Adventsgedanken; Fernwärme


 

Advent: Die Zeit der Fernwärme

von Pfarrer Roman Angst

Ich halte Weihnachten nicht lange aus. Am liebsten habe ich es eine Gottesdienstlänge oder eine Christbaumkerzenbrenndauerlänge lang um den Christbaum. Danach ist mir zu warm. Danach wird es kitschig. Danach wirkt alles harmlos und aufgelöst.

Darum liebe ich den Advent so. Das ist die Zeit der Fernwärme. Nicht zu heiss, nicht zu kalt, Fernwärme eben von Weihnachten her.

Fernwärme – in diesem Sinn – scheint mir das dem Menschen zumutbare Mass an Wärme zu sein. Die Bewegungen sind noch nicht hektisch, wir noch nicht verschwitzt. Um eine, zwei, drei oder vier Kerzen lässt sich länger sitzen und plaudern als um einen Christbaum voll Kerzen. Stille und Besinnung sind möglich. Weihnachten ist dann laut, schön zwar für eine Gottesdienstlänge, festlich, brilliant, begeisternd. Aber für immer? Nein! Advent? Ja!

Was heisst das theologisch? Die Zeit der aktiven Erwartung Gottes ist wertvoller für unser Leben hier auf der Erde, als die Festivitäten, wenn er da ist. Der Gott, der Mensch werden will, und unser Menschsein erwartet, bewegt mehr bei uns (,weil wir da ja noch so viel zu erledigen haben), als der Gott, der dann da ist und uns so nah ist, dass wir vor Freude erstarren und staunen und im lauten Falle Hosianna und Halleluja singen.

Dazu kommt ja, dass das Weihnachtsfest nur ein Geburtstagsfest, nur ein Erinnerungsfest ist. Gott ist schon lang Mensch geworden. Und seine Geschichte ist weitergegangen. Tod, Auferstehung. Und mit der Auffahrt, Himmelfahrt hat auch er die Fernwärme entdeckt. Er ist hier bei uns und doch nicht hier. Seine Wärme ist immer zu spüren – aber als Fernwärme. Und wir leben – bis wir sterben – im Advent, also von Fernwärme! Advent ist meine bevorzugte Zeit – nicht zu warm und nicht zu kalt!»

Kerzen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier können Sie eine Kerze im Cyberspace anzünden.

Adventskalender mit Schornsteinen nicht ganz unähnlich. Die Kerzenständer sind von Eva
Güntensperger
als einem Teil meines Adventskalenders über ein Wertpapier, dem weltersten Wertkarton (nach unten scrollen). Diese Institution ist damals wegen eines Bundesratsentscheids untergegangen und die Situationskomik am 1. Tag im Dezember will es, dass die Resultate über das Projekt «realize it» das vom Canabis-Konsum wegführt, heute in der Presse bekannt gegeben wird, ähnlich wie damals rund um das kunstwerk.fabric8. Beide zumindest beim «Drogenentzug» sehr erfolgreich.

Die wichtigsten Links von Pfarrer Roman Angst:

 

Bahnhofskirche

Blog Bahnhofkirche Zürich

Bahnhofkirche – Station Church – Chappelle de Gare – Chiesa della Stazione

Netzwerk «offene Türen»

%%%%%

 

Fernwärme – deine Insassen sind meist weit weg von der Freiheit. Brauchen sie ausser der physischen Wärme nicht eher die psychische Wärme?

«Psychische Wärme und Nähe ist wichtig für Insassen, da sie von ihren Familien getrennt sind. Menschliche Wärme ist eine unabdingbare Voraussetzung, damit unser Hauptauftrag und unsere Hauptaufgabe, den Straftäter dahin zu begleiten, dass er nach Verbüssen seiner Strafe ein Leben ohne Delikte führen kann.»

Wie kommunizieren die Insassen mit ihren Angehörigen. Brief oder moderne Kommunikationsmittel?

«Die Insassen können Briefe schreiben – ein handgeschriebener Brief ist persönlicher al seine E-Mail – und Besuche empfangen. Sie haben auch die Möglichkeit zu telefonieren.»

Können sie ins Internet. Gibt sogar welche, die ein Blog schreiben?

«Nein, die Insassen haben keinen Zugang zum Internet und können somit auch keine Blogs schreiben. Das Internet ist zwar etwas Faszinierendes aber leider auch ein Tummelfeld für Kriminelle. Wir wollen nicht, dass die Insassen im Web herumsurfen und illegalen Geschäften nachgehen.»

Was ist eigentlich der Advent und was bedeutet dieser auf dem Thorberg?

«Theologisch ist der Advent die Zeit, in der auf die Geburt Jesu gewartet wird. Das sagt heut so ausgedrückt vielen Menschen kaum mehr etwas.

Was Advent und Weihnachten bedeutet ist mir aufgegangen, als ich als Militärbeobachter im ehemaligen Jugoslawien für die UNO im Einsatz gewesen bin. Ich habe an einem Abend in der Adventszeit 1992 in meinem Zimmer, das ich gemietet hatte, das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach gehört. An der Stelle, wo die Engel singen: „Friede auf Erden unter den Menschen…“ hat rund 200 m neben dem Haus, in dem das Zimmer war, ein Maschinengewehr zu rattern begonnen. Da ist mir aufgegangen, dass Weihnachten letztlich auch Ausdruck der Hoffnung der Menschen auf Frieden und Menschlichkeit und Wärme in dieser Welt ist. Es ist Hoffnung aber auch Herausforderung für jeden und jede Einzelne, sich in seinem und ihrem Umkreis für Frieden, Menschlichkeit und Wärme einzusetzen. Als „Peacekeeper“ konnte ich damals einen Beitrag zur Befriedung im ehemaligen Jugoslawien leisten. Heute tue ich es als Direktor einer Strafanstalt.»

Ihr habt eine alte Ölheizung, wie viele Liter braucht ihr um das Schloss zu wärmen?

«Bei den heutigen Temperaturen so zwischen 700-900 Litern pro Tag. Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt kann es Spitzen von 1500 Litern pro Tag geben.»

Das Schloss an der Eingangstüre, strahlt das nicht eher Fernkälte aus?

«Für mich nicht. Dass die Insassen dies anders empfinden, kann ich nachvollziehen. Mit dem Schliessen der Türen können wir aber auch Kälte aussperren, dann nämlich, wenn Insassen von einigen wenigen Leuten ausserhalb des Gefängnisses nicht mehr als Menschen wahrgenommen werden. Auch wenn sie ein schweres Delikt begangen haben, bleiben auch die Insassen erst einmal das, was wir alle sind: Menschen.»

Diese Türe ist vermutlich als Eingang unbeliebt. Strahlt sie als Ausgang gesehen Wärme aus?

«Ob die Gesellschaft, in die ein Insasse nach Verbüssen seiner Strafe zurückkehrt, wirklich wärmer – menschlich wärmer- ist als das Leben im Gefängnis, wage ich zu bezweifeln. Denn, wer will – und as höre ich leider oft – mit einem, der im Gefängnis gesessen hat, etwas zu tun haben?»

Fernwärme hattest Du in der Heiliggeistkirche? Ist diese Wärme anders an zu fühlen in einer offenen Kirche als die Wärme in einer geschlossenen Anstalt?

«Nein, wenn nur die Wärme gemeint ist, die es dazu braucht, die Temperatur auf rund 20°C zu halten. Wenn die menschliche Wärme und Kälte angesprochen sind, so habe ich in der Kirche beides erlebt. Eine offene Kirche allein garantiert noch keine Wärme – Fernwärmeanschluss hin oder her. Auf Thorberg gibt es Kälte aber auch viel Wärme. Wir, d.h. die Insassen und das Personal leben zusammen. Zusammensein gibt Wärme – Nahwärme – die mir wichtiger scheint als Fernwärme. Die menschliche Wärme gibt es letztlich nur als Nahwärme. Beim Gedanken an menschliche Fernwärme „tschuderet“ es mich. Das Entstehen menschlicher Wärme kann nicht auf die Ferne realisiert oder sogar delegiert werden. Da braucht es jeden einzelnen Menschen mit seinem Engagement und seiner Bereitschaft, die Nähe zu anderen Menschen zu suchen, auch zu Insassen einer Strafanstalt. Das ist eine unserer Aufgaben.»

 

Schloss Thorberg

 

Heiliggeistkirche Bern

Die Heiliggeistkirche Bern (unsere Bahnhofskirche) wird mit Fernwärme geheizt. Die Rohre im Vordergrund sind Anfangs Dezember noch nicht im Untergrund bei der Neugestaltung des Bahnhofsplatz verschwunden. Vom bekanntesten Blogger der Schweiz, Bundesrat Moritz Leuenberger, haben wir vor seiner Bloggerkarriere schon ein Bild aus dieser offenen Kirche präsentiert. Sie lesen dort, wie er Zeitung lesen möchte. Ob er swissblogpress für den Adventskalender ein Interview gewähren wird?

Im April war Hans Zoss in der Heiliggeistkirche und führte in die Gedenkfeier zum 50. Jahrestag von Albert Schweitzers Appell gegen Atomrüstung ein.

%%%%%

 

Handy im Advent

Ein Beitrag von Werner Gallusser, Basel – Prof. Dr. phil., Humangeograf i.R. – und vermutlich der Älteste Schweizer, der je ein Blogkurs absolviert hat (Jg. 29)

Ich vermute, wer unsere Zeit und ihre Menschen klarsichtig und unvoreingenommen beobachtet, wird zum Schlusse kommen, dass eine von zwei menschlichen Händen etwas unsäglich Wichtiges ans Ohr hält und damit spricht. Und dieses Sprechen findet überall statt: sehr ausgeprägt im Tram, in der Eisenbahn, auch im Auto oder irgendwo im Gewühle der Stadt. Handy-Telefonierende sind an ihrer Körperhaltung („Körpersprache“) gut erkennbar: der Blick etwa 45 ° über der Horizontalen zum Himmel gerichtet oder dann im gleichen Winkel zum Fussboden, den Kopf leicht abgeschrägt und … für das jeweilige menschliche Gegenüber absolut entrückt. Ich beobachte furchtbar gerne Handy-Sprechende: aus den Gesprächsfetzen kann sich der wissbegierige Mitmensch wertvolle Rückschlüsse auf die gesundheitliche Verfassung, die Biographie, Milieu, Tagesgestaltung, Freundeskreis etc. ziehen; ebenso kann er wertvolle Einsichten über Mundart, Muttersprache oder den aktuellen Sprachenmix gewinnen … nur verdrängt die Handy-Kommunikation das direkte Gespräch zwischen anwesenden Zeitgenossen.

Dabei signalisierte das Antlitz meines Gegenübers (im Tram, in der Bahn …) zumindest „Kommunikationsbereitschaft“. Natürlich kann das Handy im Notfall wertvoll sein und kann isolierten Mitmenschen tatsächlich „Fernwärme“ vermitteln, das ist gut so! Doch hier und jetzt im Advent, gilt es, unsere Mitmenschen im Alltag (Mitarbeitende, Bedienende, Bediente, Mitreisende, Kinder, Familienangehörige) mit freundlichem Blicke wahrzunehmen. Und warum sollten wir nicht noch ein aufmunterndes Wort zum andern wagen, denn Licht und Wärme des Advents strahlt wie eine Sonne für alle!»

 

 

Werner Gallusser

Danke an «Werner dem 1 aus Basel» deine Beobachtungen der «handitis acutis rigorosis» kann jeder an sich selbst nachprüfen. Übrigens, er telefoniert auch mit dem Handy und nun zu «Werner dem 2. mal von Basel«.

%%%%%

 

Das Wort und die Wörter

von Pfarrer Dr. Werner Sommer

Am Weihnachtstag vor dreissig Jahren stirbt in Vevey Sir Charles Spencer Chaplin K.B.E. im Alter von 88 Jahren. Zwei Monate später wird dessen Leiche aus dem Friedhof gestohlen, um bei der Familie ein Lösegeld zu erpressen. Die Erpressung scheitert; die Leiche wird in einem Maisfeld gefunden und erneut beerdigt.

Eine makabere Weihnachtsgeschichte – und doch passt sie irgendwie zum Leben und zum Werk von Sir Charles oder eben Charlie Chaplin, wie er uns bekannt ist. Er hat viel mit dem Makaberen und dem Entsetzen Scherz getrieben (Der grosse Diktator / Monsieur Verdoux), aber immer so, dass einem das Lachen im Halse stecken geblieben ist. Wie kaum ein Zweiter wusste er um die Doppelbödigkeit der menschlichen Existenz. Er hat sie oft genug an seinem eigenen Leib erfahren.

Chaplin war kein Mann der vielen Worte; wenigstens in seinen Filmen. Nach dem Durchbruch des Tonfilms dauerte es noch ganze acht Jahre, bis man Chaplins eigene Stimme im Film hörte. Es war das unvergessliche, von ihm selbst komponierte Lied mit improvisiertem Kauderwelschtext vom Schluss des Filmes Modern Times (1936). Die Filme Chaplins kamen bis zu diesem Zeitpunkt mit wenig eingeblendeten Zwischentexten aus. Das Meiste war auch ohne Worte verständlich.

Chaplin ist wohl in seinem Innersten der romantische kleine Vagabund geblieben; einer, mit dem das Leben spielt; der aber unter allen Umständen seine Eigenart und Selbständigkeit bewahren will. Und so übt er insgeheim und doch wirksam Kritik an der Welt. Diese hat ihm dies zum Teil übel genommen.

Eine dieser Kritiken versteckt sich im langen Festhalten am Stummfilm. Die wenigen Worte der Zwischentexte stehen im Kontrast zum Geschwätz der Welt. Chaplin setzt den Wörtern Bilder und wenige Worte entgegen. Sogar Kauderwelsch ist besser als verständliche Wörter.

Chaplin stellt der Welt seinen Vagabunden gegenüber. Das ist schon fast biblisch. Denn in der Bibel wird auch eine Randexistenz zum wahren Bild des Menschen erhoben: Jesus von Nazareth, eine verwegene Gestalt im fernen Wetterwinkel des Römischen Reiches. Entsprechend war sein Tod; entsprechend interpretierte man im Nachhinein seine Geburt. Nicht vergebens bezeichnet der Apostel Paulus den Glauben an ihn als eine weltliche Torheit und frommes Ärgernis. Ähnlich versuchte im 20. Jahrhundert der zutiefst christliche französische Maler Georges Rouault dies auszudrücken, indem er Jesus die tragische Gestalt eines Clowns gab.

Am Anfang des Johannesevangelium wird in einer Art Geburtsgeschichte Jesus als Wort bezeichnet: das eine Wort Gottes im Gegensatz zu den vielen Wörtern dieser Welt. Doch schon damals drohte dieses Wort in den Wörtern zu verschwinden. (was)»

Gestern erschienen im Profil. Zur Zeit noch nicht aufgeschaltet – aber es passt so schön zur «modern times» Kommunikation, dass wir einfach diesen Artikel stehlen mussten. Merci Werner und wenn du noch etwas Sarkasmus über Chaplin lesen willst, im Finanzblog standen Prognosen.

%%%%%

Haben sie Lust, selbst einen Beitrag für den Adventskalender zu gestalten. Es darf auch ein Kurzbeitrag sein. Informieren sie sich bei swissblogpress und die freien Daten.

 

Fernwärme

… weiter zum Adventskalender …

Massnahme 1 und 1a – Erneuerbare Energien (pdf-File – gleiches Fenster)

Dialog um Fernwärme – einige Hundert Themen und zig-Tausend Antworten

Der heutige Beitrag wurde von libref. gestaltet – die LIBeralen der REFormierten Landeskirche:

libref

Zusammenstellung, Fotos und Koordination: Stephan MartiFinanzblog


Schreiben Sie einen Kommentar