Jedem kann es einmal passieren, dass eine Verstimmung, eine Migräne, eine Kolik oder sonst was einen davon abhalten, zur Arbeit zu gehen. Und es gibt jene, die schnell einmal unpässlich sind und daher eine Kurtabsenz öftermal in Kauf nehmen. Es doch so einfach: ein Telefonanruf am Morgen genügt. Und dauert es mal länger, dann schreibt der Arzt ein Zeugnis. Er kann eine oder mehrere Konsultationen verrechnen und er verschreibt auch ein passendes Medikament. Er wird kaum vom Patienten dazu überredet. Er verschreibt lieber ein Medikament, als dass er den Gratistipp für’s Abwarten und Teetrinken gibt. Das wäre ja ein Verstoss gegen die Mengenausweitung! Und die Kosten des Ausfalls tragen die Krankenkasse und der Betrieb. Hier liegt ein Kostentreiber im Schweizer Gesundheitswesen vor. Es ist zu einfach, den Menschen zu attestieren, sie würden zu viel zum Arzt springen. Man verleitet sie auch dazu. Und die Arbeitgeber sind an produktiven Stunden interessiert. Allein von da her gibt es schon Druck.
Die Anzahl der Kurzabsenzen kann durch geeignete Führungsmassnahmen bzw. durch ein überdachtes Absenzenmanagement hilft Kosten sparen. Der direkte Vorgesetzte kennt seine Mitarbeitenden am besten – sollte man wenigstens annehmen. Er kann also «Augenmass» bewahren. Er kann aber auch direkten Einfluss auf die Menge der Abwesenheiten nehmen.
Wenn sich die Absenzen bei der gleichen Person häufen oder sich regelmässig einstellen, müssten die Ursachen erörtert werden. Ein Gespräch mit der betroffenen Person kann Klarheit bringen respektive bereits Wirkung zeigen («man interessiert sich für mich»). Wenn es schwieriger wird, könnte ein Gespräch mit dem Arzt Klärung bringen. Da sich dieser an die Schweigepflicht hält, braucht es die Zustimmung der betroffenen Person. Es gibt Betriebe, die arbeiten mit einem Vertrauensarzt zusammen. Man kann auch diesen einschalten. Das wird besonders dann der Fall sein, wenn am ärztlichen Zeugnis gezweifelt wird. Weigert sich ein Mitarbeiter, sich vom Vertrauensarzt untersuchen zu lassen, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Lohnfortzahlung auszusetzen. Es könnte gar eine fristlose Entlassung angezeigt sein (Urteil des Bundesgerichts v. 14. Juli 1997 (JAR 1998 S.217).
Mit gezielter Überwachung der Kurzabsenzen und mit jeweils sofortigem Hinterfragen durch die direkten Vorgesetzten, hat man schon vor über 20 Jahren in einem industriellen Betrieb nachhaltige Wirkung erzielt. Die Kurzabsenzen pro Jahr und Mitarbeiter waren bekannt. Der Istzustand ergab 12,5 Tage pro Jahr und Person! Im ganzen Betrieb hatte man das «Augenmass» verloren. Es wurden Massnahmen ergriffen. Die Vorgesetzten wurden über die Erwartungen an sie informiert. Sie mussten mit den Mitarbeitenden das Gespräch suchen. Die eigentliche Kontrolle wurde durch den Personaldienst geführt. Und die Infos an die Linie kam jeweils von dort. Gleichzeitig wurde auch die Frist für die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses von drei auf fünf Tage erhöht.
Das Ergebnis war ermutigend. Die durchschnittliche Abwesenheit wurde innert eines Jahres halbiert! Und dass ein ärztliches Zeugnis erst nach fünf Tagen verlangt wurde, führte zu keinem Missbrauch! In der Folge sank der Durchschnitswert noch weiter ab.
Die Erkenntnis: nicht jene, die zu schnell und zu oft für zwei bis drei Tage zu Hause blieben, waren allein das Problem. Einen wesentliches Anteil daran hatten die Führungskräfte! Sie führten nicht! Wobei wir wieder beim Thema «Führen an der Front» angelangt wären. Und es fielen einzelne Ärzte auf, welche die ärztlichen Zeugnisse lockerer als andere ausstellten.