Kategorie-Archiv: 36 Nachgedacht

Kunde König


Der Kunde ist König, so haben wir es gelernt. Ist er es? Von Stephan Marti, Finanzblog, haben wir gelernt, dass der Kunde hybryd (Teil2) sei, siehe auch «Ethische Discountwolke» (Teil1). Hybrid bedeutet eine Mischung oder Kombination von etwas. Wäre es keine Mischung, sondern eine Teilung oder (Ab-) Spaltung, so könnte man, etwas vermessen zwar, zum Schluss kommen, dass es gar schizophren sei.

Der tolerante Kunde zahlt oft einen hohen Preis für einen schlechten Service. Diese Toleranz wird und wurde noch immer schamlos ausgenützt. Der Kunde wird wie ein normaler Verwaltungvorgeng behandelt. In gewissen Bereichen redet man im Volksmund von Apothekenpreisen, wenn Preise einem als zu hoch vorkommen.

Der anspruchsvolle Kunde sieht sich vermehrt mit vergleichbaren Produkten konfrontiert. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind Preis/Leistung und allenfalls das Image des Herstellers. Ehrgeizig wird das preisgünstigste Angebot gesucht. Ergo ist es für ein Unternehmen wichtig, eine zuverlässige und klare Orientierungshilfe anzubieten.

Der kompetente Kunde geht einen Kauf gut vorbereitet und mit grosser Sachkenntnis an. Ergo fällt der kundenspezifischen Beratung ein hoher Stellenwert zu.

Der ausgenutzte Kunde bezahlt für ein USB-Kabel für sein Handy Nokia 6610i bei Swisscom SFr. 99.- (Fabrikationswert ca. 4 SFr). Das Verhältnis Fertigungskosten : Verkaufskosten beträgt ca. 1:25. Für Druckertinte im Original legt er bis 1000 EUR/Liter auf den Tisch! «Generikas» sind billiger! Im Vergleich: 1kg Auto Madzda 6 Kombi mit Automat, Tempomat, Klima usw. bezahlt man Fr 24.40 pro kg Leergewicht (brutto,»alles inbegriffen»)!

Der Kunde als Störefried verlangt dauernd Informationen, geht Einzelheiten auf den Grund, will Lieferbedingungen, Serviceangebot, Zahlungsmodalitäten und Einzelheiten der Kundenbetreuung kennen. Ergo kann sich der Verkäufer nicht hinter die drei Affen: «ich, höre nichts, ich sehe nichts, ich sage nichts», verstecken.

Der Kunde als Prosument wünscht ein nach seinen Wünschen zugeschnittenes Produkt. Durch sein «Dazutun» kann er sich von der Masse abheben. Automobilfirmn bieten die Möglichkeit an, einen Neuwagen mit weitreichender individueller Ausrüstung zu bestellen. Der Kunde ist bereit, dafür eine angemessene Wartefrist zu akzeptieren.

Der moderne Kunde (Verbraucher) ist aufgeklärt. In Fachzeitschriften, an Produktetests, an Beratungen durch Fachverbände sowie durch Informationen in den Tageszeitungen, verschafft er sich ein Bild. Ergo ist ein persönlicher, regelmässiger und direkter Kontakt zum Kunden unerlässlich.

«Wir wollen unsere Kunden gezielt ansprechen und möglichst ihren Wünschen entsprechend beraten können.» Peter Bauer

Der resistente Kunde hat ein wirksames Abwehrdispositiv gegenüber der unüberschaubaren Informationsflut entwickelt. er geht mit seinen Ressourcen ökonomisch um, indem er sich nur für das interessiert, was er mit geringstem Aufwand an Energie verstehen kann. Ergo will der Kunde (Verbraucher) auf seinen Bedarf angepasste Infos.

Dem Kunden wird regelmässig eingeflüstert, dass die Zeit für die Konsumation günstig sei, um die Inlandnachfrage zu steigern. Vielfach steht er aber über der Sache. Er hat daher eine Strategie entwickelt, um dann zu kosumieren, wenn er das Bedürfnis hat. Er handelt von aussen gesehen atypisch.

«Die Kunden erhalten auf Grund ihrer Einkäufe Prospekte und briefliche Angebote, die auf sie zugeschnitten sind.» Marie-Louise Schmid, Leiterin M-CUMULUS Marketing Services

Der manipulierte Kunde

«Die Kunden können klassifiziert und durch gezielte Werbung manipuliert werden.»
Katharina Hasler

«Der ‘gläserne Mensch’ ist ein manipulierbarer Mensch.» Bruno Baeriswyl

Ohne Kunden keine Unternehmen. Ergo muss die einzige Überlebensgarantie der Unternehmen und Geschäfte sorgfältig «gepflegt» werden. Man soll beim Kunden ernsthaft das Interesse wecken, ihn gewinnen und binden.

Unselbständige Kunden gibt es z.B. im Gesundheitswesen. Mit der Einführung von Leistungslöhnen wurde das Werkzeug «Beurteilung von Leistung und Verhalten», und parallel dazu wurden prozessorientierte Organisationen eingeführt. Auffallend war, dass ab nun die Patienten zu Kunden umbenannt wurden. In Heimen und Betagtenzentren sind sie aber immer noch Bewohnende oder Klientel oder Kinder – oder einfach ein Kostenfaktor. Inkonsquenz?

Es gibt zum Glück auch noch die zufriedenen Kunden.

Wenn ein Kunde seine Erwartungen an die Leistung erfüllt sieht, also der Ist-Zustand dem Soll-Zustand entspricht, ist der Kunde zufrieden. Man spricht von Konfirmation.

Geprellte Kunden stehen meist alleine da. Der Gang zum Rechtsanwalt ist zeitraubend und allenfalls auch teuer.

Weil es für geprellte Kunden nicht immer einfach ist, zu ihrem Recht zu kommen, raten Experten zu Skepsis vor dem Kauf, etwa bei «Ramsch statt Rolex«.

Unbemerkte Datenspuren erzeugen den gläsernen Kunden.

Mehr oder weniger leise dringt die Informationsgesellschaft in unser Alltagsleben vor. Nicht nur bei Behörden und in Forschungsstätten werden Daten gesammelt und systematisch ausgewertet – fast alles, was wir tun, wird Teil einer schnell wachsenden Erhebungsmaschinerie. Dank der Informationstechnologie können viele Geschäftsvorgänge rationeller und kostengünstiger abgewickelt werden. Zugleich hinterlässt aber jede und jeder ein dichtes Netz von Datenspuren.

Vielleicht stimmt das Märchen vom König Kunden doch (siehe: managerSeminare).

(Mehr zum Thema u.a.: UNDERCOVER MARKETING; Agent im Dienste des Kunden ; Alexander Schell/Erwin Seitz ISBN 3-7064-0191-6)


Der hybride Mensch


Der Finanzblogger hat den hybriden Kunden beschrieben. Nicht nur Kunden, sondern die Menschen generell, verhalten sich «hybrid».

Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung schert sich nicht länger um die traditionellen Klassifizierungen, sondern entflieht der eindimensionalen Kategorisierung durch multiple Lebens- und Konsumstile. Diese Konsumentenschar nutzt, den Konventionen und ihren sozialen Milieus zum Trotz, Markenerzeugnisse ebenso wie «Me-Too»-Produkte. Handlungsmuster, die für den eigenen Lebensstil relevant sind, haben für den nächsten nicht die geringste Bedeutung. Dort werden bereits andere Schwerpunkte gesetzt, die mitunter völlig von anderen Lifestyle-Parametern abweichen. Und dennoch hat jeder Stil im Leben des Verbrauchers eine eminent wichtige Funktion, wenngleich kein Stil ausschliesslich und durchgehend das individuelle Verhalten bestimmt.

Die Fahrerin eines Porsche-Cabriolets aus der gehobenen Gesellschaftsschicht, die zweimal unter der Woche in einem teuren Gourmetlokal oder auf dem Sälischlössli speist oder beim Starkoch Mosimann diniert(e), findet nichts mehr dabei, in einem Niedrigpreisgeschäft, z.B. Otto’s, Kaffee einzukaufen, mit dem Fahrrad von Villiger ins Büro zu fahren, Den Urlaub in einer unbewirteten Berghütte zu verbringen und am Wochenende den Pizza-Blitz anzurufen.

Woran liegt es, dass vermehrt dem traditionellen Verhalten abgeschwört wird? Liegt es daran, dass der Einfluss der Religion abgenommen hat? Liegt es daran, dass wegen der umfassenden Information nicht nur der altherkömmliche Trott im Angebot ist, sondern eine grosse Fülle? Liegt es am «umfassenden» Freizeitangebot? Oder sind die Menschen, wegen der besseren Bildung und Ausbildung selbstbewusster und selbstkritischer geworden? Oder sucht man den individuellen Weg, weil dieser mehr an Selbstverwirklichung bietet? Es liegt am Wertewandel oder gar am Wertezerfall, oder dann halt an der «Explosion» der Wünsche, an der Luxese (Luxus gepaart mit Askese) , der neuen Bescheidenheit, dem Cocoonining, der neuen Behaglichkeit

Ein Heizungsinstallateur, der für seine Abendgarderobe meist die Produkteauswahl eines Verbraucherarktes z.B. bei Migros, Vögele , oder C&A , neuerdings auch bei Tchibo, Aldi und Lidl in Anspruch nimmt, geht bei der Ausstattung seiner Freizeitkleidung keine Kompromisse ein und erwirbt in einem Sportfachgeschäft ausschliesslich hochwertige Joggingschuhe und Sportsuits von Markenherstellern wie Nike, Adidas oder Lacoste, Gucci , oder Armani und so. Während im Urlaub jeder Franken zweimal umgedreht wird wird, ist zu Hause kein Pflegeutensil zu teuer, um die Karosse in der Garage regelmässig auf Hochglanz zu trimmen. Bei Duschgel und Shampoo schaut er penibel auf die Marke, die Zahnpasta hingegen muss immer aus dem Sonderangebotskorb stammen.

Der «Erlebnismensch» tritt vermehrt in Erscheinung. Die Suche nach aufregenden Augenblicken beim Konsum, in der Freizeit, im Beruf, allein oder in der Gruppe stehen im Vordergrund. Der pure Erlebniswert scheint die Maxime zu sein. Ohne Bungee-Jumping, Riferrafting, Canooing, Freeclimbing oder verrückten Rennen durch Städte und über Autobahnen scheint nichts mehr zu gehen. Selbst die neuen Alten sind im Trend, eine wichtige Kunden- bzw. Konsumentengruppe. Die Demokratisierung des Konsums ist im Trend. Die Kunden wollen im Markt als gleichberechtigte Partner gelten.

Da lege ich mich gerne mal am Waldrand ins Gras, entdecke das spezielle Grün und während meine Gedanken fliessen, erkenne ich das Blau des Himmels und ich ziehe die Ruhe, die aus dem Wald auf mich einströmt in mich hinein… das ist mein «Cocon». Der vorübergehend selber gewählte Rückzug befreit vom Konkurrenzkampf, von den spitzen Ellbogen, von der Informationsflut, der (unerwünschten) Werbung, und von Typen, die ihren Frust oder ihr gestörtes Inneres geifernd auf andere abwälzen müssen. Ich stehe über den Dingen. Das Kleinkarierte, die Alltäglichkeiten, die Gehirnpicker der Moral, die gesellschaftlich geforderten Verhaltensmuster sind ausgesperrt. Dieser Rückzug ist aber keine Flucht in Illusionen. Die Realität und das «Jetzt und Heute», also die Gegenwart, bleiben respektiert.