben, dass Jemand absichtlich Unwahrheiten oder Unrichtigkeiten ihm habe berichten wollen. In Betreff der Ehre und des guten Namens der in diesen Blättern vorkommenden Personen jeder Klasse, welche da diese oder jene Rolle gespielt haben, sind anderswo genügende Erklärungen und Vorbehalte gemacht worden.

 

Nun, Leser! nimm denn hin und lies! Du wirst aus der helvetischen Zeit und aus dem Ländchen Nidwalden wichtige Dinge finden, die Dir in den jetzigen Tagen zu einiger Lehre dienen können.

Stans, den 9. Herbstmonat 1860

Der Verfasser:

Franz Joseph Gut,

Pfarrhelfer

Franz Joseph Gut geht mit den Geschichtschreibern hart ins Gericht. Wenn er von deren Schriftchen redet, glaubt man eine gewisse Abschätzung zu spüren. Sein Werk, das insgesamt gegen 900 Seiten umfasst, rückt die Sache jedoch in ein anderes Licht. Als Kleriker musste er Linientreue zur katholischen Kirche markieren! Er verstand es indessen, seine Sicht der Dinge so darzustellen, dass der Eindruck des vollständigen Überblicks und der «Wahrheit» entstand. Das umfassende Werk von 1862 wird heute als tendenziös bezeichnet.

«(…) In Nidwalden fürchteten aber vor allem die geistlichen Herren um ihren Einfluss und ihre Macht. Die Geistlichen verkündeten an zahlreichen Landsgemeinden im Jahre 1798, dass sich die neue Verfassung gegen Gott und die Religion richte. Deshalb folgte die Mehrheit von Nidwalden den Argumenten der Geistlichkeit, da sie bei einem zentralistisch organisierten Einheitsstaat den Verlust der Selbstbestimmung über das Vaterland befürchteten. In der Überzeugung, Gott, Religion und Vaterland seien in Gefahr, verweigerten die Nidwaldner schliesslich als Einzige den Bürgereid auf die neue Verfassung. (Ennetmoos / Geschichte / Der Franzosenüberfall)

Fortsetzung folgt


01 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


 

 

 

Wenn heute in der Weltwoche festgestellt wird, …Nidwalden – Eigensinnig und frei…, so mag dies auf die Urbevölkerung zutreffen. Mit der Erschliessung der Zugangswege via Strasse, Bahn und See (Bau der Achereggbrücke in Stansstad, aufkommen der Schiffahrt auf dem Vierwaldstättersee, und später der Erweiterung der Stansstad-Engelbergbahn bis nach Luzern, des Ausbaues der Lopperstrasse und schliesslich der Bau der A2 durch den Kanton Nidwalden), kamen nicht nur Kurgäste nach Nidwalden, sondern auch Industrie, Gewerbe und Dienstleistungsbetrieb entwickelten sich. Durch geschickte Steuerpolitik ist es gelungen, viel Steuersubstrat in den Kanton Nidwalden zu bringen. Dies wiederum machte Nidwalden zum «Schlafkanton» von Luzern. Man sehe sich die Entwicklung sämtlicher Gemeinden vorab Ennetbürgen und auch das etwas abgelegene Emmetten an. Die Vermischung der Bevölkerung hat den «Eigensinn» wahrscheinlich etwas ausgeglichen. Wer aber die Urbevölkerung verstehen will, der befasse sich mit einem Zeitzeugen aus der «Franzosenzeit». Wer könnte dies nicht besser sein als der damalige Stanser Pfarrhelfer Franz Joseph Gut. Ich habe eine Originalausgabe seiner «Nidwaldner-Bibel» von einer Tante nach ihrem Tode zugesprochen erhalten. Ich werde daraus wie Gutenachtgeschichten, brockenweise daraus zitieren. Lesen Sie:

Der Überfall in Nidwalden

im Jahre1798

in seinen Ursachen und Folgen

Verfasst und herausgegeben von Franz Joseph Gut,
Pfarrhelfer in Stans

Denkmal auf dem Allweg «Den Helden von 1798«
der Obelisk wurde von Bildhauer Alois Z’graggen geschaffen (1900)
Foto: H. Odermatt

Stans, 1862, Verlag beim Verfasser; Druck und Commisions-Verlag von A. Eberle und Söhne in Schwyz

Lasset uns unserem gedrückten Volke helfen.“I. Makabäer 3, 43

Wir haben für Diejenigen gesorgt, die lesen wollen, dass es ihnen zur Ergötzung ihres Gemüthes würde; für die Lehrbegierigen aber, dass sie es leichter ihrem Gedächtnisse eindrücken; und für alle Leser, dass sie den Nutzen daraus schöpfen“ II Makabäer 2, 26

Inhalt

Erste Abtheilung

Vorwort im Allgemeinen

  • Einleitung zur ersten Abtheilung

Erster Abschnitt. Denkungsart des Volkes von Nidwalden über den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung vom Jahre 1798

  • Erstes Kapitel: Bürgerliche Bedenklichkeiten

  • Zweites Kapitel. Religiöse Bedenklichkeiten

  • Zweiter Abschnitt. Handlungsart des Volkes von Nidwalden in Beschützung seiner gefährdeten Freiheit und Religion zur Zeit der Scheizerischen Staatsumwälzung im Jahre 1798

  • Erstes Kapitel. Handlungsart des Volkes von Nidwalden im Jahre 1798 als Urkanton mit seinen alten Bundesbrüdern im Besonderen

  • Die fünf alten Orte Uri, Schwyz, Nidwalden, Zug und Glarus wenden zur Beschützung ihrer Freiheit und Rechte an:

  1. Gütliche,

  2. Rechtliche Mittel

  • Einleitung zur zweiten Abtheilung

Zweite Abtheilung

Nidwalden nach Auflösung der bisherigen Verbindungen vereinzelt

Kapitel

  1. Innerer Zustand des Landes 1798 vor der Revolution

  2. Frankreichs Revolution und Konstitution kommen in die Schweiz und finden Aufnahme

  3. Frankreichs Konstitution kömmt nach Nidwalden

  4. Verwerfung der Konstitution in Nidwalden

  5. Bedingte Annahme der Konstitution in Nidwalden

  6. Die neue Regierung und Ordnung der Dinge in Nidwalden

  7. Handlungen der helvetischen Behörden vom 13. Mai bis 18. Augustm. 1798, die theils das Volk von Nidwalden reizten, theils die Kapitulation wesentlich verletzten

  8. Vom Bürgereide im Allgemeinen

  9. Der Bürgereid in Nidwalden

  10. Zustand in Nidwalden vom 18. bis 28. Augustm. 1798

  11. De Landsgemeinde vom 29. Augustm 1798 und die Nothwehr in Nidwalden

  12. Der neue Kriegsrath und seine Laufbahn

  13. Nidwaldenan den Grenzen gegen seinen Feind

  14. Des Kriegrathes ferneres Wirken

  15. Der Feind nahet,- die ersten Gefechte

  16. der neunte Herbstmonat(1798) in Nidwalden

  17. Der zehnte Herbstmonat in Nidwalden und die folgendenTage

  18. Niederlagen des Feindes

  19. Umgekommene und Verwundete in Nidwalden

  20. Raub und Brand in Nidwalden und Schatzung des Schadens

  21. Gräueltaten der Franzosen in Nidwalden

  22. Neue Verfolgungen der Landsleute von Seiten der helvetischen Behörden

  23. Schicksale der Welt- und Ordensgeistlichen, der Kirchen, Kapellen, Klöster, u.s.w. In Folge des 9. Herbstmonats 1798

  24. Eingriffe der helvetischen Behörden in’s Geistliche und Kirchliche nach dem 9. Herbstmonat 1798

  25. Nothund Armuth in Nidwalden, Steuern und Vertheilungen

  26. Leistung des Bürgereides in Nidwalden

  27. Politisches Glaubensbekenntnis des Distrikts Stans

  28. Antworten auf einige allgemeine Anschuldigungen

  29. Fortsetzung der Geschichte Nidwaldens von 1798 bis 1810 in Bruchstücken

Anhang

A. Verzeichnis der im Jahre 1798 am 9. Herbstmonat in Nidwalden Umgekommenen und ihre Todesarten. (Anhang zum 19. Kapitel der II. Abtheilung).

B. Entwurf der helvetischen Verfassung

Fortsetzung im nächsten Beitrag