Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey hat am Neujahrsempfang des diplomatischen Korps einen gemeinsamen Einsatz für eine kosmopolitische Ethik gefordert. Dazu seien Bündnisse nötig, die auf gemeinsamen Interessen beruhten und doch Differenzen zuliessen.
Die jüngste Vergangenheit habe gezeigt, dass Institutionen wie der internationale Strafgerichtshof ihren Erfolg grossen Koalitionen verdanken, die Staaten aus allen Weltreligionen umfassten, sagte Calmy-Rey im Bernerhof vor rund 120 Diplomatinnen und Diplomaten. Dabei überschritten diese Staaten religiöse und kulturelle Grenzen. Sie riefen die Vorstellung von gemeinsamen Grundnormen menschlichen Zusammenlebens in Erinnerung. Die heutigen Ungerechtigkeiten wie Hunger, Menschenrechtsverletzungen, Selbstmordattentaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien auch die politischen Probleme von morgen…. NZZ 11. 01. 07; (Bern, 10. Jan.; sda)
Es stellt sich die Frage, ob es besser ist, wenn so etwas von oben nach unten «verordnet» wird, oder ob der Weg von unten nach oben nicht wirksamer wäre. Lässt es die schnell lebende Zeit nicht mehr zu, dass der Einzelne in sich zu hören vermag, um nach den natürlichen, innewohnenden Gesetzen zu leben?
Bezüglich globaler Ethik gibt’s bereits Überlegungen. Also: aus Bern nichts Neues!
Wenn die Politik Verhaltensregeln beschliesst, so bestimmt letztlich eine Minderheit darüber, was für die Gesamtheit gelten soll. Weil gemeinsame Interessen verfolgt werden, wird vor dem Hintergrund der Ethik ein neues Machtmittel entwickelt. Eine «politische Ethik» trägt somit bestenfalls das Etikett einer Moral und im schlechtesten Fall das einer Ideologie.
Handelt der Selbstmordattentäter aus freier, innerer Überzeugung? Oder ist er Opfer politischer oder religiös-fundamentalistischer Beeinflussung? Würde der «Soldat des Heiligen Krieges» sein Leben opfern, wenn er nicht in den Kreis der Märtyrer aufgenommen würde? Der (Ver-) Führer profitiert gleichermassen wie der Verführte. Den Deal kennt man auf ähnliche Weise doch schon: Wenn du im Namen deines Gottes handelst (dich als Selbstmordattentäter hingibst), wirst du im ewigen Leben belohnt.
Die Religionsführer würden gut beraten sein, ihre Anhängern innere Freiheit zu lehren!
Freiheit, innere. Zur inneren Freiheit werden zwei Stücke erfordert: «seiner selbst in einem gegebenen Fall Meister (animus sui compos) und über sich selbst Herr zu sein (imperium in semetipsum), d. i. seine Affekten zu zähmen und seine Leidenschaften zu beherrschen», MST Einl. XV Anmerk. (III 251); vgl. Apathie, Tugend. Rudolf Eisler, Kant: Innere Freiheit
Wir werden sehen, ob die «kosmopolitischen Ethik» eine Worthülse oder eine edle Absicht bleibt im Sinne von «viele schöne Worte, ohne viel zu sagen» oder ob es eine erfolgreiche Verbesserung wird.
Ein Vermitteln und Bewusstmachen von ethische Grundnormen wäre angebracht. Ob man dies glaubwürdig hinüber bringt ist eine andere Frage. In einer Gesellschaft, wo sich die Schere arm – reich rasant öffnet, müsste zuerst die Grundlage für die (kosmopolitische) Glaubwürdigkeit geschaffen werden.