04 Der Überfall in Nidwalden im Jahre 1798


«(…) Bedenklichkeiten infolge Zufriedenheit mit der alten Verfassung

Eine andere Schwierigkeit, das Volk von Nidwalden, wie jenes der übrigen Urkantone für diese entworfene Konstitution zu gewinnen, war die Zufriedenheit desselben mit seiner alten Verfassung. Nidwalden glaubte mit Recht, es wäre schon das freie Volk in Europa. Die freien Männer des Landes bildeten den Gesetzgeber. Jeder rechtliche Landmann konnte zu Ämtern wählen und gewählt werden. Die Gesetze waren nach den Bedürfnissen des heimatlichen Bodens abgefasst; die Gerichte geeignet, rasch und wohlfeil zu sprechen. Weise Rahtsbehörden leiteten die Staatsgeschäfte. Über Rechtspflege hatte weder der Fremdling noch der Einheimische zu klagen. Für Beide war das gleiche Recht. Von Staatsabgaben wussten die Einwohner nichts. Das Zeughaus und das Kriegswesen waren nach Kräften gut bestellt. Die Landsleute , an ihre Gesetze, Formen und Gebräuche gewöhnt, lebten im Hirtenleben ruhig dahin. Der Nidwaldner, vergnügt in glücklicher Vergessenheit vor der grossen Welt, im friedlichen und stillen Schosse seiner Familie, seiner Freunde und Verwandten, dachte kaum ausser seine Grenzen hinaus, und es gelüstete ihn nicht nach dem weichlichen Leben der Städte. Wie nun Einer unwillig wird, der sein gewohntes Kleid ausziehen und gegen ein fremdes und ungewohntes tauschen soll, eben so unwillig war das Volk von Nidwalden, als es nur ahnte, eine ganz verschiedene und fremde Staatsverfassung sich anpassen zu sollen.
Das Bild des friedlichen, in Harmonie und «in glücklicher Vergessenheit», ruhig dahin lebenden Nidwaldner Hirten ist wohl zu blumig beschrieben. Nidwalden war ein Agrarland, das seine Bevölkerung schon im späten Mittelalter nicht zu ernähren vermochte. Bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand die ansässige Bevölkerung zu 95% aus Landleuten. Und die meisten (etwa 85%), lebten in den Gemeinden, wo sie ihr Bürgerrecht hatten. Die meisten hatten ein Mitspracherecht an Landsgemeinde und Uerteversammlungen wie kaum anderswo. Viele suchten ihr Glück im Reislauf, in fremden Kriegsdiensten

«(…) Bedenklichkeit der grossen Opfer, die gefordert wurden

Die Opfer, welche diese helvetische Konstitution forderte, schienen dem Volke grösser als die Vortheile, die sie ihm zu wählen versprach. Hart musste es den freien Ländler ankommen, seine gesetzgebende Gewalt grösstentheils fremden Händen anzuvertrauen, und von denselben Vorschriften zu erwarten, die voraussichtlich für des Volkes Charakter und des Landes Bedürfnisse nicht passend ausfallen würden. Schwer musste es einem freien Manne fallen, einheimische Richter und Gerichte und einen raschen und wohlfeilen Rechtsgang gegen ausländische Richter und Gerichte unter grösseren Kosten zu vertauschen. Das lastenledige Nidwalden konnte sich wie billig nicht so geschwind entschliessen, den Druck von Staatssteuern und Abgaben aller Art sich aufladen zu lassen, von denen man im Lande bis jetzt ganz frei war. Nur mit Missmuth sah man so vielen neuen und kostspieligen Einrichtungen entgegen., die der fragliche helvetische Staatsentwurf erheischte. Das Abändern im Militärwesen fand grosse Beschwerden. Man fürchtete, durch die Einheitsregierung in seinem Bestande und mit seinen Rechten verschlungen zu werden. Man schützte vor, wenn das eigene Schalten und Walten im Lande ein Ende bekommen sollte, so würde manchen Umständen nicht mehr Rechnung getragen werden können. Es wurde in Anregung gebracht, wäre das helvetische Bürgerrecht einmal überall festgesetzt, dann möchten reiche Ausländer das Land beziehen, und Güter und Höfe an sich bringen und für den Landmann Verdienst und Gewerbe darnieder drücken. Man stelle sich vor, wie es dem Volke wehe thun musste, mit einem Federstrich seine Landesfarbe, seine Wappen und Staatsinsignien abgeändert zu sehen. Etwas ganz Ungewöhnliches waren dem Nidwaldner die in der neuen Verfassung enthaltenen Grundsätze, Kantonseintheilungen, Behörden und Namen der Beamten. Denn das Volk hatte sich gleichsam mit seiner Muttersprache die Landessgemeinden, die Räthe, die Gerichte, die Landammänner und Rahtsherren zu nennen angewöhnt und eingeübt, und nun sollte es alles Dieses nicht nur nicht mehr haben, sondern auch nicht mehr nennen dürfen. Dieses Hirtenvolke sollte jetzt Urversammlungen, Wahlmänner, Munizipalitäten, Agenten und Präsidenten bekommen und sie geläufig zu nennen sich angewöhnen. Wie schwer musste nun alles Dieses einem freien Manne vorkommen! Musste eine solche neue Einrichtung nicht nicht gleichsam wider den Strom laufen? Bis jetzt wählten die Urkantone ihre Vorsteher und Oberhäupter , ihre Rahtsherren und Richter selbst und zufolge der neuen Verfassung sahen sie sich in den wichtigsten Wahlen beschränkt, und fürchteten daher, Vorsteher zu erhalten, die eher ihre Dränger, als ihnen gewogen sein mochten. Waren aber alle diese Besorgnisse nicht wirklich begründet genug, grosse Bedenklichkeiten gegen den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung von 1798 zu erregen? Wir dürfen so ziemlich überzeugt sein, dass gerade Jene, die jetzt dieses Volk um seiner Bedenklichkeiten willen anklagen, selbst auch das gleiche Bedenken tragen würden, wie die von ihnen Angeklagten getragen haben, sofern ein Entwurf wiederum zum Vorschein kommen sollte.

Bedenklichkeiten rücksichtlich der gewaltthätigen Einführung der Konstitution

Wirklich empörend, oder wir möchten lieber sagen, ganz widerrechtlich waren die Art und die Mittel, die am Ende dieses Entwurfes zu dessen Einführung angegeben und bestimmt werden. Die unter ihren gesetzlichen und rechtlichen Herren und Oberen stehenden Gemeinden wurden im zwölften Titel durch Belehrung angewiesen und verführt, wie sie sich ihrer Untergebenen und ihres Gehorsams losmachen und frei erklären, und die neue Verfassung in Thätigkeit setzen sollen. Hier der Nachweis:

Zwölfter Titel“

Mittel, die Konstitution in Thätigkeit zu setzen.“

Erster Artikel.“ „Wenn sich in einer Gemeinde, es sei Stadt oder Dorf, oder in einem Kanton eine gewisse Anzahl von Bürgern befindet, welche entschlossen sind, in die Ausübung der mit der Freiheit und Gleichheit verknüpften Rechte, so sie von der Natur her haben, wiederum zurückkehren wollen, sollen sie sich durch eine Bittschrift an die Obrigkeit wenden, damit ihnen erlabt werde, sich mit den Primärversammlungen zu vereinigen, um über die Annahme oder Verwerfung obiger Konstitution zu berathschlagen und ihre Wahlmänner zu ernennen.“
Wenn die Obrigkeit die Bittschrift verwirft, so geben die Anhaltenden eine zweite ein, welche soviel wie möglich mit frischen Unterschriften versehen sein soll.“

Zweiter Artikel.“ „Wenn die zweite Bittschrift neuerdings von der Obrigkeit verworfen wird, oder wenn mehr als drei Tage verlaufen, ohne dass drüber gesprochen worden, so erklären sich die darin Unterschriebenen, als wären sie in alle ursprünglichen Gleichheitsrechte von jedem gesellschaftlichen Korps wiederum eingesetzt.“

Dritter Artikel.“ „Zufolge dessen sollen sie sogleich Berufsbriefe an Gemeinden und an die schon bestehenden Sektionen der kantonsgemeinden abgehen lassen, um sich zu dem Ende, wie oben gemeldet ist, in Primärversammlungen zu bilden u.s.w..“-
Wären nun diese Grundsätze im Völkerrechte anwendbar, keine rechtliche Gesellschaft würde bestehen können. Durch diese obigen schlechten Prinzipien sind Fürsten und Könige gestürzt worden. Und vielleicht trugen diese Grundsätze nicht wenig bei, dass später die Gemeinde Hergiswil von ihrem rechtlichen Mutterlande Nidwalden sich trennte, oder dass einzelne Bewohner von Gemeinden sich unterstehen durften, im Namen ihrer Gemeinden noch vor dem 9. Herbstm. 1798 mit dem französischen General Schauenburg zu kapitulieren, wie ein Beispiel vorfiel.
Ferners versprach der Konstitutionsentwurf allen seinen Beförderern und Aufständischen wider die alte Ordnung der Dinge Vergütung alles daraus erwachsenden Schadens, *) und schloss hingegen die auf der bisherigen Ordnung Bestehenden nicht nur von allem Schadenersatze aus, sondern machte ihnen noch grosse Drohungen von Ungnade, die sie zu erwarten hätten. Diese abschreckende Gewaltthätigkeit mag man aber in der Stelle selbst betrachten, welche wir deshalb hier anführen wollen.

*) Nach dem 9. Herbstm. 1798 wurde der Staatsentwurf in Nidwalden überall genau eingesammelt, um den beschädigten Konstitutionsanhängern diesen Artikel vom Schadenersatze aus den Händen zu reissen.

Erster Titel

Hauptgrundsätze

Artikel 10. „Ein Jeder, so aus Folge gegenwärtiger Konstitution das Einkommen einer Stelle oder Pfründe verlieren würde, soll vergütungsweise eine lebenslängliche Rente erhalten, die Jahre ausgenommen, allwo ihn eine ergiebige Stelle oder Pension auf eine billige Art entschädigen würde. Es sind jedennoch von aller Entschädigung oder Vergütung ausgeschlossen Diejenigen, welche von Kundmachung des Konstitutionsplanes an gerechnet, sich der Annahme einer weisen politischen Gleichheit zwischen den Bürgern und Unterthanen, und des Systems der Einheit und der Gleichheit zwischen den Mitgliedern des allgemeinen Vaterlandes widersetzen würden. Vorbehaltlich annoch zu seiner Zeit die schärferen Mittel gegen Diejenigen zu ergreifen, deren Widerstand durch sich durch Arglist, Meineid und Boshaftigkeit ausgezeichnet hätte“.

Wie ehrlich und redlich dieser Artikel vollzogen wurde, erhellt einer aus Nidwaldens Munizipalität den 13. Jänner 1800 an den Kantonsstatthalter Vonmatt gerichtete Schrift, worin sich die beschädigten Konstitutionsmänner ausdrücken, „dass man ihnen viel versprochen, und wenig gehalten habe.“

Über alles hin verdient aber bemerkt zu werden, dass der neuen Staatsverfassung ihre Patrone selbst keine lange Dauer zutrauten, indem sie im 11. Titel, Artikel 106, schon zum Voraus Grundsätze zur Abänderung derselben festsetzten.

Der Senat“, heisst es, “schlägt diese Abänderung vor.“ „Die hierüber gemachten Vorschläge aber werden nicht eher zum Schlusse, als bis zweimal dekretiert worden, wobei zwischen dem ersten und dem zweiten Dekret ein Zeitraum von fünf Jahren vorhergehen und verstreichen muss. Seine Schlüsse müssen nachgehends von dem Rathe der Zweihundertvierzig verworfen oder genehmigt und nur im letzten Falle der Annahme oder Verwerfung der Primärversammlungen zugeschickt werden.“

Wie hätte nun das Volk von Nidwalden seine fünfhundertjährige Verfassung an ein solches morsches Werk, wie die neue helvetische eines zu sein schien, so leicht und gerne abtreten sollen? Bedenklichkeiten rücksichtlich der schlechten Früchte dieser Konstitution

Lassen wir jetzt aber alle dies Bedenklichkeiten in ihrem Werthe oder Unwerthe dahingestellt sein. Frage man lieber nach den Früchten, die diese gleiche Staatsverfassung in anderen Ländern schon hervorgebracht habe. Einen Baum soll man an seinen Früchten erkennen, ob er gut oder böse sei. So urtheilte das Hirtenvolk von Nidwalden , als es von diesem Entwurf hörte, und die Erfahrung hatte ihm wenig Gutes aufzuweisen. Man wusste allbereits bei uns, welche fürchterliche Revolution die Freiheit und Gleichheit in Italien, in den Niederlanden, und in Savoyen gestiftet hatte. Man wusste, welche Unordnungen aus dieser gewaltthätigen Staatsumwälzung entstanden, und welchen unersetzlichen Schaden in diesen Gegenden das Ganze dadurch erlitten hat. Noth, Armuth, Druck Verfolgungen, Partheihass, Unzufriedenheit, Stockung des Handels und Unordnungen von allen Arten, waren der Freiheit und Gleichheit auf dem Fusse gefolgt. Lasset aber dieser schlechten Früchte aus Frankreich her selbst uns überzeugen. Eine im Anfang des Monats Mai 1793 ausgegangene Pariser Schrift hat unter Anderem auch folgende kurze aber treffliche Züge von den Früchten der dortigen neuen Konstitution gezeichnet: „Frankreich scheint unter einen anderen Himmelsstrich versetzt zu sein, und Paris jetzt da zu liegen, wo sonst Algier und Tripolis lag. Wer Augen hat zum Sehen, muss dies bemerken. Der republikanische Geist, den die Franzosen nicht haben, aber ihn zu haben brüsten, hat neue Partheien erzeugt, die mit der grössten Wuth übereinander herfallen, und mit unerhörter Grausamkeit sich selbst aufreiben. Verzweiflung gibt den Oberhäuptern der Partheien die gewaltsamsten Mittel an die hand, ihre Pläne durchzusetzen…. Wenn man bestimmen sollte, welche Regierungsform Frankreich jetzt hat, so müsste man ein neues Wort erfinden. Anarchie ist da zu Hause. Niemand regiert, weil Alles regiert. Frankreich ist in 44’000 Republiken getheilt, denn jede Munizipalität thut in ihrem Bezirke das, was sie für gut hält, und bekümmert sich wenig um die Gesetze…. Das Volk leidet jetzt an Allem. Selbst die nothwendigsten Lebensbedürfnisse feheln ihm. Der Handel, welcher schon seit dem Anfange der Revolution zu sinken begann, liegt ganz darnieder, und dadurch ist die Industrie getödet, welcher dieser Staat sonst seinen blühenden Zustand grösstentheils verdankte.“

In einer anderen Schilderung von Paris hiess es: „ Statt dass es ehedem 400 Schulen in Paris vollgefüllt waren, ist jetzt kaum eine, von der man sagen könnte, dass sie Schule sei und von Schülern besucht wird. Die Zerrüttung der Ordnung im Staate, die Gährung im Volke, die Ausschweifung von Jung und alt, die Verspottung der Gesetze, die Verachtung der Religion, der herrschende Blutdurst, die allgemeine Raubgier, das sind die Ursachen, welche alle vereint die Wirkungen hervorbringen, dass man der Jugend vergisst, und sie ohne Lehre und Zucht ihrem Schicksale überlässt. Die Schulgebäude reisst man nieder, die Lehrer erhalten keinen Sold mehr, werden vertreiben, oder gezwungen lasterhafte Grundsätze anstatt der Tugend Lehren zu verkünden. Man hört nichts als Aufruhr in eben den Sälen predigen, wo sonst der Wahrheit und der Tugend das Wort gesprochen wurde. Die Pressen lassen nicht mehr Werke, die das Herz bessern und den Verstand aufheitern, sondern Schriften, welche Finsternis, Unordnung und Laster zu verbreiten bestimmt sind. Pasquille, welche die Ehre des Bürgers nicht schonen, und Scharteken, die Gott und seine heilige Religion lästern.“

Man zeigte im Nationalkonvente an, und bewies, dass die vorige Regierung (unter den Königen) in hundert Jahren bei weitem nicht so viele Verhaftungen und Hinrichtungen zählte, als die gegenwärtige in Wochen. …. Vom 10. Augustm. 1792 bis zum nächsten Christmonat wurden einzig zu Paris wenigstens 1000 Personen beiderlei Geschlechts auf Befehl des Gemeinderathes, dessen Regent der Jakobinerklub war, ohne allen ordentlichen Prozess in der Nacht still gefangen genommen und an heimlichen Orthen hingerichtet u.s.w.“ Diese beiden Schriften hatte 1798 Hr. Kaplan Kaiser in Stans, und sie wurden von Geistlichen und Weltlichen gelesen.

Und nun frage ich, kann man es wohl dem Volke von Nidwalden verübeln, wenn es sich wehrte und sperrte, Frankreichs bittere Früchte auch in seinem Vaterlande zu verkosten? Kann man dieses dem Volke verübeln?. Ich habe diese Sachen alle nicht gewusst, wird mancher Leser sagen. Aber warum urtheilst Du denn in Deiner Unwissenheit?

Bedenklichkeiten über die damalige Treulosigkeit.

Prüfen wir aber auch eine andere Frage, die man zur Zeit der helvetischen Staatsumwälzung in Nidwalden aufwarf. Was sind denn das wohl für Leute, fragten unsere Hirten, mit denen wir es jetzt zu thun haben sollen? Diese Frage liess sich wirklich stellen, denn in Frankreich selbst war die damalige Regierung ihres Daseins nicht einmal auf ein kommendes Jahr versichert. Eine Parthei stürzte die andere. Alles war schwankend und die Zerstörung liess sich überall sichtbar blicken. Wie also, hiess es, mit einem Reiche in Gemeinschaft treten, das in sich selbst zerstört ist? Wie eine Staatsverfassung annehmen, die selbst unter Frankreichs besserem Himmelsstriche nicht gedeihen wollte? Die Willkür der Franken war damals auch weltkundig. Wenn z. B. mit einem französischen Kommissar heute unterhandelt wurde, so kam morgen wiederum ein anderer, und gefiel es ihm nicht, so machte er durch alles Verabredete einen Strich. Auf das Wort dieser Zeitmänner konnte niemand fest bauen. Wer hätte also im Besitze hundert jähriger Rechte nach einer Verfassung von so zweifelhafter und kurzer Garantie lüstern sein sollen? Klagten nicht selbst andere Nationen, dass ihnen die Franzosen nur wenig oder nichts von dem hielten, was sie doch mit Siegel und Brief verheissen hatten? Solche Vorgänge liessen sich freilich für das Volk von Nidwalden wohl bedenken, und es überdachte sie auch wirklich wohl.

Bedenklichkeit aus der Heiligkeit seiner Rechte

Eines der grössten Bollwerke, hinter welchem sich die Nidwaldner, Urner und Schwyzer etc. noch lange sicher glauben mussten, war ihre rechtliche und anerkannte Selbständigkeit. Dieses Hirtenvolk gründete sich auf die Heiligkeit seiner Rechte, und war überzeugt, dass dieselben von einer immer nur der Gerechtigkeit sich rühmenden Nation nie würden angetastet werden. Man huldigte dem Grundsatze: Frankreich und die von ihm revolutionierten Kantone können den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung vorlegen, aber Zwangsrecht haben sie keines, denselben annehmen zu machen. Wahrlich, in dieser wichtigen Rücksicht steht das Recht durchaus auf Seiten der Nidwaldner. Wir ziehen hier die Bemerkungen, welche 1798 in Nidwalden einzeln über diesen Entwurf gemacht wurden, in ein Ganzes zusammen: „Was haben die Franzosen und ihre Anhänger ,“ so sagte man, „ für ein Recht, uns eine neue Konstitution aufzudringen? Haben wir nicht schon eine Konstitution oder eine bürgerliche Landesverfassung bei der wir bereits viele Jahrhunderte , und selbst noch in den 1790ger Jahren uns glücklich und zufrieden befanden? Ja, was haben die sogenannte grosse Nationen und ihre servil Ergebenen für ein Recht, von uns mit Gewalt zu begehren, dass wir ihnen zu lieb auf unsere Oberherrlichkeiten, Rechtsamen und Freiheiten, Gewalten und Gerichte, auf Gesetze und Verfassung , auf Land und Leute u.s.w. verzichten, und uns ihnen gleichsam unterwürfig machen? Sind wir nicht ein rechtliches, selbständiges und freies Volk, das seine Freiheiten von Vätern und Vorvätern ererbt und Jahrhunderte besessen hat? Unsere Ahnen haben dieselbe oft mit Gut und Blut vertheidigt und befestigt, so dass durch einen eigenen Artikel des Westphälischen Friedensinstrumentes vom Jahre 1648 die Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit der schweizerischen Eidgenossenschaft, und folglich auch die unsere, feierlich anerkannt und ausgesprochen wurde? Was haben nun die Franzosen und ihre Anhänger für ein recht, uns diese Freiheit und guten Gewohnheiten abzufordern, in denen wir geboren, erzogen und aufgewachsen, und an die wir gewöhnt sind? Wie, wenn wir dieses von der grossen Nation und von ihren Anhängern auch fordern würden? Und wir sollten jetzt geradezu unsere Einwilligung hiezu geben? Hat doch jeder gemeine Mann das Recht, um seinen Rock, um sein Haus und Heimat sich zu wehren. Warum sollte uns, einem selbständigen Volke, eine Einsprache gegen die Annahme einer neuen Staatsverfassung nicht gegönnt sein?“—

Konnte wohl ein freies Volk eine rechtlichere Sprache führen, als diese? Welche Haushaltung lässt sich so leicht von einem Nachbarn seine Hausordnung aufdringen und einführen? Drohe man einem Kinde seine Puppe zu nehmen, für die es Sinn und Herz hat, und es wird sich sträuben und sogar zu schreien anfangen. Und gerade dem Nidwaldner Volke war seine Verfassung Lieblinhgssache. Trugen aber nicht auch andere Länder und Kantone, wie .B. Uri, Schwyz, Zug, Glarus, Appenzell, St. Gallen u.s.w.die gleichen Bedenklichkeiten, und glaubten auch das gleiche Recht für sich zu brechen, die Nidwlden gegen den Entwurf der helvetischen Staatsverfassung trug, und das es gegen denselben ausübte? Nidwalden nährte diese Bedenklichkeiten immer nur zur rechten Zeit, und zwar ehe es den Entwurf annahm, und ehe es denselben beschwören sollte. Da liegt die Ursache, warum dieser Landestheil nie eines Aufruhrs beschuldigt werden kann. Er nahm nur bedingt an, und wollte nicht unbedingt schwören. Wo ist da ein Auflehnen? Nur im verbrannten Gehirne der Patrioten und Freimaurer!– Warum also noch immer in der Geschichte nur auf dieses Volk hineinschlagen und es so unverdient herabwürdigen?

Urtheile man doch selbst, ob nun diese bürgerlichen Bedenklichkeiten Nidwaldens gegen das Pariser Machwerk von 1798 nicht wirklich wohl gegründet und auf Recht und Gerechtigkeit gestützt seien? Was bis anhin gesagt wurde, ist bloss Würdigung und Beleuchtung des bürgerlichen Inhalts der Ochsischen Konstitution.

Doch es dürften vielleicht auch die religiösen Bedenklichkeiten dieses Volkes ebenfalls ein grösseres Gewicht und mehr Werth haben, als Viele bis dahin geglaubt haben.

Wir wollen nun die Würdigung und Beleuchtung des religiösen Inhalts der genannten Verfassung folgen lassen.

Der Leser, zumal der katholische, und besonders geistliche und kirchliche Obern werden da Vieles vernehmen, das sie vielleicht i einer solchen Darstellungsart, Entwicklung und Anhäufung von Beweisen noch nie gehört haben, wenn bezüglich auf den religiösen Inhalt der Ochsischen Konstitution die Rede war. In dem folgenden Kapitel liegt die Rechtfertigung der nidwaldnischen Geistlichkeit und jeder anderen in der Schweiz, des Marianus Herzog, Pfarrers in Einsiedeln, des Pater Paul Styger u.s.w., welche 1798 wider die Konstitution so eifrig auftraten, — und die Schande für jene, die da schwiegen oder die neue Verfassung billigten, empfahlen, vertheidigten, und zu ihrer Annahme verhilflich waren.

Als Probe über alle obigen Bedenklichkeiten lese man im 27. Kapitel des zweiten Theils das politische Glaubensbekenntnis des Distrikts Stans, wo Alles als verwirklichet dargestellt wird, was das Volk vorläufig ahnte.

Die Religion bestimmte das Nidwaldner Selbstverständnis äusserst stark.

Fortsetzung folgt


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