Ich staune immer wieder, was Experten, ich schätze sie sehr, Scheinexperten, ihnen gegenüber gibt es Fragezeichen, Layen, sie sollen die Chance haben, sich zu entwickeln, und Schwätzer, alles aus den Weinen heraus riechen können, glauben es zu können, es wenigstens versuchen oder so tun als ob. Und dann sind noch jene zu erwähnen die sich anderen gegenüber abheben oder sie demütigen respektive erniedrigen wollen.
Etwa hinterlistige Narzissten, die
sich stets in der Stratosphäre wähnen. Sie nehmen sich ein Thema vor, bei dem sie annehmen, dass die Gesprächspartner gerade nicht sattelfest sind. Nun glauben sie leichtes Spiel zu haben. Kurzfristig mag es sein. Meist setzt sich jedoch ein Hinterfragungsprozess ein, dann werden sie eingeholt und fairerweise nicht direkt bloss gestellt. Sie werden sanft abgekoppelt und nicht ernst genommen. Auch wenn man mit dem Flugzeug auf grossen Höhen den «Himmel» durchquert sind sie weder sicht- noch erkennbar! Auch jene mit einem deformierten Selbstbewusstseis oder mit rampniertem Selbstvertrauen findet man in dieser «Gilde».
Als gewöhnlicher Fussgänger kann ich kaum mitreden. Meine Interessen lagen anderswo, als Weine zu bestimmen. In meinem Kelller gibt es denn auch keine tausend Flaschen erlesenen Weines. Und es gibt auch keinen Fusel, für den man auf der letzten Aktion noch Geld herausbekam, nur damit der Anbieter die Entsorgungskosten sparen konnte. Ausserdm verfüge ich nicht über eine Nase eines Spürhundes.
Eines weiss ich jedoch! Es gibt Weine die ich mehr oder weniger mag und andere. In meinem Fall ist es nicht so, dass die teuersten, die besten Weine für meinen Geschmack sind. Die billigsten aber auch nicht.
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Das was nun folgt ist im NZZ AM SONNTAG MAGAZIN v. 03/12/2023 abgedruckt.
«Ich mag es nicht, beduselt zu sein»
NZZ am Sonntag: Lieber Peter, wir kennen uns seit Jahren und haben deinen Werdegang vom Wirtschaftsjournalisten zum Weinexperten quasi begleitet. Deshalb wäre es seltsam, würden wir uns plötzlich siezen. Kannst du dich an deinen ersten Kater erinnern?
Peter Keller: Ich trinke immer nur mit Genuss und nie das eine oder andere Glas zu viel. Bis ich 25 Jahre alt war, habe ich Alkohol gemieden, es gibt also auch keine Jugendsünden.
NZZ am Sonntag: Lieber Peter, wir kennen uns seit Jahren und haben deinen Werdegang vom Wirtschaftsjournalisten zum Weinexperten quasi begleitet. Deshalb wäre es seltsam, würden wir uns plötzlich siezen. Kannst du dich an deinen ersten Kater erinnern?
Peter Keller: Ich trinke immer nur mit Genuss und nie das eine oder andere Glas zu viel. Bis ich 25 Jahre alt war, habe ich Alkohol gemieden, es gibt also auch keine Jugendsünden.
Was trank man bei Kellers zum Essen?
Mineralwasser, Sinalco, solche Dinge. Mein Vater hat manchmal Bier getrunken, aber auch das mochte ich nie. Ich trinke bis heute weder Spirituosen noch Cocktails, nicht mal sauren Most. Nur Wein.
Dann lass uns zurückkehren zu deinem ersten Glas Wein mit 25. Wie war der?
Ein einfacher Rioja, Marques de Cáceres, ein Crianza, fruchtig, wenig Tannin, an den Jahrgang erinnere ich mich nicht. Ich merkte dann schnell, wie viele Unterschiede und Facetten es gibt, und begann mich dafür zu interessieren.
Der erste Wein war ein Rioja. Welcher soll dein letzter sein, würdest du eines Tages aufhören zu trinken?
Müsste ich wählen, dann wäre es ein Bordeaux, weil das meine Leidenschaft seit Jahrzehnten ist. Vielleicht ein Château Pichon-Lalande aus dem Pauillac? Oder ein Château Léoville-Barton aus St-Julien.
Du hast eine Ausbildung zum Weinakademiker, aber du bist kein Master of Wine und hast es damit nicht in den Olymp geschafft. Wurmt dich das?
Ich war 47, als ich mich zum Weinakademiker ausbilden liess, also relativ alt. Der Master hätte mich interessiert, aber es war eine Budgetfrage, denn die Ausbildung kostet einige zehntausend Franken mit allen Reisen und Degustationen.
Würdest du die Prüfung heute bestehen?
Jein. Man muss ein profundes Wissen über die Anbaugebiete der Welt mitbringen, muss alle Rebsorten kennen, alle Böden. Du musst den Wein blind degustieren, beschreiben, zuordnen. Das ist komplex.
Dann lass uns einmal dein Wissen testen. Wir haben dir hier ein Glas Wein mitgebracht. Erzähl einmal, wie du bei der Blinddegustation vorgehst, und rate, worum es sich handelt.
Habt ihr einen Spucknapf? Ich sehe mir zunächst die Farbe an. Hier haben wir ein eher intensives Rot, damit scheiden Rebsorten wie Pinot oder Nebbiolo aus, weil die heller sind. Ich schwenke das Glas, damit sich die Aromen entfalten. Die Streifen an der Glaswand können auf den Alkoholgehalt hinweisen, aber der kann trügerisch sein, denn früher hatten Bordeaux 12 Prozent Alkohol und heute aufgrund des Klimawandels eher 13,5 bis 15 Prozent. Je mehr Hitze, desto mehr Alkohol.
Ja. Jetzt nehme ich einen Schluck und versuche, die Noten zu erkennen . . . (spuckt aus) Fruchtig, eher dunkelbeerig. Immer diese Beeren! Ich bin da sehr zurückhaltend, ich will keine Tutti-Frutti-Beschreibungen von Weinen und finde es auch nicht sonderlich relevant, ob da Kirsche oder Cassis zu finden ist. Die viel wichtigeren Fragen lauten: Ist das Bouquet vielschichtig? Ist es intensiv? Sind verschiedene Aromen spürbar, oder ist der Wein eher eindimensional?
Gibt es objektive Kriterien, ob ein Wein gut ist – oder ist alles Geschmacksache?
Jeder muss für sich entscheiden, ob ihm der Wein schmeckt. Wenn ich dir einen Pinot noir gebe, und du magst Pinot noir nicht, nützt es auch nichts, wenn ich dir sage, er gehöre zu den Besten. Es gibt objektive Kriterien für die Qualität, aber ob er dir schmeckt, ist subjektiv. Was den Wein angeht, den ihr mir zum Testen gegeben habt: Die Qualität ist durchschnittlich, er hat eine aggressive Säure, im Gaumen bleibt eine Bitterkeit zurück.
Aus welchem Land?
Alte Welt, würde ich sagen, also Europa, aber kein Bordeaux. Vielleicht Spanien oder Italien, liege ich falsch?
Die Auflösung kommt zum Schluss. Hast du einen besseren Geschmackssinn als andere?
Ich habe einen guten bis überdurchschnittlichen Geschmacks- und Geruchssinn. Aber vieles kann man üben.
Ist dein Geschmackssinn nur auf Weine geeicht, oder spürst du auch sämtliche Aromen einer Kürbissuppe?
Ich reagiere auf alle Geschmäcke oder Gerüche, auch auf abgestandene Luft in Büros oder aufdringliche Parfums.
Sauvignon blanc schmeckt nach Stachelbeeren, haben wir gelesen. Wenn du umgekehrt Stachelbeeren isst, denkst du dann an Sauvignon blanc?
Ach was.
Wir haben ein paar Leserfragen gesammelt, die wir in unser Gespräch einstreuen wollen. Was es bedeute, wenn ein Wein reduktive Noten habe, will ein Herr Marco Gnielka wissen.
Ein reduktiver Ausbau eines Weins geschieht so, dass der Kontakt zu Sauerstoff so weit wie möglich vermieden wird. Ein vollständiger Ausschluss von Sauerstoff ist nicht erwünscht, weil die Hefen, die den Most vergären, Sauerstoff brauchen. Ist während der Gärung zu wenig Sauerstoff vorhanden, finden vermehrt andere Fermentationsprozesse statt. Das gilt es zu vermeiden. Es können eher unerwünschte Reduktionsnoten wie der Geruch nach faulen Eiern, nach Geranien oder unschöne medizinale Noten entstehen.
Angenommen, du sitzt im Restaurant und lauschst Männern, die über Weine diskutieren – es sind ja oft Männer –, was denkst du dann? Findest du dieses Pseudofachsimpeln über Tannin im Abgang nicht auch lächerlich?
Es kommt darauf an. Es gibt Angeber in der Weinszene, Männer und Frauen, weil es keine absoluten Wahrheiten gibt. Leute, die sich profilieren wollen mit Allerweltsaussagen, aber eigentlich keine Ahnung haben. Es gibt auch Snobs, die nur auf die Etikette, die Marke und die Preise schauen und denken: je teurer, desto besser. Diese Art zu denken liegt mir fern.
Was ist ein angemessener Betrag für eine Flasche Wein im Restaurant?
Bis 100 Franken finde ich okay. Darüber wird es selten besser.
Kann man sagen: Am Weingeschmack erkennt man den Charakter eines Menschen?
Ich kann mir vorstellen, dass jemand, der eher laut ist, einen opulenten Wein bevorzugt. Und umgekehrt eher Introvertierte zu leiseren Sorten tendieren, nicht zu viel Aromatik, wenig Holz und Körper.
Du gehörst zu Letzteren.
Ich mag die leisen Töne und bevorzuge filigranere, finessenreiche Weine.
Dazu passt die Frage von Inga Höppner, eine Leserin deiner Weinkolumne. Sie will wissen: Welche Weine trinkst du am liebsten?
Für mich muss ein Wein die Herkunftslage widerspiegeln, handwerklich hergestellt sein, und er muss elegant, vielschichtig und komplex sein. Ich trinke gerne Weine von unbekannten Gütern, sie müssen keine berühmten Namen tragen.
Gibt es gewisse Weine, an die du dich dein Leben lang erinnern wirst?
Ja. Château d’Yquem 1937 aus dem Sauternes. Oder Château Rayas aus dem Châteauneuf-du-Pape. Der Sauternes ist der berühmteste Süsswein, hat aber immer noch eine Säure. Ich weiss nicht mehr, vor wie vielen Jahren ich den getrunken habe. Aber er war sicher fünfzig Jahre alt. Dass ein Wein nach so langer Reife so präsent und so aromatisch sein kann, ist unfassbar. Es war ein Gänsehauterlebnis.
Bester Wein der Schweiz?
Wenn ich nur einen Namen sagen darf, dann: Pinot noir Le Lerin von der Domaine de la Maison Carrée aus Neuchâtel.
Dein teuerster Schluck Wein?
Schwierig. Ich habe zum runden Geburtstag einen La Tâche 1993 der Domaine de la Romanée-Conti geschenkt bekommen. Einen der grössten Burgunder. Ich besitze noch eine Flasche des 1993ers, den könnte ich auf Auktionen für einen hohen vierstelligen Betrag verkaufen, was ich aber nie im Leben tun würde. Ich trinke ihn lieber mit meinem Sohn, der dieses Jahr 30 wurde.
Wie viele Flaschen hast du im Keller?
Über tausend.
Hast du zu deinen Lieblingsweinen ähnliche Gefühle wie zu guten Freunden: Geht es dir nach einem schlechten Tag besser, wenn du sie siehst?
Ich gehe nicht in den Keller und schaue meine Weine an. Sie werden liegend gelagert in einer Wand mit Löchern.
Dein Altar.
Nix da. Man soll das alles nicht überhöhen.
Ob es im Piemont noch Geheimtipps gebe, will der Leser Michael Flaig wissen.
Die Appellation Roero würde ich nennen. Aus dem Piemont kennt man vor allem Barolo und Barbaresco, aber die sind teuer geworden. In dieser Appellation wird der Nebbiolo von der gleichen Traube angebaut, die auch für Barbaresco und Barolo gebraucht wird.
Jetzt einmal ehrlich, lieber Peter: Das Beste am Wein ist der Alkohol, also das Gefühl, etwas beduselt zu sein und nicht mehr alles so ernst zu nehmen. Korrekt?
Der Alkohol ist ein Geschmacksträger. Ich mag es nicht, beduselt zu sein.
Du greifst nach einem gestressten Tag nicht zu einer Flasche, sagen wir Pinot grigio, schenkst ein, lehnst dich zurück und denkst, die Welt kann mich mal?
Nein, das denke ich nicht. Und ich schenke mir auch keinen Pinot grigio ein. Dann halt Riesling. Ich bin sehr konsequent und trinke nicht zum Spass oder um abzuschalten. Ich trinke auch nie bei Degustationen, sondern spucke den Wein immer aus. Es gibt Ausnahmen natürlich, es gibt gute Essen und schöne Abende mit Freunden, da geniesse ich drei, vier Gläser.
Jährlich sterben in der Schweiz etwa 1600 Personen im Alter zwischen 15 und 74 Jahren an den Folgen des Alkohols. Hast du schon gedacht, als Weinakademiker Teil des Problems zu sein?
Ich, wieso?
Du verführst Menschen zum Alkoholkonsum. Wein, entzaubert ausgedrückt, ist nichts anderes als eine Droge.
Ich verführe die Leute, Geniesser zu werden. Wein ist doch keine Droge, sondern ein Kulturprodukt.
Die Ausrede kennen wir.
Es gibt kein Getränk, das facettenreicher ist, davon erzähle ich in meinen Weinseminaren: über die Entstehung, die Geschichte, die Lagerung. Ich weiss natürlich, dass Alkohol Teil des Weins ist, deshalb trinke ich sehr bewusst. Im Übrigen plädiere ich für Selbstverantwortung. Jeder muss wissen, was für ihn gut ist.
Beat Liniger fragt: Was meinen Sie, wenn Sie in Ihren Kolumnen von Trinkfluss sprechen?
Das hat viel mit der Säure zu tun. Ein Wein, der keine Säure hat, ist relativ flach. Säure ist animierend, beim Weisswein ist das sehr wichtig, ohne Säure wird er langweilig. Dasselbe gilt für den Rotwein. Ist das Verhältnis zwischen Körper, Alkohol und Säure harmonisch, spricht man vom Trinkfluss, der einen animiert, sich ein zweites Glas einzuschenken. Aber wenn du einen mastigen, marmeladigen Wein hast, bei dem du nach dem ersten Schluck unter dem Tisch liegst, ist der Trinkfluss gering.
Ich trinke Cola nur nach auslaugenden Tennisspielen.
Ob reinsortige Weine besser als Cuvées seien, fragt Jörg J. Grieger.
Es gibt von beiden hervorragende Weine. Viele denken, reinsortig sei besser, weil viele grosse Weine reinsortig sind: Pinot noir, Burgunder, Nebbiolo, Barolo, Barbaresco. Aber Bordeaux sind häufig Cuvées aus mehreren Sorten, dadurch erhalten sie mehr Komplexität. Es ist auch hier eine Geschmacksfrage.
Ein Wort, das alle beim Bestellen im Restaurant benutzen, ist «trocken». Kannst du für Weindeppen beschreiben, was das wirklich bedeutet?
Ein trockener Wein muss eine gute Säure haben. Er muss frisch sein. Er muss Körper haben. Trocken ist ein Begriff, der . . . also, das ist jetzt gar nicht so einfach.
Siehst du? Alle benutzen ihn, und nicht einmal du kannst sagen, was er bedeutet?
Ein trockener Wein hat keinen oder ganz wenig Zucker. In Deutschland gilt ein Weisswein immer noch als trocken, wenn er zwar neun Gramm Restzucker hat. Aber er muss in diesem Fall mindestens sieben Gramm Säure aufweisen. Der Grund liegt darin, dass ein Wein mit einer solch ausgeprägten Säure den Eindruck von Süsse reduziert.
Das haben wir jetzt nicht ganz verstanden. Versuchen wir es noch einmal: Kann ein Chardonnay, der als fruchtig gilt, trocken sein?
Der ist trocken.
Aber die Kellner fragen immer: Wollen Sie fruchtig oder trocken?
Die Frage ist Quatsch. Fruchtig wird fälschlicherweise mit süss gleichgesetzt.
Hilft uns jetzt auch nicht weiter. Stimmt es eigentlich, dass die Kellner beim Aufzählen der Weine immer den teuersten zum Schluss nennen, weil man sich an die ersten eh nicht mehr erinnert?
Gute Sommeliers empfehlen nie den teuersten Wein. Sie erkennen, wie viel der Gast für eine Flasche ausgeben will, und wissen, welche Weine vom Reifegrad her sich jetzt besonders gut eignen.
Ob man Weissweine dekantieren soll, fragt Tini Monggli.
Einen frischen und fruchtigen Weisswein kann man trinken, ohne ihn zu dekantieren. Wenn es ein jüngerer, komplexerer Weisswein ist, welcher im Barrique ausgebaut wird, wie ein Chardonnay zum Beispiel, darf man ihn dekantieren. Oder auch einen komplexen Riesling, wenn er jünger ist. Das gibt ihm mehr Luft zum Atmen und entfaltet die Aromen besser.
Wir würden gern mit dir ein paar Mythen aufräumen: Rotwein trinkt man nicht zu Fisch.
Falsch. Wenn der Rotwein fruchtig ist und wenig Tannin hat, wieso nicht?
Weisswein wird immer nur aus weissen Trauben produziert.
Falsch.
Weine mit Schraubverschlüssen können nicht gut sein.
Wieso nicht?
Rotwein trinkt man bei Zimmertemperatur.
Nein, weil die Zimmertemperatur heute höher ist als früher. Ideal sind 16 bis 18 Grad oder auch kühler, wenn es sich um frische, fruchtige Rotweine handelt, zum Beispiel einen Pinot noir, der im Stahltank ausgebaut worden ist, oder einen Beaujolais aus Gamay-Trauben.
Am Zapfen schnüffeln, das bringt gar nichts.
Gar nichts.
Darf man einen Eiswürfel in einen zu warmen Rotwein geben?
Man darf alles. Ob das Eis den Wein besser macht, wage ich zu bezweifeln.
Nur Weinsnobs glauben, es brauche die richtigen Gläser. Der Wein schmeckt immer gleich, egal, woraus man ihn trinkt, korrekt?
Ich mag keine Dogmen. Aber ich persönlich möchte zu einem guten Wein ein gutes Glas, in dem sich der Wein entfalten kann. Das hat nichts mit Snob zu tun. Ich will, dass der Wein das Glas bekommt, das er verdient. Es soll gross sein, dünnwandig und ja nicht aus Porzellan. Und ich will für Champagner auch keine dieser Schalen, aus denen die Kohlensäure im Nu verschwindet.
Was genau den Preis eines Weines ausmache, fragt Beatrice Gerber.
Da sind verschiedene Faktoren. Sicher einmal die Arbeit im Rebberg, ob es sich um Handarbeit oder Maschine handelt. Dann der Ausbau des Weins: im Stahltank oder in Holzfässern. Barrique verteuert den Wein. Ein neues Barrique kostet 1000 Franken. Dazu alle Personalkosten und schliesslich auch noch Marketing und Bekanntheitsgrad eines Weinguts.
Dein ultimativer Tipp für einen guten Wein um die 15 Franken?
Riesling 2020 vom Weingut Christmann aus der Pfalz.
Was hältst du von den ganzen Promis, die Weine machen, dem Sänger von Yello etwa, Dieter Meier?
Es gehört unter Prominenten beinahe zum guten Ton. Auch der Ex-Nationalbankchef Philipp Hildebrand hat ein Weingut in der Toskana, Günther Jauch und eben Dieter Meier. Was seine Weine angeht: Sie sind gut gemacht, schön rund, und sie sprechen viele Leute an. Mir fehlt das gewisse Etwas. Ich höre lieber seine Musik.
Wer deine Kolumnen liest, weiss: Du bist kein Fan von Naturweinen. Bist du zu konservativ?
Es gibt gute, sauber gemachte Naturweine von Markus Ruch im Klettgau zum Beispiel. Die sind biologisch angebaut, mit wenig Intervention im Keller, keine Filtration, keine Schönung, wenig Schwefel. Aber viele Naturweine sind unsauber, riechen nicht gut, sind fehlerhaft, gären zu lange. Wer das gerne trinkt, warum nicht? Aber für mich ist das nichts.
Was heisst eigentlich, ein Wein sei fehlerhaft?
Der grösste Fehler, den ein Wein haben kann, ist der Kork. Es gibt aber auch andere Fehltöne in der Nase wie Seife oder Pferdeschweiss, die kommen in erster Linie von der Vinifikation des Weins.
Der was?
Wenn ich das auch noch erklären müsste, wären wir morgen noch hier.
Beste Weinkarte in Zürich?
Restaurant Wunderbrunnen in Opfikon, die haben 130 Weine im offenen Ausschank.
Muss es zu Fondue im Restaurant immer diesen miesen Chasselas geben, oder geht auch was anderes?
Tee.
Wie gross die Unterschiede eines Jahrgangs seien, fragt Maja Siebrecht.
Wein schmeckt jedes Jahr ein bisschen anders. Wäre er immer gleich, könnte man auch Cola trinken. Der Jahrgang hängt im Wesentlichen vom Wetter ab, während der Zeit von Frühling bis Herbst und dann bei der Ernte. Ein Beispiel ist der Bordeaux 2022, ein überdurchschnittlich warmer Jahrgang. 2021 dagegen war es kühl, aber wenig regnerisch. Aus 2022 gibt es kräftige, alkoholreiche Weine, während die Crus in 2021 mittelschwer und elegant ausfallen.
Darf ich mal sehen? Es sind maschinell geerntete Trauben aus verschiedenen Gemeinden, egal ob reif oder nicht, da wird alles in den Kelter geschmissen, auch die Blätter. Der Most wird vergärt und nach einem relativ kurzen Ausbau abgefüllt. Darum ist der Wein eher fruchtig, bescheiden und von mittelmässiger Qualität. Was das Land anging, lag ich nicht schlecht.
Was ist besser als Wein?
Wasser. Nicht besser, aber gleich gut.
Zum Schluss wird’s makaber: Welchen Wein gibt es bei deinem Totenmahl?
Château Margaux. Schön wäre ein exzellenter Jahrgang wie 2000 oder 2005. Dank diesem Wein bin ich Weinjournalist geworden.
Wer weitere Wein-Fragen an Peter Keller stellen will, erreicht ihn per E-Mail:
wein-keller@nzz.ch
Bemerkung: Ähnlichkeiten mit im Vorspann erwähnten Personen zu real existierenden, sind rein zufällig.