Just in Time – Segen oder Fluch?

«(…) Just in time (JIT) ist eine Produktionsstrategie (JIT-Produktion), bei der Material und Werkstücke in der Stückzahl und zu dem Zeitpunkt an den Ort zu liefern sind, wo sie aktuell benötigt werden (bedarfssynchrone Produktion)….. Da der Materialfluss auf die Produktion abgestimmt werden muss, ist die gesamte Lieferkette (Supply Chain) eng mit der Produktion zu verzahnen. …..Die Wertschöpfung wird bei der JIT-Produktion teilweise ausgelagert, sodass das Unternehmen schlanker agieren und sich auf Kernprozesse fokussieren kann. Durch Reduktion von Durchlaufzeiten, Lagerhaltung und Kapitalbindung kann der wirtschaftliche Erfolg gesteigert werden – allerdings erhöht sich die Abhängigkeit von den Lieferanten.)«

In der «Guten alten Zeit» hatten die Anbieter von Produkten ihre Lager. Dann kamen die Ökonomen, räumten die Lager, wenn sich in den Lagerbeständen zu geringe Bewegung zeigte, weil sie teuren Boden belegten und Kapital banden.

Ich erlebte selbst, wie ein Magazin geräumt wurde um der Hochschulmeinung Durchbruch zu verhelfen. Seltene Aluprofile, die bei Reparaturen an Flugzeugen zum Einsatz kamen und typenbedingt waren, wurden entsorgt, sehr zum Ärger des Spenglermeisters. Was jedoch nicht eintraf: der freigelegt Platz wurde nicht für etwas anderes genutzt!

Und mehrere Laufmeter eines sehr teures mehradrigen Kabels für die Steuerung einer Propellerturbine inkl. Propeller wurde weggeschmissen, worauf sich ein Ingenieur vehement wehrte. Er nahm diese Kabel zu sich unter der Bedingung, dass bei allfälligem Gebrauch, er der Lieferant sein werde. Es dauerte nicht lange und er konnte sein zum Schrottpreis erstandenes Kabel zum Neupreis mit kleinem Einschlag  liefern – sofort! Der «Reibab» hatte sich gelohnt! Wir erlebten mehrfach, dass die gewonnen Flächen für nichst anderes gebraucht wurden…!

Es kann gut das Folgende passieren . Wer im Jahr 2022 Jahr eine Photovoltaikanlage mit Wechselrichter und Akkubestellte, der sieht sich als JIT-Opfer.

Fiktives Beisiel: Die Anzahlung (50%) erfolgte nach der Auftragsbestätigung (Juli 2022). Ziel der Inbetriebnahme war auf Anfang September vorgesehen, wobei eingeräumt wurde, dass es eher Ende September werde. Inzwischen ist bis vor ein paar Tagen nichts passiert. Sporadisch gab es einige nichtssagende Mails. Man warf dem Besteller wie einem Hund von Zeit zu Zeit ein paar Rädli Wurst zu, damit er nicht knurrt.

Inzwischen ist Weihnachtszeit. Nun beginnt der «Hund» nicht nur zu  knurren, sondern er bellt laut! Neue Situation! Gegen Ende Januar 2023 sollen die Solarelemente montiert werden (sfern es das Wetter erlaubt). Danach komme der Elektriker um zu verdrahten. Danach sollen Wechslrichter und Akku installiert und angeschlossen werden! Natürlich werden die fehlenden Elemente dann geliefert wenn sie vorhanden sind! Just in Time sei geheiligt, aus Kundensicht verflucht!

Beim Anbieter kam es niemanden in den Sinn, früzeitig zu bestellen und mangels eigener Lagerkapazitäten den Kunden nach einer Möglichkeit bei ihm zu fragen! Man verharrt im alten Tramp voller Betriebsblindheit.

Just in Time ist so gut wie die Verfügbarkeit der benötigten Ware! Sie ist so gut, wie ideelle Lieferketten und sie ist so gut, wie die Zuverlässigkeit der Hersteller.

Das Schiff hatte den wichtigen Kanal sechs Tage lang blockiert. Nun gibt es eine Einigung bezüglich der Entschädigung. Quelle: AFP
Foto: AFP

Neue Situationen verlangen neues Verhalten! Dass das Nadelöhr Suezkanal problematisch sein kann, weiss die Welt schon seit der Suezkrise  von 1956! Aber was nicht sein darf, das nicht sein kann! Flexible Reaktion wäre nun gefragt – mindestens, bis sich die seit März 2021 bekannten Lieferkettenprobleme normalisiert haben! Diese  sind seit  der Strandung des Containerschiffs Ever Given im Suezkanal seit März 2021 und seit Covid 2020 bekannt. 18.000 Schiffscontainer waren dadurch blockiert. Laut der Versicherung Lloyd’s kostete das Unglück Unternehmen weltweit 400 Millionen Dollar – pro Stunde!

Die gut bezahlten Manager hocken vor der Situation wie eine Kaninchen vor der Schlange! Sie sind blockiert und haben keine Ideen! Ebenso die Unternehmer! Sie tun so, als wäre die Situation von Gott gegeben, obwohl die meisten kaum an ihn glauben!

Just in Time: Segen, wenn alles wie am Schnürchen klappt, Fluch wenn eine Panne auftritt. Den grössten Schaden erleiden die Kunden. Und das Ansehen der Anbieter wird ramponiert!

In der Netzplantechnik ist es üblich, dass bei unerwarteten Vorkommnissen, die den kritischen Pfad und somit den geplanten (versprochenen) Endtermin negativ beeinflussen, zusätzliche Aktivitäten eingefügt werden. Aber schon ein einfaches Balkendiagramm wäre eine Hilfe! Die Organisationsmittel wären vorhanden! Sie müssten nur eingesetzt werden!

Ob es dem «Fiktionär» ähnlich ergeht wie einem Ehepaar in Deutschland wird man später wissen! Wir hoffen es nicht! Man darf ja auch optimistisch sein!  => Ehepaar kauft Solar-Komplettpaket für 22.000 Euro: Dann beginnt das Drama.


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