Adolf Mattmann, Patissier – Titanic

Patissier Adolf Mattmann geht im Eismeer unter, Kellner Hans Lutz aber nicht

Von Beat Waldmeier, Union Helvetia bzw. Hotellerie et Gastronomie Zeitung 9.6.2011, Seite 18

aktualisiert: 18.02.21/odh

Die Mitglieder der Union Helvetia leben manchmal gefährlich, aber der Tod eines Mitgliedes machte weltweit Schlagzeilen.

Am 12. April 1912, also vor etwas mehr als 99 Jahren, ging die «Titanic», das damals modernste Passagierschiff, auf der Jungfernfahrt unter. Auch die Union-Helvetia-Zeitung berichtete über diese Katastrophe. Unter den 1688 Toten befänden sich eine grosse Zahl Schiffskellner und Köche, auch einige schweizerischer Nationalität, vermeldete die Zeitung am 25. April 1912.

«Unsere Schweizer befahren die Meere, sind überall, wo das moderne Gasthaus- und Restaurationswesen in Blüte steht. Viele unserer Landsleute und Mitglieder unseres Vereins stehen auf den grossen Ozeandampfern in Arbeit als Kellner oder Köche. So darf es uns nicht wundern, wenn wir auch unter den Opfern des gesunkenen Luxusschiffes «Titanic» einen der unsrigen zu beklagen haben:
Adolf Mattmann, Pâtissier.»

Sein Körper wurde nie gefunden. Geboren im Jahre 1891 zu Inwil im Kanton Luzern sei er im August 1911 der Union beigetreten. Er habe sich im letzten Herbst nach England begeben, wo er sich später als Schiffspâtissier für die «White Star Line» verpflichtete. «Er machte die erste unglückliche Fahrt des Dampfers mit und fand im tiefen Ozean sein Grab.» Das einstige Mitglied der Union Helvetia, Adolf Mattmann, war ein typischer Vertreter der damaligen Helvetianer-Generation. Er lernte bei Karl Häberli in Luzern sein Handwerk als Pâtissier, arbeitete danach in Freiburg, um Französisch zu lernen, absolvierte die Sommersaison im «Löwen» in Weggis und begab sich dann nach England. Er arbeitete auf der «Olympic» (Wikipedia), dem fast identischen Schwesterschiff der «Titanic», und wäre nach zwei Fahrten auf der «Titanic» von einem Londoner Hotel angestellt worden. Dazu kam es nicht mehr. Am 28. April 1912 erschien im Luzerner Tagblatt die Todesanzeige, zwei Tage später fand ein Trauergottesdienst statt, dies ohne leibliche Hülle von Mattmann, dessen Körper nie gefunden wurde.

Adolf Mattmann, 1881-1912
Adolf Mattmann von Inwil 1881-1912

Der Luzerner Pâtissier, Angestellter auf dem grössten Luxusdampfer, überlebte das Unglück auf der «Titanic» nicht. Adolf

Ergänzt wird die Mitteilung in der Union-Helvetia-Zeitung vom 2. Mai mit einem Satz, dass der Koch Alexis Bochatey aus Salvan im Wallis ebenfalls gestorben sei. Wieder zwei Wochen später dann die nächste Meldung: «Unter den Opfern befand sich auch ein junger Graubündner Namens Zanetti, der auf dem grossen Dampfer Chef de restaurant war. Zanetti, ein Neffe des schweizerischen Grosskonsuls A. Mengotti in Madrid, war in Genf aufgewachsen.» (Richtig ist: Zanetti war Hilfskellner.)

Auf der «Titanic» versahen mehrere Schweizer ihren Dienst. Doch der Traumjob entpuppte sich für einige als Alptraum: Acht von ihnen überlebten ihre letzte Reise nicht und starben im Polarmeer.
Auf der «Titanic» versahen mehrere Schweizer ihren Dienst. Doch der Traumjob entpuppte sich für einige als Alptraum:
Acht von ihnen überlebten ihre letzte Reise nicht und starben im Polarmeer.

Auf den Spuren des Schwindlers
Eine kleine Verspätung habe dem Kellner Hans Lutz, Sohn des Herrn Samuel Lutz, Briefträger in Rheineck, das Leben gerettet. «Er hatte mit zwei Freunden als Kellner auf der versunkenen ‹Titanic› Dienst genommen, verspätete sich jedoch bei der Abreise des Dampfers um einige Minuten; seine beiden Freunde, die rechtzeitig eintrafen, sind mit der ‹Titanic› untergegangen. » Die genauen Passagier- und Mitarbeiterlisten zeigen nicht nur, wer mit dem Schiff untergegangen ist, sondern auch jene, welche die Abreise verpasst haben. Unter den 30 bis 40 der 899 Angestellten, die beim Start fehlten, war aber jener erwähnte Hans Lutz nicht. «Es gibt mindestens so viele, die behaupteten, das Schiff verpasst zu haben, als auch tatsächlich Untergegangene », sagt Günter Bäbler, Autor des Buches «Reise auf der Titanic» (Chronos Verlag, Zürich, 1988), welches das Schicksal der Schweizer Passagiere und Angestellten beleuchtet. War es nur die Aufmerksamkeit oder erhofften sich jene Schwindler auch materielle Vorteile? Im Falle von Hans Lutz muss dies offen bleiben. Zwar lässt sich herausfinden, dass Johann Jakob Lutz, Sohn des Samuel Lutz, am 13. Februar 1890 in Rheineck geboren wurde. Seine Eltern Samuel (1856–1932) und Anna (1856–1925) und seine Schwester Rosa (geboren 1885, verheiratet mit dem Coiffeur Albert Flach, geboren 1882) blieben zeitlebens in Rheineck, die Spur des Hans Lutz aber verliert sich im Dunkel der Zeit, auch weil von diesem Familienzweig der Lutz’ niemand mehr in Rheineck wohnt. Eine Gemeinsamkeit von Schwindler Lutz und Unglücksmann Mattmann ist bei aller Gegensätzlichkeit, dass sowohl Vater als auch Mutter der beiden im selben Jahr starben.

Auch mehrere Tessiner Opfer
Was die Redaktion der Union-Helvetia-Zeitung auch nicht erkannte: Es waren – neben zum Teil überlebenden 18 Passagieren – noch fünf weitere Schweizer Mitarbeiter auf der «Titanic», die alle beim Unglück starben. Es waren Johannes Vögelin-Dubach (Basel), Gerald Grosclaude (Fleurier), Narciso Bazzi (Brissago), Alessandro Pedrini (Osco) und Abele Rigozzi (Aquila). Sie waren Kellner. Die ersten beiden dienten auf dem Veranda-Café, die letzten drei im A-lacarte- Restaurant. Bäbler hat das Leben der acht Unglücklichen minutiös nachverfolgt, auch anhand von Briefen mit Verwandten. «Bochatey amtete in der Küche als Sous-chef in der ersten und zweiten Klasse und war einer der 30 Bestverdienenden auf dem Schiff». Er erhielt laut Bäbler 10 Pfund pro Monat (umgerechnet ungefähr 253 Franken) und war als Einziger der acht regulär, sprich direkt angestellt, Mattmann dagegen erhielt einen Wochenlohn und wurde wie die anderen vom Pächter des Restaurants angeheuert. Während bei Ingenieuren und Seeleuten praktisch keine Ausländer, sprich Nicht-Engländer, auf dem Schiff arbeiteten, war der Anteil der Ausländer in der Gastronomie viel höher. Bäbler begründet dies mit dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Seeleute und Ingenieure, aber auch mit dem schlechten Ruf der englischen Küche.

***

Das letzte Menü (aus der Berner Zeitung)

Alles über die letzten Stunden an Bord der Titanic wurde später minuziös aufgearbeitet. So ist auch das unmittelbar vor dem Untergang in der First Class servierte Menü in allen Details bekannt. Der Oberaargauer Männerkochclub «Fyn Quisine» hat genau diesen Elfgänger in der Schulküche Bützberg kürzlich nachgekocht. Der darauf folgende Kochabend stand dann allerdings mit Blick auf die Vereinskasse unter dem Motto «M Budget».

Das elfgängige Menü: 1. Canapés à l’Amiral mit Garnelen;
2. Consommé Olga; 3. pochierter Lachs mit Schaumsauce; 4. Hühnchen Lyonnaise mit Kürbis-Eierbrötchen; 5. gebratenes Lendensteak mit Sauce Forestière; 6. Punch Romaine mit Zitronensorbet; 7. gebratenes Täubchen auf Kresse; 8. Spargelsalat mit Champagner-Safran-Vinaigrette; 9. Trüffel-Leberpastete an Salat Waldorf; 10. Eclairs mit Schokolade und Vanillecreme; 11. Frischobst und Käse.

*****

Neue Titanic-Theorie: Schuld war nicht nur der Eisberg

«(…) Knapp 105 Jahre nach der Kollision kommt eine neue Theorie zum Titanic-Desaster auf den Plan. Der Untergang der RMS Titanic sei nicht allein auf den Eisberg zurückzuführen, sondern auf ein Feuer von gigantischen Ausmaßen in einem der Kohlenbunker des Riesendampfers. Das behauptet zumindest der irische Journalist Senan Molony, der über dreißig Jahre Recherchearbeit in die Frage investiert hat, was am 14. April 1912 wirklich geschah.

Dass es im Schiffsrumpf wochenlang gebrannt haben soll ist keine neue Erkenntnis. Schon öfter war in der Titanicforschung von einem Feuer im Kohlenbunker die Rede – einem Lagerraum von der Höhe eines dreistöckigen Hauses, direkt hinter den Kesselräumen. 2008 hatte Ray Boston die These vertreten, dass das Feuer während der letzten Hochgeschwindigkeitstests in der Irischen See vor Belfast ausgebrochen sei – also spätestens zehn Tage vor dem Auslaufen aus Southampton. Auch im offiziellen Untersuchungsbericht von 1912 kommt der Brand vor, spiele aber keine große Rolle. Der Eisberg sei schuld – höhere Gewalt. So einfach war es aber nicht, sagt Molony….)»

Titanic mit Rauch am Rumpf, Foto, Ulster Folk & Transport Museum

*****

Ein Vergleich einst zu heute = Titanic zu modernem Kreuzfahrtschiff

Titanic im Vergleich zu einem Kreuzfahrtschiff 2020z380 VGL Bild: Seetours
Ein Grössenvergleich
Titanic auf Flugzeugträger

*****

Adolf Mattmann, der Onkel meiner Frau Brigtte zog es in die Ferne. zurück blieb eine Holztruhe die als «Reisekoffer» diente.

Stammbaum anklicken !

Stammbaum Familie MATTMANN von Inwil, 3 Generationen von 1824 bis 1979
Stammbaum Familie MATTMANN von Inwil, 3 Generationen von 1824 bis 1979, unterste Linie, 3. v. links: Adolf Mattmann, der Onkel von Brigitte Odermatt-Mattmann

Der Untergang des damals grössten Schiffes der Welt am 15. April 1912 war auch in den Luzerner Zeitungen ein wichtiges Thema. Im  «Vaterland» erschienen am 17. April 1912 erste Kurzmeldungen, danach gab es über Wochen hinweg unter dem Titel «Untergegangen» zahlreiche weitere Meldungen. Das Ereignis hinterliess auch im Staatsarchiv einige Spuren. Lesen Sie unter:

Staatsarchiv Luzern – Titanic

Zur weiteren Verwandtschaft der Mattmann’s gehört der «Gasthof Tell» in Gisikon.  Aus der Geschichte:  «(…) Am 7. November 1902 erwarb Burkard Mattmann von Inwil die Wirtschaft zum Wilhelm Tell für Fr. 77’000.– auf den 1. Mai 1903. Seither ist der inzwischen mehrfach umgebaute und um ein Motel erweiterte Betrieb in der 3. Generation im Besitz der Familie Mattmann. Seit 1. Januar 1995 wird der Gasthof Tell in Pacht durch die GAMAG MANAGEMENT AG LUZERN geführt. Die Führung des Motel Tells gegenüber obliegt noch immer der Familie Mattmann bzw. Peter Mattmann. Berühmte Gäste im Tell: 1846 Hermann von Vikari, Erzbischof von Freiburg im Breisgau 1987 Bundesrat Kaspar Villiger, damals allerdings noch in seiner Eigenschaft als Ständerat.)» (Quelle: Einwohnerhandbuch Gisikon – Sept. 1997)

Weitere Infos:


One thought on “Adolf Mattmann, Patissier – Titanic”

Schreiben Sie einen Kommentar

Genau hingeschaut