Der Mensch ist dazu geschaffen Leistung zu erbringen. Die Pensionierung ist in der Evolution nicht vorgesehen! Das hat mir jemand, den das Leben geprüft hat voll bestätigt:
Sie hatten einen Lebensplan. War das nicht ein Irrtum auf lange Sicht?
Nein, nicht eigentlich. Was ich als Plan bezeichne ist mehr eine Richtschnur oder so was ähnliches wie ein Kompass. Auf dem Weg zum Ziel muss man immer irgend welche Hindernisse umgehen.
Zum Beispiel?
Ich bereitete mich früh darauf vor, mit Alter 62 mit voller Rente der täglichen Sisiphos-Arbeit adieu sagen zu können. Ich habe fehlende Beitragsjahre (siehe B+B Finanzplanung GmbH) bei der Pensionskasse (PK) eingekauft. Mit meiner Partnerin war alles abgesprochen.
Und dann?
Dann aber kam alles ein bisschen anders. Kurz vor 50 hatte ich nochmals Lust auf eine neue Herausforderung. Dies umso mehr, als mein damaliger Chef meinte, die Züge wären für mich bereits abgefahren. Der letzte Zug war noch nicht weg!
Wollten Sie sich oder jemandem etwas beweisen?
Jein! Die wirtschaftliche Entwicklung liess erahnen, dass unser Betrieb drastisch verkleinert werden würde, was dann auch schneller als erwartet eintraf. Ergo gab es ein Gerangel um die Positionen. Und sollte ich schon zum alten Eisen gehören? War’s das gewesen? Oder sollte ich nochmals «stramm stehen»? Also begann ich mich ernsthaft mit einem Wechsel zu befassen. Dieser brachte nicht nur Tapetenwechsel sondern auch eine berufliche Entwicklung. Es gab eine gewisse Genugtuung bei der Feststellung, dass der letzte Zug noch nicht weg war!
Sie haben also eine relativ sichere Stelle aufgegeben. War das nicht etwas gewagt?
Gewagt schon, aber ich vertraute meinem Können, meinem Wissen und meinen Erfahrungen.
Ging alles reibungslos vor sich?
Wir mussten umziehen, weil der neue Arbeitgeber dies zur Bedingung gemacht hat. Das war gar nicht so schlecht, denn dadurch manifestierte sich der Wechsel nicht nur nach aussen!
War es einfach, sich neu zu orientieren und die Brücken hinter sich abzubrechen?
Ich hatte nie das Gefühl, besonders tief verwurzelt gewesen zu sein. Die Realität zeigte jedoch tiefere Spuren! Wir fanden schnell eine neue Wohnung und wir zogen entschlossen um. Dann entstand ein Vakuum, welches ich nicht erwartet hatte.
Was taten Sie dagegen?
Täglich an der frischen Luft wandern, erste Kontakte am neuen Ort herstellen, «abnabeln» vom bisherigen Umfeld…
Und, lief alles reibungslos?
Es kam die erste Überraschung. Die Pensionskasse meines neuen Arbeitgebers hatte kein Freizügigkeitsabkommen mit jener des bisherigen. Genauer: Das Abkommen wurde aufgelöst, nur konnte ich das nicht wissen.
Ich wäre also verpflichtet gewesen, mich erneut mit etwa einem Jahresgehalt in die neue Kasse einzukaufen. Das schien mir reichlich blöd, für etwas nochmals bezahlen zu müssen, was eigentlich schon geleistet war. Aber die Vorschriften waren so. Niemand hatte eine Ahnung, was man tun könnte; weder mein direkter Vorgesetzter in der Funktion eines Direktors noch der zuständige Personalchef der übergeordneten Organisationseinheit. Eigentlich ein Armutszeugnis! Ich verblieb vorerst in der bisherigen PK. Allerdings durfte dieser Zustand nicht zu lange andauern. Die Versicherungssumme wurde nämlich eingefroren, entwickelte sich also nicht! Das war eine nicht sehr rosige Aussicht für die ferne Zukunft. Ich spekuliertte darauf, dass die allgemeine Freizügigkeit doch noch verwirklicht wurde. Leider mahlten die Mühlen in dieser Angelegenheit sehr langsam.
Wie sah die Lösung aus?
Eher zufällig, aber selber stiess ich auf eine PK, die sowohl mit dem bisherigen, wie mit dem neuen Arbeitgeber ein Freizügigkeitsabkommen hatte. Ich stellte fest, dass ich die Aufnahmebedingungen erfüllte. Mein neuer Arbeitgeber wies zunächst auf den Arbeitsvertrag hin, der den Eintritt in die PK des Arbeitgebers zwingend vorsah. Ausserdem wies man mich auf die Gleichbehandlung hin. Nun fand ich die «Munition»: Wir betreuten bereits drei verschieden Pensionskassen im Haus. So war es also mit der Gleichbehandlung nicht so weit her! Daher kam es doch wohl auf eine vierte nicht an! Ich bekam auf Gesuch hin das Einverständnis und die Auflage, allfällige Mehrkosten selber tragen zu müssen. So rechnete ich pro Jahr ab, bezahlte die Differenz der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge und konnte mich so vor einem teuren Einkauf schützen! Dass die zuständigen Stellen so unkompliziert handelten, konnte nicht ohne weiteres erwartet werden. Mein damaliger Chef hat sich dafür verwendet!
Noch einmal mit einem «blauen Auge» davon gekommen?
Ja, das kann man wohl sagen. Später, als die allgemeine Freizügigkeit kam, musste ich die Kasse wechseln. Das war so festgelegt. Also tat ich, was zutun war. Zu meiner Freude war nun die Einkaufssummme geringer als das verfügbare Freizügigkeits-Kapital. Die Kasse hätte diesen Betrag gerne eingenommen um damit künftige Nachzahlungen zu finanzieren. Aber das wollte ich nicht. Das «überflüssige» Kapital wurde für die zusätzliche Amortisation der Hypothek verwendet. Die PK formulierte einen Selbstbehalt im Falle Veräusserung der Liegenschaft vor der Pensionierung. Die «Milchmädchenrechnung» ergab, dass ich von etwa 1,3 Jahresgehälter profitierte! Ich durfte mir selber ein wenig auf die Schultern klopfen! Aber dazu hatte ich gar keine Zeit!
Hat sich der späte Job-Wechsel gelohnt?
Grundsätzlich schon, aber es gab noch einen Schönheitsfehler!
Und der wäre?
Die Entwicklung nahm seinen Lauf. Eine Dekade später wurde ich «weg rationalisiert». Da war nun guter Rat teuer. Die ganze Geschichte kam ein paar Jahre zu früh! Die wirtschaftliche Lage war nicht so, dass auf dem Arbeitsmarkt adäquate Funktionen im Angebot waren und wenn, dann nur für jüngere Semester. Da hätte ein Outplacement lediglich dem Arbeitgeber das gefühl vermittelt, alles recht gemacht zu haben – ein teuer erkauftes Gefühl!
Ging das nicht an die «Substanz»?
Ja, schon und zwar unerwartet heftig! Das persönliche Umfeld, der Verlust des Jobs und Existenzsorgen taten der Gesundheit nicht gut! Langsam wurde bewusst, was es bedeutet, einen Job zu haben! Aber es wurde auch bewusst, dass der Mensch kaum je im Mittelpunkt steht. Nein, er ist Mittel, Punkt. Da können Betriebsreglemente und so genannte «Philosphien» noch so wohl formuliert sein. Kommt dazu, dass sich einige Akteure wie Hyänen und «stinkende» Kojoten verhielten. Es folgte eine Zeit, die ich aus dem Lebensfilm ohne Verlust herausschneiden kann!
War Mobbing im Spiel?
Man kann dem wohl so sagen. Wie meist bei einer Reorganisation in Verbindung mit einer Organisationsentwicklung, wird alles in Frage gestellt. Auch vor den «heiligen Kühen» wird keine Rücksicht genommen. Nun, diejenigen, welche sich lautstark als «Alphatiere» bezeichnet hatten und einzelne Typen der genannten Tiergattungen, ereilte ein ähnliches Schicksal. Selbst umfassende Beziehungen reichten nicht aus, dem Lauf der Dinge zu entkommen. Das war so etwa wie die ausgleichende Gerechtigkeit. Wenn man aus Distanz die weitere Entwicklung der betroffenen Organisation beobachtet, so scheint’s, hat man dort noch wenig gelernt.
Hatten Sie auch Rückhalt?
Meine Familie gab mir «Rückendeckung». Allein für sie lohnte es sich, die Restenergie zu mobilisieren! Es gab aber auch einige weitere Gutgesinnte, die mich im Hintergrund unterstützten! da wäre auch der Hausarzt zu nennen, der am meisten mit Zuhören erreichte. Auch sie sind meines Dankes auf Lebzeiten sicher. Es gab Licht am Ende des Tunnels und die gesundheitliche Situation nahm mit der Zeit wieder normalere Züge an.
Wie beurteilen Sie die Situation heute?
Es ist meist so: Stress verursacht eine Einschränkung der Übersicht. Sie macht einen in gewissen Bereichen handlugsunfähig. Nun, ich habe die «Krise» überstanden und wieder Fuss gefasst. Die Zeit der Arbeitslosigkeit ist überwunden. Das Selbstwertgefühl hat sich wieder eingestellt. Der Kreis ist geschlossen, ich erbringe seit längerem wieder «Leistung». Allerdings sieht diese etwas anders aus, als damals, als man noch täglich im «Stollen» oben buckeln und unten treten musste!
Man könnte es meinen. Gewisse Prallelen können nicht abgestritten werden. Eigentlich ist es nicht wichtig. Wichtiger ist die Erkenntnis, dass oft wirtschaftliche oder organisatorische Argumente in den Vordergrund geschoben werden. Geht man der Sache auf den Grund, so erkennt man, dass Intrigen, die gezielte Verbreitung von Un- oder Halbwahrheiten und Mobbing den genannten Argumenten vorausgehen. Die so entstandenen Kosten werden jedoch nie echt erfasst. Über den Daumen geschätzt, bezahlt die Wirtschaft aber sehr hohe Summen für die internen Spiele.
… Selbstgespräch?