«Kommunikation im Übermass führt in die «Reaktionsfalle» – Für einmal bringt es die geläufige neudeutsche Formel griffig auf den Punkt: «Overnewsed but underinformed» seien wir, die wir doch permanent zwischen E-Mail, SMS und VoIP hin und her pendeln. Dazu der Standpunkt eines Zukunftsforschers und die Beobachtung von vier HR-Spezialisten.»
von Peter Stöckling, HR today 12_07 7
- » Neue technische Entwicklungen bedeuten jedoch keineswegs das digitale Paradies, denn nicht weniger als 82 Prozent der Kaderleute in den grössten deutschen Unternehmungen fühlen sich «überfordert» – und zwar nicht durch die Fülle der Informationen, sondern aufgrund der wachsenden Aufforderungen zur Kommunikation.
- Wer sich auf jede Kommunikation einlässt, der gerät nach Lars Thomsen fast zwangsläufig in eine «Reaktionsfalle». Die Folge: Vor lauter Reagieren kommt in den Führungsetagen das Agieren zu kurz. Projekte bleiben stecken, die Zeit für strategisches Nachdenken verringert sich und dadurch steigt wiederum das Frustrationspotenzial.
- Wie schleichen sich die neuen Kommunikationsformen in unseren Alltag ein? Sind zum Beispiel feste Arbeitszeiten als Folge des Trends zur durchgehenden Verfügbarkeit ein Auslaufmodell? Mehr Technik ruft nach mehr Selbstkompetenz, nach besserer Organisation und dem Mut zur Abgrenzung. Das ist der Tenor bei den Personalfachleuten, mit denen HR Today gesprochen hat. Dass sich die Tendenz zur oder – je nach Blickwinkel – die Plage der unbegrenzten Verfügbarkeit fast rund um die Uhr verstärkt, stellen alle HR-Fachleute fest, mit denen sich HR Today über dieses aktuelle Thema unterhalten hat. Ob und wie stark sich jemand davon beeinflussen oder gar terrorisieren lässt, hat für Britta Bellano von Mettler Toledo «sehr viel mit menschlicher Kompetenz zu tun, denn dazu gehört auch die Fähigkeit, sich abzugrenzen und auch einmal Nein sagen zu können».
- Heidi Widmer, HR Managerin bei Helsana, stellt das Bedürfnis, immer und jederzeit erreichbar zu sein, besonders in höheren Kaderfunktionen fest. Daneben gebe es aber auch vereinzelte Vorgesetzte, die von ihren Leuten eine virtuelle Präsenz fordern, die von der Arbeit her nicht immer zu begründen sei.
- Bei der Graubündner Kantonalbank ist der Umgang mit den neuen Kommunikationsformen allerdings nicht Sache des Einzelnen, erklärt Christiana Buchli: «Wir wollen Medien wie Blackberry bedürfnisgerecht einführen, das heisst konkret funktions- und stufengerecht. Aktuell sammelt eine Testgruppe Erfahrungen zur sinnvollen, nutzenorientierten Verwendung der Geräte.» Dieses Vorgehen bildet eine Realität ab, die alle Gesprächspartner bestätigen: In Geschäftsleitungen und obersten Kaderstufen ist Erreichbarkeit ein Thema – und zwar nicht erst, seit es Handys, E-Mail oder Blackberrys gibt. Daneben gibt es eine funktionsbedingte Begründung der Erreichbarkeit, die von der Sicherung der Telefonpräsenz bis zu den verschiedensten Pikettdiensten übers Wochenende reicht.
- Die unmittelbarste Auswirkung auf die Arbeit und vor allem auf die Arbeitszeiten ist bei den meisten Unternehmen die Telefonpräsenz über Mittag; einzig bei Mettler Toledo wird noch eine Voicemail eingeschaltet, wobei Telefonzentrale, Kundendienst und Sekretariate ausgenommen sind. Und die Kantonalbank in Chur hat vor Kurzem mit der Eröffnung des Kundenhauses auch die durchgehende Öffnung der Schalter eingeführt. Bei den reinen Dienstleistungsunternehmen wie Bank, Krankenkasse oder Airline haben die Kundenbedürfnisse einen sehr hohen Stellenwert. «Wir erwarten nicht, dass alle Leute auch zwischen 12 und 13 Uhr erreichbar sind», erklärt Heidi Widmer, «aber in jeder Abteilung muss die Telefonpräsenz gewährleistet sein. Das ist im Rahmen der normalen Arbeitsorganisation auch ohne Weiteres möglich.»
- Ein weiteres Phänomen, das wieder unmittelbar mit den neuen Geräten zu tun hat und das immer wieder als unangenehm taxiert wird: Während Sitzungen werden immer häufiger SMS geschrieben oder gelesen und vor allem Mails gecheckt. Heidi Widmer empfindet das als respektlos und sehr unangenehm, «leider ist es aber geräuschlos möglich. In der Anfangszeit der Handys wurde auch noch telefoniert. Da war die Störung so offensichtlich, dass das heute nicht mehr erlaubt ist.» Britta Bellano teilt diese Einschätzung, bringt jedoch eine Nuance ein: «Es gibt ja Sitzungen und Sitzungen…
- Und wie gehen unsere Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner selber mit den neuen Kommunikationsmedien um? Sich abgrenzen – das ist für alle ein wichtiges Stichwort: Weder Britta Bellano, noch Heidi Widmer oder Christiana Buchli benützen ein Geschäftshandy. «Unser Beruf ist ja ohnehin kein 9-bis-5-Job», sagt Widmer, «aber ich gehe lieber ab und zu am Wochenende ins Büro, als dass ich auch zu Hause noch vor dem Computer sitzen würde.
- Erkenntnisse: Jugenderinnerungen weckt das Thema bei Britta Bellano: «Mein Vater war schon vor Jahrzehnten auch in den Ferien eigentlich immer erreichbar – nur lief es damals anders: Wichtige Fragen an den Chef wurden von der Sekretärin gesammelt und weitergeleitet, sie kannte als einzige oder zumindest als eine von ganz wenigen auch die Telefonnummer.» Der Schluss daraus für die Personalleiterin: «Das Phänomen an sich ist nicht unbedingt neu. Aber die Hemmschwelle, jemanden am Abend, in seiner Freizeit oder in den Ferien zu stören, ist eindeutig gesunken.» …»
Quelle: HR Today 12_07 7
«Die wöchentlichen Arbeitszeiten der deutschen Mitarbeiter im Finanz- und Rechnungswesen sind merklich gestiegen: Über 60 Prozent arbeiten länger als noch vor zwei Jahren. Das spiegelt den internationalen Trend wieder. Jeder Vierte Finance Professional ist heute fünf bis zehn Stunden pro Woche länger im Büro. Welche Faktoren treiben diese Entwicklung und was sind die Folgen?»
Lesen Sie mehr dazu im «Working Hours Report – A global comparison«, der nachfolgend kostenlos zum Download bereit steht.»
» Für viele Finanzmanager ist es undenkbar, ohne ihr mobiles Büro in die Ferien zu fahen. Die mobilen Kommunikationsmedien verändern aber auch den Arbeitsalltag. So zeigt die vom Personaldienstleister im Finanz-, Rechnungs- und Bankwesen Robert Half international durchgeführt Untersuchung auch für die Schweiz einige aufschlussreiche Zahlen.
- 26% der Schweizer Finazexperten rufen abends ihre E_Mails ab oder tätigen geschäftliche Anrufe.
- Im Rahmen besonderer Projekte arbeiten 42% nach Geschäftdsschluss auch zu Hause noch weiter.
- Jeweils 16 % der Befragten widmen jedes oder jeds zweite Wochenende teilweise dem Beruf.
- 64% müssen länger arbeiten als noch vor zwei Jahren.
- Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Schweizer Finanzprofis beträgt 36,4Stunden. Das resultiert zum Teil daraus, dass etwa ein Drittel der Finanzexperten Teilzeitverträge hat. «
Quelle: HR Today 12_07 7