Eigenmietwert – Schweizer (Un-) Eigenart

In der Schweiz wird der Eigenheimbesitzer für sein selbst finanziertes Wohneigentum mit einer theoretischen Steuer belegt. Befürworter dieses Kuriosums, welches es auf der ganzen Welt sonst eher selten gibt, finden auf kurlige Weise immer wieder Scheinargumente dafür. Allein schon die aufgewendete Energie zur Verteidigung dieses helvetischen Blödsinns macht die Angelegenheit suspekt. Wer würde etwas verteidigen, woraus er keinen Nutzen ziehen könnte? Wer sind denn die Interessierten, die Nutzniesser? Es müssen primär wohl die Geldgeber sein – darunter auch Pensionskassen, Banken Immobilienhändler usw. Es wird zur Zeit wieder über die Abschaffung dieser Besteuerung diskutiert: Dabei wird argumentiert, diese Steuer auf dem Eigenheim sei systemwidrig, willkürlich und ungerecht.

«(…) In Kombination mit den Steuerabzügen für Schuldzinsen und Liegenschaftsunterhalt sorgt die Besteuerung dieses «Naturaleinkommens» im Prinzip für die Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern sowie von selbstfinanziertem und fremdfinanziertem Wohneigentum. Damit entspricht das System im Prinzip dem Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit….   …Man stelle sich drei Familien vor. Die erste Familie wohnt im eigenen Haus ohne Hypothek, die zweite Familie wohnt auch im eigenen Haus, zahlt aber pro Jahr 12 000 Franken Schuldzinsen, und die dritte Familie zahlt jährlich 24 000 Franken Miete. Bei sonst gleichen Verhältnissen stehen diese Familien wirtschaftlich sehr unterschiedlich da, weshalb sie von der Einkommenssteuer auch unterschiedlich betroffen sein sollten. Das geltende System sorgt im Prinzip für die Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit: Die Wohneigentümer dürfen ihre Kosten für Schuldzinsen und Liegenschaftsunterhalt abziehen, müssen aber dafür den Geldwert aus ihrem Wohnrecht – den Eigenmietwert – als Einkommen versteuern. Dies ermöglicht im Grundsatz die Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern sowie von selbstfinanziertem und fremdfinanziertem Wohneigentum. Das System ist somit einigermassen «neutral»: Es bevorzugt in Sachen Wohnform und Verschuldungsgrad keine bestimmten Lebensentwürfe. Das ist aus liberaler Sicht an sich gut so. …) Hansueli Schöchli, NZZ

Tatsache ist, dass die Investoren mit dieser Situation bisher gut gelebt haben. Man erinnert sich nicht gerne an Flopps! Doch schon der selige Professor Walter Wittmann geisselte um 1983 das Verhalten von Versicherungen und Pensionskassen und warnte von den Folgen wenn sie ausriefen: «…  Wir suchen Bauland, wo ist egal, Geld spielt keine Rolle…» Die Häuser wurden gebaut, mussten oft wegen geringer Nachfrage unter dem Wert vermietet werden und nach 20 Jahren, wenn erste Sanierungen nötig wurden, durften die Investoren respektive die Versicherten erneut in die Tasche greifen. Ich verstehe den Vergleich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht.

Herr Schöchli möge sich noch andere Szenarien betrachten: Ein „Mitttelständler“ im unteren Bereich der „Gehalts-Bandbreite“, ohne geerbtes Vermögen, mit Familie ist während 30 Jahren Mieter. Während dieser Zeit finanzierte er das auswärtige Studium von zwei Hochschulabsolventen, ohne dafür Stipendien zu bekommen. Dies weil er in einem Kanton lebte, der diesbezüglich praktisch nichts zu verteilen hatte. Einzig zinslose Darlehen standen zur Verfügung, deren Rückzahlung ab einem bestimmten Termin nach Studiumsabschluss mit 4% verzinst wurde. Dass es aufging, verdiente die Gattin mit (Teilzeit). Es wurde den Umständen entsprechend gelebt, damit auch noch etwas gespart werden konnte (dritte Säule). Im Alter um die 50 wurde ein Eigenheim erstanden (Zins 7.0% bzw., 5,5%)! Das nötige Eigenkapital war knapp nicht vorhanden, doch eine Bank sah dies (Gott sei Dank) nicht so eng.

Das Eigenkapital dafür wurde eigenständig erwirtschaftet und sowohl als Einkommen und als Vermögen versteuert (so wie das Auto und die Sportgeräte). Die Schuldzinsen konnten im Rahmen des Gesetzes abgezogen werden. Das für das Haus eingesetzte Kapital wurde also schon zwei mal versteuert.

Eine unfreiwillige Frühpensionierung nach etwas mehr als einem Dezenium brachte eine grosse Verunsicherung. Die Gefahr des Verlustes des Eigenheims war akut.Zum guten Glück kam es besser als «erwartet». Die Anpassung an die neue Situation erlaubte es schliesslich dass biss zur Aufgabe der Berufstätigkeit und auch danach, die weitere Amortisation der Hypothek. Volkswirtschaftlich gesehen eine gute Sache, weil das da gebundene Kapital durch Freisetzung anderswo eingesetzt werden konnte. Offenbar ist dies in einer Zeit wo Staaten faule Kredite aufkaufen und Geld bis zum «Geht nicht mehr» drucken, kein Thema mehr.

Die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ ist also ab der Pensionierung eindeutig geringer. Von einer Reduktion des Eigenmietwertes jedoch ist nichts zu merken. Logo: Personen, die einen Grossteil ihrer Hypothekarschuld abbezahlt haben sind im Vergleich zu jenen benachteiligt, die ein aktives Vermögen versteuern müssen. Im Rentenalter, wenn ihr Einkommen tiefer ist als zuvor, kann es zu grossen Problemen führen.

Aus volkswirtschaft Sicht wäre es wohl besser gewesen, das Geld zu verjubeln um den Inlandmarkt zu beflügeln (Die Ankurbelung des Inlandmarktes war stets ein Anliegen der Bundesrätin Leuthard) oder gar vorübergehend auszuwandern (Far East), um dann, wenn Ebbe im Portemonnaie herrschte, reumütig zurück zu kommen um von der Sozialhilfe oder von der AHV mit Ergänzungsleistung zu leben… in einer im Vergleich zu teuren Wohnung notabene!?

Hätte ich anstelle eines Hauses ein Flugzeug gekauft, dieses betrieben und teilweise vermietet, hätte man buchhalterisch unter dem Strich kaum viel verdient. Das Flugzeug wäre wie ein Auto versteuert worden und einen Eigenmietwert hätte man dafür nie bezahlt. Wie würde nun Herr Schöchli alle Nichtflugzeugbesitzer oder alle Nichtcamperbesitzer einreihen?

Sie können anstelle eines Flugzeuges ein altes Postauto nehmen, welches als Camper umgebaut wurde und mit allem Comfort ausgerüstet als fahrbares Ferienhaus betrachtet werden könnte. Auch hier käme kaum jemand auf die Idee, einen Eigenmietwert zu kreiern.

Die Logik der Besteuerung des Eigenmietwerts als Besteuerung eines Nutzens, für den kein Geld gezahlt wird, liesse sich noch bedeutend ausweiten und könnte für grosse Steuererträge sorgen. Neben der Besteuerung der Selbstnutzung des gekauften Autos käme da auch etwas sehr Menschliches infrage: einvernehmlicher Sex, entweder über die Ehe (zweimal pro Woche, nach Luther) oder über die Einwohnerämter, was bei jungen, unverheirateten Paaren sehr lukrativ sein dürfte, insbesondere wenn der Staat feststellt, wie häufig da konsumiert wird, egal, ob es zutrifft, so wie bei der Billag, die man ja auch zahlt, ohne zu konsumieren oder gar Vergnügen daran zu haben. NZZ, 27. 10. 2017, Leserbrief von Laurenz Hüsler, Egg b. Zürich

Mit dem Erwerb eines Eigenheimes ist man vorerst an den Wohnort gebunden. Will man kurze Arbeitswege, dann muss ein Stellenangebot in der Region genügen. Wenn dies nicht der Fall ist, muss gependelt werden. Flexibilität wird ja diesbezüglich speziell von den Wirtschaftskapitänen und, wen wunderts, von vielen Politikern stets wieder gefordert. Bezüglich Eigenmietwert sind dies keine Pluspunkte! Sie schmälern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit! Man bedenke, dass Pendler immer mehr zu einer Art „Freiwild“ verkommen. Durch vermehrte Hindernisse werden sie fiskalisch benachteilt. Der Pendlerabzug wird limittiert. So kommt es z.B. daher: 86’000 Zürcher Autopendler sollen mehr Steuern zahlen

Würden Wohneigentümer handeln wie es Wirtschaftsgurus und Finanzmenschen gerne sähen, also beim Job-Wechsel gleich das Wohneigentum wechseln, würde der Spekulation zu weiterem Auftrieb verholfen. Und der nächste, der das verlassene Wohneigentum übernähme, wäre mit höheren Kosten konfrontiert.

Wohneigentümer tragen zur Stabilisierung des Immobilienmarktes bei! Sie sind bestimmt nicht «Blasen bildend». Sie dürfen jedoch an den Folgen indirekt partizipieren, wenn Wohnraum infolge von Blasen oder Überhitzung teurer werden. Die Kantone werden zu gegebenr Zeit das private Wohneigentum neu einschätzen. Das Ziel ist klar: Erhöhung des Eigenmietwertes!

Wer pendelt verliert wertvolle Zeit. Wer weiter weg wohnt hat weniger Zugang zu Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen. Über die Unfähigkeit der Wirtschaftskapitäne, die Arbeit vermehrt in die Regionen zu verteilen wurde bisher kaum nachgedacht (mit der Arbeit zu den Arbeitnehmenden anstatt alle Arbeitnehmer möglichst zur gleichen Zeit zu den Arbeitgebern schicken). Mindestens Staus wärenn es weniger und die Staukosten ebenfalls. Dafür werden einfach mehr Autobahnen in Richtung grosse Zentren gebaut, wo der Kollaps vorprogrammiert ist. Diese Zentrumsbewegung lässt auch Wohnraum in Zentren teurer werden. Warum soll ich dies nun via mein Eigenheim mittels der Eigenmietsteuer mitfinanzieren?

Falls jemand gedenkt, bei einem Stellenwechsel auch das Wohneigentum zu wechseln, so wie man den Kirchenchor wechselt, muss gut rechnen und eine Mehrfachbesteuerung (die ein Mieter nicht hat!) beachten (Grundstückgewinnsteuer, Handänderungessteuer bzw. -gebühr, Gebühren für die Beurkundung, Gebühren für den Grundbucheintrag). Am neuen Ort wird es wahrscheinlich teurer.  Vielleicht ist nur noch ein Eigenheim im Baurecht möglich. Das zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Gleichbehandlung nebenbei!

Wer in der „Aglo“ wohnt hat selbst von den Grossverteilern Nachteile zu erwarten. Die schicken nämlich ihr Ladenhüter zuerst in die Aussenbezirke, dann in abgelegenerne Regionen.

Die zum Teil fragwürdigen “Aufrüstung“ älterer Häuser treibt die Mietkosten zusätzlich in die Höhe. Mit 4 primitiven Stahlträgern, ein paar Holzbrettern als Boden, werden Balkone an die Häuser geschraubt. Frühere Bausünden verlangen nach Aussendämmung der Wände und reine „Pinselsanierungen“ sollen die Wohnqualität erhöhen. Alles Argumente, um die Einnahmen zu maximieren. Der Zuwachs an Wohnqualität hält mit den Kostensteigerung für den Mieter nicht Gleichschritt.

Warum soll jetzt der Eigenheimbesitzer diese einseitige Kostensteigerung indirekt via Eigenmietwert der „Gerechtigkeit“ die eine Scheingerechtigkeit“ ist, mittragen? Diese «Sanierungen» habe ich z.B. nicht nötig, ist das Haus doch nahe am Minergiestandard was die Dämmung der Fassaden betrifft und somit ein sorgfältiger Umgang mit den Ressourcen (Heizung) gewährleistet ist..

Wo Wohnungen gute Anlagen sind Quelle: Nzz/UBS
 Da wo Wohnungen weniger gute Anlagen sind, herrscht «Steuerhölle» – ein weiteres Indiz für Schöchlis (Un-) Gleichbehandlung von Wohneigentümern und Mietern!

«(…) Und immer mehr Privatpersonen folgen dem Beispiel finanzkräftiger Investoren, indem sie Liegenschaften kaufen, um sie zu vermieten (Buy-to-let). Naturgemäss erwerben Private kleinere Immobilien als eine Pensionskasse – in der Regel sind es Eigentumswohnungen. Obwohl die Preise für solche Objekte seit 2000 durchschnittlich um insgesamt 85% bzw. jährlich um 3,7% gestiegen seien, liessen sich mit ihnen attraktive Renditen erzielen, schreibt die UBS in einer am Montag veröffentlichten Studie…)»

Dass bei dieser Entwicklung der Eigenmietwert nicht sinken kann ist wohl logisch! Ein Argument mehr, diese unsinnige und ungerechte Steuer abzuschaffen. Je schneller, dest besser!

Die Argumente des Befürworters für den Eigenmietwert sind auf Sand gebaut. In vielen anderen Ländern gibt es keinen Eigenmiet à la Helvetia. Dort ist oft so, dass ein Kredit für ein Haus innert 20-25 Jahren auf „Null“ zu reduzieren ist. Dort gibt es keine Diskussionen! Viel mehr ist es doch so, dass Geldgeber gut damit leben, dass der Schweiezer Eigenheimbesitzer sein Leben lang Schuldzinsen bezahlt – mit „Steuergeschenken“ der Dritten Säule als Köder!

Jörg Baumberger emeritierter Titularprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und Eigentümer (ohne Hypothekarschuld) eines Reiheneinfamilienhauses sieht es anders. Immerhin überlässt er es dem Leser selbst zu urteilen. 

Aus der Sicht eines Jägers gibt es viele Geier und Parasiten die sich an seiner Beute, dem Eigenheim, zu schaffen machen. Sie heissen: Steuer für den Eigenmietwert, Grundstückgewinnsteuer, Handänderungessteuer bzw. -gebühr, Gebühren für die Beurkundung, Gebühren für den Grundbucheintrag, Wertvermehrung. Wer im Stockwerkeigentum lebt bezahlt sehr oft viel zu hohe Verwaltungskosten. Mit Finten wird ihm einiges schmackhaft gemacht: Steuerabzug für Schuldzinsen, … Später , wenn Altersbeschwerden den Einzug in ein Heim oder gar Pflege notwendig werden, nimmt der Sozialstaat den Rest bis auf Fr. 20’000.- bzw. Fr. 40’000.- für ein Paar. Falls das Eigentum früher an die Nachkommen weitergegeben wurde, wird allenfalls auch bei ihnen noch die hohle Hand gemacht.

Dem «Jäger» fällt es nicht leicht, seine Beute zu verstecken oder zu schützen. Der mächtige Staat, der über den Verhältnissen gut lebt, muss das Geld irgend woher nehmen. Die ungebremste Stellenvermehrung zeigt, woher der Wind weht.

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SMS, der Finanzbloggersagte:

«(…) beim USRIII, wo wir massgeblich an der Kippung mitgeholfen haben, schrieb ich: Wieso wird der Holdingabzug nicht einfach abgeschafft und der Unternehmesgewinn normal besteuert, allenfalls mit einem kleineren Rabatt. Damit die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen in der Schweiz mit der Einkommenssteuer auf Dividenden ausgeglichen wird, könnte einfach ein Rabatt auf die versteuerten Einkommensgewinne aus Schweizer Dividenden gewährt werden. Das wäre Steuergerechtigkeit … und dann gleich noch den fiktiven Eigenmietwert abschaffen. So etwas schaffen nur Liberale. Linke und Rechte würden aus Eigennutz diskutieren. Steuerphilosphie ist eine echte Philosophie.»)»

odh darauf: Gut gesagt!
Nur: » Steuerphilosophie ist eine echte Philosophie» Der Begriff Philosophie wird für jeden Dreck verwendet! Philosophie strebt ohne Gewinnabsicht zur Wahrheit. Alles was mit Steuern zu tun hat bedeutet Gewinn oder Aufwand – mit Philosophie hat dies nichts zu tun! Deformation professionelle? Ein wenig vielleicht schon! Ich war u.a. bei Max Lüscher in der Schule und er nahm es sehr genau! Steuern werden vom Staat «verordnet». Es handelt sich also um ein Gesetz, welches das Ziel ist. Vorgängig werden Strategien zum Ziel entwickelt. Steuerstrategie wäre wohl angebracht. Die Luzerner reden nicht von Steuerphiliosophie, sondern von Steuerstrategie!