Aus einer Diskussion mit Fliegerveteranen der SG Nidwalden und der ehemaligen SG Luzern kam ich auf den Flugunfall am Gigi, westlich des Haldigrates mit der Ka 8 HB-818 zu sprechen. Ein nicht markiertes und nicht gemeldetes Seil spielte Schicksal, sogar zweimal!
Mein Fluglehrer August Hug (+) lehrte uns: „Unfälle passieren nicht, sie werden verursacht!“
Schon 1946 schrieb der Chronist August Hug: (…) … dann, eines schönen Tages wurde unser Prunkstück, das „Baby“ ein Opfer der Lüfte. Es war eine Föhnlage, natürlich hatte man viel zu diskutieren – Anflug vom Rigi, Föhnwellen, Streckenflüge etc. – alles fantastische Möglichkeiten. Die treuen Vögel warteten, ganz auf sich alleine angewiesen auf die grossen Könner. Plötzlich brach der „Wester“ herein. Die unbewachten Vögel wurden herumgeblasen. Ein Windstoss griff unter die Flügel des Baby’s, hob es mit samt dem Hatemann hoch und warf es auf den Rücken. Also „Hütet euch vor dem, nach dem Föhn, hereinbrechenden West!)“
«Luigi», der Ex SG-Luzerner kramte da den «Haldi» hervor, indem er diesen kürzlich begangen hatte. So ergab das eine, das andere…
“(…) Dann möchte ich Dir noch berichten, dass ich am Pfingstmontag mit der Seilbahn nach Niederrickenbach hochgefahren bin. Eigentlich wollte ich weiter zur Musenalp, um von dort nach Niederrickenbach zurückzugehen. Dieses Bähnli fuhr aber nicht. So suchte ich die Talstation des Haldigrat-Sessellifts auf, wo ein stattlicher Holzpavillon für ein Freilichtspiel aufgestellt worden ist. Die Aufführungen müssen aber um ein Jahr auf Juni 2021 verschoben werden. Bau- und Forstmaschinen, einige Fahrzeuge, aber sonst war niemand zu sehen. Der Bahnbetrieb auch hier eingestellt! Oder aber doch nicht? Als ich bemerkte, dass die Sessel um etwa 5 Meter vorrücken, betätige ich die Sprechtaste. Kurz darauf meldet sich Herr Mathis, Bahnbetreiber und Gastwirt des Berggasthauses persönlich. Da eine Handvoll Ausflügler zu Tal geseilt werden, ergibt sich die Möglichkeit hochzufahren. Ein anderer Senior stösst dazu und schon geht es luftig dem Haldigrat entgegen. Die Alpen hier sind noch nicht bestossen, aber die Sömmerung wird nächstens angetreten.
Erinnerungen steigen auf an jenes etwa 40 Jahre zurückliegende Winter-Skiwochenende der SG Luzern auf dem Haldigrat. Wir waren ja auch nur wenige winterfeste Segelflieger, jedenfalls weiss ich noch, dass Du, Röbi das eingefädelt hattest. Was ich noch weiss ist die halsbrecherische Skiabfahrt am andern Morgen im pistenlosen Schnee. Oben setzten wir uns hin, tranken etwas, genossen die Bergwelt und die wunderbare Aussicht auf das Luzerner Mittelland. Gegenüber Wiesenberg und Stanserhorn, über dem Grat der steinige Schutthaufen Brisen. Kein Rummel. Die Stille wird nur durch einen Flugzeugschlepp unterbrochen. Natürlich, die Nidwaldner, wer denn sonst! Klinkpunkt über dem Haldigrat. Abendsonne. Dann mit dem Wirt die letzte Fahrt zurück. Das war ein unerwartetes herrliches Bergerlebnis. Wäre auch ein TIp für einen Ausflug, gegebenenfalls mit Übernachtung, in Wiederholung unseres Winterausfluges nach langer Zeit! Oder auch Quadriga-Treffen, nachdem der diesjährige Segelflug-Veteranenausflug der seuchenhalber abgesagt worden ist.)»
Erst als wir in Buochs regelmässig ein Schleppflugzeug da hatten, konnten wir die spärlichen Thermikküchen suchen und finden. Es war die Gruppe 4711, die sich zu 1789 wandelte, welche auf einer Bergwanderung auf den Haldigrat und die dort starken Aufwinde aufmerksam machten. Fortan galt der «Haldi» sehr oft als Schleppziel. Es war mühsam, mit dem 90-PS Piper, anfangs war es Hächlers HB-ONA, dann die SGN-eigene HB-OBP, beide mit einem 90 Ps Continantal-Motor ausgerüstet, auch schweres Gerät dort hinauf zu baggern (Blanik L 13). Spätern rissen sich die Deltagleiter den Hang unter die Nägel. Für Segelflieger wurde es zu gefährlich. Die Luft war oft zu verseucht von Metallrohren, Segeltuch, Spanndrähten und den daran hängenden, oft gestikulierenden Mannen.
Etwas unterhalb in west-nordwestlicher Richtung liegt das Gigi. Ein Heuseil hat dort schon Schicksal gespielt. Es war am Pfingstmontag, 07. 06. 1976. Unser junge Kollege, Thomas F. blieb daran hängen. Wir konnten einen weissen Fleck, ein Stück der Tragfläche der Ka 8, HB-818 vom Flugplatz aus hängen sehen, nachem die Meldung per Funk von einem anderen Segelflugzeug eingegangen war. Die sagte: «Segelflugzeug westlich Haldigrat abgestürzt!» Ich war ohne Funktion auf dem Flugplatz. Als ich davon erfuhr, begann es in mir zu «motoren». Fehler durfte ich jetzt keinen machen und Zeit verplämpern auch nicht! Jemand brachte mich mit dem Seilausziehauto „Herby“ zur Stanserstrasse. Ich kramte meine 100’000-er Karte, Blatt Brünigpass, hervor (ich habe es noch!), zeichnete das fragliche Koordinatenquadrat ein, um den Piloten des Rettungshelikopters einen Fixpunkt geben zu können und seckelte auf die Betriebswache der DMP und alarmierte von dort per Telefon die Helibasis in Alpnach. Diese hielt einen Pikett-Dienst aufrecht. Schliesslich war es die REGA, die übernahm. Ein Berggängerehepaar kam zu Fuss auf den Flugplatz um das Geschehene zu melden. Sie nahmen an, dass der Pilot umgekommen sei. Derweil lag Thomas, nur leicht verletzt im Luzerner Kantonsspital. Er kam mit einem Schädelschwartenriss und einer Gehirnerschütterung davon. Der Flügelstummel und die Stahlrohrkonstruktion der Ka 8 nahmen die Aufprallenergie fast voll auf! Wäre es eine Ka 6 gewesen, hätte die Sperrholzkonstruktion wohl weniger Energie absorbiert! Im Nachhinein wurde uns klar, dass Hans B., eben die Flugprüfung hinter sich, zusammen mit Thomas den Haldi probieren wollten. Sie flogen fast in Formation. Hans flog etwas enger am Hang. Er musste das Seil unterflogen haben ohne es zu sehen! Sie wollten um die Bergkante herum an die tragende Flanke des Haldigrates fliegen. Insofern hatten wir Glück im Unglück, denn wir hätten gut und gerne die beiden Ka 8 an einem Tag praktisch gleichzeitig verlieren können! Das Seil war nicht bekannt. Im Blatt Nidwalden 1:25’000 waren damals 187 Seile eingetragen. Die Niederberger Seilbahnen in Dallenwil waren geschäftstüchtig! Und die Bergbauern wussten wie man ergonomisch und effizient die Arbeit erledigte. Thomas hatte die gesetzlich Höhe eingehalten, doch der seitliche Abstand mit 60 m war um einige Meter unterschritten. Später wurde der seitliche Abstand anstelle der 60 m mit «genügendem Abstand» festgelegt.
Für mich gab es noch ein kleines Nachspiel: Der Inspektor vom damaligen L+A (eidg. Luftamt), heute BAZL, kam bei der Befragumg von Thomas auf Hans B., kontrollierte dessen Flugbuch und stellte fest, dass Hans Burch zwar die Flugprüfung bestanden hatte, dass aber noch ein Bedingungsflug (45 Minuten) fehlte. Ich war der Prüfungsexperte. Hans hatte den Auftrag, bis zum erfüllten Bedinungsflug nur unter Aufsicht des Fluglehrers fliegen zu dürfen. Das verminderte mein «Vergehen». Es blieb bei einem kleinen Rüffel. 🙁 Ich gab mich flexibel und Hans nahm ich zur Prüfung, damit wir mindestens drei Kandidaten hatten und da das Wetter und die Jahreszeit günstig waren konnte erwartet werden, dass Hans seinen Bedingungsflug in den nächsten Tagen erfüllte. Was dann auch geschah. 🙂
Ich erinnere mich heute noch gerne an die nette Geste von Thomas der mir eine Flasche Kirsch für meine Bemühungen überreichte, als er wieder genesen zurück war! Ich habe den Inhalt mit Inbrunst hinter die Binde gegossen….!
Gelb, das Gigiseil (gibt es heute nicht mehr), Roter Pfeil:Kollisionspunkt; gelber Pfeil auf einem Bödeli lag die Ka 8
Links im Bild der Brisen rechts davon der Haldigrat.
Flugunfall am Gigi, HB-818. Es passte alles!
Wäre das Flugzeug zu früh eingesteckt, wäre es in den vor dem Bödeli fast rechtwinklig in den Hang geprallt, wäre es etwas zu spät gewesen, wäre es nach der kleinen Fläche des Bödelis ins Tobel hinab gefallen! Beide Fälle hätten für den Piloten fatale Folgen gehabt.
Später, ich war in Meiringen im Dienst, erreichte uns die Nachricht, dass die Werks-PC 7 am Haldigrat in ein Seil geflogen sei und dabei vollständig zerstört wurde. Die beiden Werkpiloten Ekhart M. und …. G. kamen dabei um. Das Seil zum Gigi war denen nicht im Weg. Es ging anders. Die beiden hatten einen Werkflug hinter sich und waren auf dem Weg zurück. Weil sie noch grosse Höhe hatten, wollten sie diese mit einer Kunstflug- und Vrillenübung abschliessen. G., noch etwas unerfahren aber voll drauf, immer ans Limit zu gehen, war offenbar der Initiant. Da der PC-7 mit Aussenlasten versehen war, war das Verhalten in der Vrille anders. Die Massenverteilung gab dem Flieger eine andere, für die Piloten noch ungewohnte Dynamik. So konnte die Vrille nicht rechtzeitig beende werden und es mussten beide leider bitter Erde essen…(nach Daniele Del Giudice («Das Abheben des Schattens vom Boden» ) Ekhart kannte ich persönlich. G. nicht. Man sagte ihm nach, er sein ein Typ «mit dem Grind durch die Wand»! Als er kaum die Kunstflugprüfung abgelegt hatte, suchte er beim BAZL um Bewilligung für Tiefflugakrobatik mit Unterschreitung der Mindesthöhe nach. Der Motorfluginspektor Monod sah es ungerne, weil aus seiner Sicht noch zu wenig Erfahrung vorlag, formell konnte er das Ersuchen nicht ablehnen. Er soll widerwillig gesagt haben: «…. so soll der G. doch seinen Grind irgendwo einstecken!»…
Die beiden Flugunfallberichte sind nicht abrufbar. Man müsste sie bei der SUST speziell verlangen. Man bekäme sie bestimmt mit einer entsprechenden Begründung für das Interesse.
Thomas erinnert sich: Ausser einer Narbe ist nichts hängen geblieben. Der Kassier des Vereins verzichtete auf einen Schadensersatz. Den Unfallbericht habe ich nach einigen Jahren entsorgt. Ich hatte nach dem Wiederbeginnen mit Segelfliegen (11.9.76, 2 Flüge Rhönlerche dann wieder K-8; HB-920) sehr grossen Respekt beim Hangfliegen, was sich dann aber nach ein paar Flügen wieder normalisiert hat. Der Kontakt zu Hans B. wurde abgebrochen. Berufliche Prioritäten schufen Distanz.
Thomas wurde für einige Jahre Motorflieger und beruflich schlug es ihn kurzfristig ins Ausland. Ich konnte mich kürzlich mit ihm kurz schliessen. Es geht ihm gut!
Der Verlust von HB-818 schmerzte. Nur via eine Subvention der Pro Aero, konnten sich die Nidwaldner endlich eine Ka 8 leisten. Sie kam im Rohbau. Dieser wurde bei Schempp-Hirt in Lizenz gebaut. Sie wurde durch die SG Nidwalden fertig gestellt. Ganz am Schluss setzte der Malermeister zum «Glanzzsprutz» an. Viel Verdünner, wenig Farbpigmente. Es kam was kommen musste: Die Farbe riss und die nagelneue Ka8 sah schon aus, als hätte sie das zweite Mal 2000 Stunden drauf! Wir sahen schon einmal etwas ähnliches. Bei Pilatus wurde der Bücker Jungmann auf eine «Bücker Lerche» mit Lycoming Motor umgebaut. Eswar die HB-URN. Nach dem «Glanzsprutz» mit dem bekannten Spinnennetz nahm jemand ein breites, scharzes Klebbeband und setzte einen Streifen zwischen R und N. Nun wusste es alle URIN lautete die neue Bezeichnung – und es war auch einer, ein «Seich»! Der Verantwortliche für den Fehlsprutz tat mir leid. War er doch ein loyaler Mitarbeiter und schaffiger Typ!
Toni aus Queensland: «(…)
Guten Tag Herbie. – Schoen, von Dir zu hoeren – und wie immer mit interresanten Berichten. Da kommen Erinnerungen aus laengst vergangenen Zeiten auf. Ich mag mich an den Birrer Unfall erinnern. Ich lebte damals im Pilatusblock und schaute im TV Raum die Nachrichten als vom Hunterunfall berichtet wurde. Da ist auch August Hug – ich werde Ihn nie vergessen. – Ich denke, die K8 die in das Seil flog habe ich auch geflogen – immer mit zuviel Respeckt vor dem Hang. Da ist ja die Rede von Hans Burc
h, den ich suche, er flog die andere K8. Der Ekhart der mit dem PC 7 verunglueckte – war das ein Vorarlberger? Dann habe ich Ihn auch gekannt. Freitag abend fuhr Er nach Hause in den Vorarlberg und wenn ich wollte konnte ich mit Ihm ins Reinthal mitfahren um meine Eltern zu besuchen. Nochmals danke schoen fuer den e-mail. – Ja, ich bin jetzt 70 Jahre alt und kriege nicht genug vom Fliegen mit der Tigermoth,
Alles Gute – Toni